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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Wesenheiten (Werte) nach Maß gabe ihrer „Werthöhe“<br />

in der Welt zu realisieren, so ist das „außerhalb seiner<br />

selbst“ seiende, sich selbst überschreitende Subjekt<br />

nach Sartre geradezu „verurteilt, frei zu sein“, weil<br />

keine „Es senz“, also auch kein Wert-Sein, kein Telos<br />

und schon gar keine metaphysi sche Bestimmung<br />

seiner „Existenz“ vorausgeht, der Mensch also in die<br />

Welt geworfen ist und deshalb für sein Handeln in<br />

radikaler Weise allein verantwortlich ist. In einem<br />

spontanen, präreflexiven Entwurf, der den je konkreten<br />

Wollens- und Handlungsakten vorausgeht, setzt<br />

sich das Subjekt als zeitli ches, auf die Zukunft ausgerichtetes<br />

autonomes und damit ethisch handelndes<br />

Ego, dessen je konkretes Handeln von der Evidenz<br />

begleitet ist, als wäre das indi viduelle Handeln exemplarisch<br />

für das Handeln der ganzen Menschheit,<br />

„als ob bei jedem Handeln die ganze Menschheit den<br />

Blick auf sein Handeln gerichtet hätte und sich nach<br />

sei nem Handeln richten würde“. Und weil der Verantwortung<br />

tragende Mensch den „Blick“ der anderen<br />

auf sich gerichtet fühlt, er also weiß, dass sein Handeln<br />

bedeutsam ist für das Wohl der gesamten Menschheit,<br />

ist sein Handeln vom Gefühl der „Angst“ begleitet<br />

– von der Angst falsch zu entscheiden (Jean-Paul<br />

Sartre: Der Existentialismus ist ein Humanismus).<br />

Dieses Verständnis der Subjektivität als Intersubjektivität<br />

rechtfertigt es, den Existenzialismus als Humanismus<br />

zu charakterisieren.<br />

Unter radikalem Humanismus versteht Erich Fromm<br />

eine „globale Philosophie, die das Eins sein der menschlichen<br />

Rasse, die Fähigkeit des Menschen, die eigenen<br />

Kräfte zu entwickeln, zur inneren Harmonie und zur<br />

Errichtung einer friedlichen Welt zu gelangen, in den<br />

Vorder grund stellt“. Diesen radikalen Humanismus<br />

versteht Fromm explizit auch als „nicht-theisti sche<br />

Mystik“ (Fromm: Ihr werdet sein wie Gott. Eine radikale<br />

Interpretation des Alten Testaments und seiner Tradition),<br />

weil der Mensch am Ende der Geschichte der<br />

Religion den im Laufe dieser Geschichte immer mehr<br />

verinnerlichten Gott als das eigene Selbst zu begreifen<br />

lernt (Fromm: Die Kunst des Liebens). Fromm deutet<br />

Geschichte als einen fort schreitenden Prozess des<br />

Auf tauchens der Freiheit des Individuums aus vorindividualisti<br />

schen Gesellschaftsformen heraus, die<br />

Sicherheit und Sinnorientierung gaben, gleichzeitig<br />

aber den Freiheitsspielraum des Indivi duums einschränkten.<br />

Der moderne Mensch hat zwar – dies<br />

ist sein Dilemma – seine individu elle Freiheit „von“<br />

religiösen, politischen, moralischen und wirtschaftlichen<br />

Autoritäten erlangt, ohne aber die in ihm liegende<br />

Möglichkeit, alles Le bendige tätig „zu“ lieben<br />

(„Biophilie“), erlernt zu haben. Vielmehr wird die<br />

mögliche Verwirkli chung des menschlichen Selbst<br />

bedroht durch die latent anwesende „Furcht vor der<br />

Freiheit“, die sich in „Fluchtmechanismen“ manifestiert:<br />

in der sadistisch-masochistischen Perversion<br />

des autoritären Charakters, in der Destruktivität<br />

und im Konformismus (Fromm: Die Furcht vor der Freiheit).<br />

Der moderne Götzendienst des Menschen ist<br />

Ausdruck seiner krankhaften Art und Weise, mit der<br />

ihn überfordernden existenziellen Ursitu ation seines<br />

Ich-Seins umzu gehen. Die Geschichte des Menschen<br />

steht – so Fromm – auf dem Spiel. Es sei zu befürchten,<br />

dass die Geschichte, die mit einem Akt des „Ungehorsams“<br />

(von Adam und Eva) be gonnen habe, mit<br />

einem dem Ungeist der „Nekrophilie“ entspringenden<br />

Akt des „Gehorsams“ en de: nämlich mit der atomaren<br />

Selbstvernichtung der menschlichen Rasse (Fromm:<br />

Der Un gehorsam als ein psychologisches und ethisches<br />

Problem).<br />

5. Fragen der aktuellen anthropologischen<br />

Diskussion<br />

Die aktuelle anthropologische Diskussion ist dadurch<br />

gekennzeichnet, dass die empirischen Wissenschaften<br />

das Bild vom Menschen nachhaltig zu bestimmen<br />

scheinen. Der Philosophie komme – so die Meinung<br />

einer Reihe von Autoren – in dem interdisziplinären<br />

Diskurs der ver schiedenen empirischen Wissenschaften<br />

nur noch die Rolle der Moderation zu. Dazu sei<br />

die Philosophie in besonderer Weise qualifiziert, da<br />

sie vor dem Hintergrund ihrer Geschichte über den<br />

Horizont der entscheidenden Metafragen und Kategorien<br />

verfüge. Ausgehend von den Er kenntnissen<br />

empirischer Wissenschaften, wie der Evolutionsbiologie<br />

und der Evolu tionspsycho logie, der Neurobiologie<br />

und der Neuropsychologie, der Entwicklungspsychologie,<br />

der Kyberne tik, den Kognitionswissenschaften,<br />

versuchen andere Autoren, eine neue philo sophische<br />

An thropologie zu begründen.<br />

Wolfgang Welsch steht stellvertretend für eine<br />

aktuelle anthropologische Reflexion, die den abendländischen<br />

Anthropozentrismus überwinden will.<br />

Welsch sieht sich in der Kontinuität zu einer Reihe<br />

42<br />

Anthropologie

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