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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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der Wahrheit). Harald Weinrich verweist auf den<br />

mythologischen Zusammenhang des Begriffs „Lethe“<br />

als Namen einer antiken Göttin (Gegensatz zu<br />

„Mneme“), die aus dem Geschlecht der Nacht stammt,<br />

ihre Mutter ist „Eris“, die Göttin der Zwietracht.<br />

Weinrich stellt ebenfalls einen Bezug <strong>zum</strong> Fluss<br />

„lethe“ in der Un terwelt her, der nach dem Tod<br />

der Menschen deren Seelen aufnimmt und ihre<br />

Erinnerun gen an ihre irdische Existenz in Vergessenheit<br />

bringt. Der Mensch, der sich um Erkenntnis<br />

bemüht, unterzieht sich einem Prozess der „anamne<br />

sis“, der Wiedererinnerung. Doch im Diesseits bleiben<br />

absolute Wahrheiten nicht erkennbar, lediglich<br />

Schatten kann der Mensch von der Idee des Guten,<br />

Wahren und Schönen erlan gen, und zwar im Dialog<br />

(elenktisches Verfahren). Die platonische Seele durchläuft<br />

somit im Kreislauf folgende Stadien: Ideenschau<br />

– Vergessen – Irdisches Dasein – Vergessen. Friedrich<br />

Nietzsche sieht in der platonischen Ideenlehre das<br />

„größte Malheur Europas“; mit „Plato’s Erfindung<br />

vom reinen Geiste und vom Guten an sich“ sei „der<br />

schlimmste, lang wierigste und gefährlichste aller Irrtümer“<br />

in die Welt gekommen. Der Mensch sei immer<br />

von der leiblich-sinnlichen Welt geprägt, von der gesamten<br />

der Dynamik des Lebens (Friedrich Nietzsche:<br />

Brief an Overbeck am 01.01.1888).<br />

René Descartes vertritt einen interaktionistischen<br />

Dualismus. Sein rationalistisch aus gerichteter erkenntnistheoretischer<br />

Ansatz geht ebenfalls von einer<br />

strikten Trennung von Körper und Seele aus. Interaktionistisch<br />

ist dieser Ansatz deshalb, weil Descartes<br />

annimmt, dass Körper und Geist gegenseitig aufeinander<br />

einwirken. Körper („res extensa“) und Geist („res<br />

cogitans“) seien zwei völlig verschiedene Substanzen.<br />

Die Seele bzw. der Geist („l’âme rai sonable“) liegt<br />

nach Descartes in einer „kleinen Drüse im Gehirn“,<br />

von wo aus sie auf den Körper in einer gewissen Weise<br />

einwirkt. Ihr wesentliches Attribut ist zu denken, so<br />

wie das des Körpers ist, ausgedehnt zu sein. Denken<br />

ist somit für Descartes keine körperliche Eigenschaft:<br />

„[…] so ist, sage ich, gewiss, dass ich von meinem Körper<br />

wirklich verschieden bin und ohne ihn existieren<br />

kann“ (René Descartes: 6. Meditation). In der französischen<br />

Fassung der 6. Meditation wird von Descartes<br />

„Ich“ mit dem Zusatz „d. h. meine Seele, durch die ich<br />

das bin, was ich bin“ („… il est certain que ce moi, c‘està-dire<br />

mon âme, par laquelle je suis ce que je suis …“)<br />

versehen. Wenn, so Descartes, zwei Dinge unabhängig<br />

voneinander existieren können, dann sind sie real<br />

verschieden. Im 5. Kapitel der Schrift Discours de la<br />

méthode unterscheidet Descartes den Menschen vom<br />

Tier in der Weise, dass der Mensch über die Fähigkeit<br />

zu sprechen und über Vernunft („raison“) verfügt. Ein<br />

aus heutiger Sicht, im Zeitalter der technologischen<br />

Fortentwicklung, interessantes Gedankenspiel schließt<br />

er argumentativ an diese These an. Wenn man menschenähnliche<br />

Maschinen konstruieren würde, die<br />

menschliche Handlungen gemäß der technischen<br />

Möglichkeiten aufwiesen, dann hätten wir ganz sichere<br />

Mittel, die Maschine vom Menschen zu unterscheiden,<br />

nämlich durch ihre Worte und ihre Fähigkeit zur<br />

Kommu nikation, dem sinnvollen „Zusammenstellen“<br />

(„composer“) von Wörtern. Bei Tieren (selbst bei<br />

Affen!) sei dies anders. Maschinell konstruierte Tiere<br />

könnten wir vom lebendigen Tier nicht unterscheiden<br />

(das lebendige Tier empfindet demnach keinen<br />

Schmerz!). Tiere führen auf der Basis ihrer Organe<br />

bestimmte Handlungen durch, der Mensch hingegen<br />

hat Vernunft als „universelles Instrument“, um flexibel<br />

in allen möglichen Aufgaben- und Problembereichen<br />

zu handeln („[…] la raison est un instrument universel<br />

qui peut servir en toutes sortes […]“). Nach Descartes<br />

ist menschliche Vernunft (Intelligenz) nicht maschinell<br />

realisierbar. Er geht davon aus, dass Körper und<br />

ihre Teile, die Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen,<br />

die sich nicht naturgesetzlich erklären lassen, nichtphysische<br />

Qualitäten aufwei sen müssen. Descartes<br />

will etwas „Bleibendes“ in den Wissenschaften erreichen,<br />

etwas, was frei von Zweifeln auf ein klares und<br />

sicheres Fundament gestellt werden kann. Er be dient<br />

sich seines berühmten methodischen Zweifels, wie in<br />

seinen Meditationen dargelegt, und kommt zu dem<br />

Schluss „cogito ergo sum“. Alles, was er bislang von<br />

„außen“ erfahren habe, was ihm durch seine Sinne<br />

zugekommen sei, sei voller Irrtümer gewesen, und<br />

es gelte, diese radikal zu bezweifeln, bis an den Punkt,<br />

an dem nicht mehr gezweifelt werden könne. Es geht<br />

nach Descartes also nicht darum, in Einzelfällen Irrtümer<br />

und Fehler aufzuspüren, sondern mit geeigneter<br />

Methode Wahrheit und Objektivität zu erreichen.<br />

Die wahre Erkennt nis kann also nicht von „außen“<br />

geleistet werden, sondern ist nur möglich durch den<br />

menschlichen Geist, ausgestattet mit eingeborenen<br />

Ideen (z. B. Zahl, Größe, Zeit, Dauer), die ihren Ursprung<br />

in Gott haben: „ […] que Dieu, en me créant,<br />

ait mis en moi cette idée pour être comme la marque<br />

de l‘ouvrier empreinte sur son ouvrage“ (Descartes :<br />

3. Medita tion).<br />

Erkenntnistheorie – Philosophie des Geistes 93

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