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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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unklare Eindrücke, wie Leidenschaft und Emotionen.<br />

Die Seele, so Men delssohn, will „alles, was auf ihre<br />

Fortdauer abzielt, oder was zu ihrer Vollkommenheit<br />

etwas beiträgt“. Die Seele ist sich „bewusst“, dass sie<br />

mit dem Körper verbunden ist, und demnach will sie<br />

auch das, was den Körper er hält und auf sein Wohlsein<br />

ausgerichtet ist (Moses Mendelssohn: Von dem<br />

Vergnügen 11, 12). In seiner erstmals 1755 anonym<br />

veröffentlichten Schrift Briefe über die Empfindungen<br />

korrespondieren in einem fiktiven Dialog Euphranor<br />

und Palemon (in späteren Schriften er scheint letzterer<br />

als „Theokles“) über das Schöne. Euphranor vertritt<br />

die Empfindungslehre, die sich aus dem „unteren<br />

Erkenntnis vermögen“ ableitet, und Palemon geht<br />

davon aus, dass sich die Erkenntnis des Schönen ausschließlich<br />

aus dem „oberen Erkenntnisvermö gen“<br />

erklären lässt.<br />

Harmonische Schwingungen von Musik, die an unser<br />

Ohr dringen, „sind dem Ton eines ge sun den Leibes<br />

zuträglich“ und erzeugen „harmonische Bewegungen<br />

in den Gliedmaßen“. Die Seele „vergnügt“ sich an<br />

der Vorstellung dieser „Sinneslust“, weil sie eine<br />

„objektive Vollkommenheit“ wahrnimmt, und zwar<br />

dergestalt, dass der Gegenstand der Vorstellung ihr<br />

wesensgleich ist. In ihrem Vergnügen bleibt die Seele<br />

jedoch nicht passiv als Rezipierende, sondern die<br />

körperlichen harmonischen Bewegungen bringen<br />

das „ganze System ihrer Empfindungen und dunklen<br />

Ge fühle“ in ein harmonisches Spiel und bewirken,<br />

dass sie ihr sinnliches Erkenntnisvermögen stei gert.<br />

„Auf solche Weise entspringt das Vergnügen der Seele<br />

bei der Sinneslust nicht bloß aus dem Gefühle von<br />

dem Wohlbefinden des Körpers, sondern zugleich aus<br />

der in die Seele selbst hinzukommenden Realität, durch<br />

die harmoni sche Beschäftigung und Übung der Empfindungs-<br />

und Begehrungskräfte“. Wie Baumgarten<br />

ist auch Mendelssohn bestrebt, sich gegen Vorwürfe<br />

zu verwahren, dass er zu sehr der sinnlichen Wolllust<br />

das Wort rede: „Man ist längst über jene düstere<br />

Sittenlehre hinweg, die alle Ergötzlich keiten der Sinne<br />

ver dammet und den Menschen Pflichten vorschreibt,<br />

zu welchen ihn sein Schöpfer nicht ein gerichtet hat.<br />

Wir sind bestimmt, in diesem Leben nicht nur die Kräfte<br />

des Verstandes und des Willens zu verbessern, sondern<br />

auch das Gefühl durch sinnliche Erkenntnis und die<br />

dunklen Triebe der Seele durch das sinnliche Vergnügen<br />

zu einer höhern Vollkommen heit zu erziehen“ (Moses<br />

Mendelssohn: Rhapsodie, 392, 393).<br />

Immanuel Kant, Zeitgenosse von Baumgarten und<br />

Mendelssohn, hat beide hoch ge schätzt. Kant<br />

würdigt 1777 in einem Brief an den Philosophen<br />

Marcus Herz Moses Mendelssohn als einen Mann<br />

von „so sanfter Gemüthsart, guter Laune und hellem<br />

Kopfe“, ein Mann, der für ihn „Nahrung der Seele“<br />

darstellt. Das Werk von Baumgarten Aesthetica hat<br />

Kant als „das nützlichste und gründlichste unter allen<br />

Handbüchern seiner Art“ bezeichnet (Immanuel Kant:<br />

Akademische Ausgabe I, 503). In Kritik der reinen<br />

Vernunft bezeichnet Kant Baumgarten als „vortrefflichen<br />

Analysten“, doch seine Ästhetik basiere auf der<br />

„verfehlten Hoffnung […], die kritische Beurteilung<br />

des Schönen unter Vernunft prinzipien zu bringen und<br />

derselben zur Wissen schaft zu erheben“. Regeln und<br />

Kriterien, die sich auf Geschmacksurteile beziehen,<br />

können nach Kant nur empirisch sein und niemals<br />

als „Gesetze a priori“ angesehen werden (Immanuel<br />

Kant: KrV A 21, B 36). „Schön ist das, was ohne Begriff<br />

allgemein gefällt“, schreibt Kant in § 9 seiner Schrift<br />

Kritik der Urteilskraft. Nach Kant lässt sich über Geschmack<br />

in Gesellschaft wohl streiten, aber nicht<br />

„disputieren“ (Kant: KU § 56). Kant un terscheidet<br />

zwischen „Gefühl“ und „Empfindung“. Ein Gefühl ist<br />

subjektiv und kann im Er kennen keinen Gegenstand<br />

ausmachen. „Empfindungen“ hingegen haben „objektive<br />

Vor stellung“, und zwar durch die Wahrnehmung<br />

über die Sinne (KU § 3). Die Farbe grün einer Wiese<br />

wäre demnach eine „Empfindung“, was daran angenehm<br />

sein kann hingegen wäre ein „Gefühl“, wobei<br />

kein Gegenstand vorgestellt wird – es ist ganz einfach<br />

„Gefühl“ (vgl. KU § 3). Kant differenziert zwei Formen<br />

der Geschmacksurteile: das „empiri sche“ und das<br />

„reine“ Geschmacksurteil. Ein Geschmacksurteil ist<br />

dann empirisch, wenn es nur auf Lustgefüh len basiert,<br />

denn dann bleibt es ausschließlich ein „Privaturteil“,<br />

kann kei nen Anspruch auf „Un parteilichkeit“ erheben<br />

und verdirbt ein „reines Geschmacksurteil“. Das empirische<br />

Ge schmacksurteil ist „barbarisch“, weil es „Reiz<br />

und Rührung <strong>zum</strong> Wohlgefallen“ braucht und diese<br />

am Ende noch als „Maßstab“ ausgibt. Ein „reines Geschmacksurteil“<br />

hat „die Zweckmäßigkeit der Form<br />

<strong>zum</strong> Bestimmungsgrunde“ und ist von Gefühlen unabhängig<br />

(KU § 9). Wie kommt ein Geschmacksurteil<br />

zustande?<br />

Philosophische Ästhetik<br />

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