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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Die philoso phische An thropologie stellt damit eine<br />

Antwort dar auf die biologische Anthropologie, die<br />

die Gesamtheit menschlichen Seins im Sinne der<br />

Evolutionstheorie von Charles Darwin aus schließlich<br />

evolu tionsgeschichtlich erklären will und somit die<br />

Sonderstellung des Menschen grundsätzlich in Frage<br />

stellt. In der aktuellen Diskussion wird der vor allem<br />

Plessner zu geschriebene integrative Ansatz der philosophischen<br />

Anthropologie von einzelnen Autoren<br />

gewürdigt.<br />

Was den Menschen Scheler zufolge als Menschen<br />

auszeichnet und seine „Sonderstellung“ gegenüber<br />

Pflanze und Tier begründet, ist dasjenige, was schon<br />

antikes Denken als „logos“, Scheler aber als „Geist“<br />

bezeichnet. Anders als Pflanze und Tier, die in ekstatischer<br />

Weise in der als Widerstand begegnenden „Umwelt“<br />

aufgehen, ist der „weltoffene“ und eine Welt als<br />

seine Tätigkeitssphäre sich entgegensetzende Geist<br />

im Vollzug seiner selbst bei sich selbst und außer sich,<br />

weiß sich, ohne sich aber gegenständlich werden zu<br />

können, als Träger geistiger Akte, als „Person“, ist sich<br />

behauptender, durchgehender Wille im Gegensatz <strong>zum</strong><br />

Wechselspiel des sich erlebenden Begehrens des dunklen,<br />

in der Natur waltenden „Dran ges“. An beiden<br />

Sphären aber partizipiert der Mensch. Im Gefühl der<br />

„Scham“ zeigt sich diese Polarität seiner Natur an –<br />

ein Tier schämt sich nicht –, mit der Scheler aber<br />

keinen Dualismus verbinden will. Vielmehr baut sich<br />

die Helle des Geistes auf der Vitalsphäre auf, die selbst<br />

den geistigen Akten Kraft verleiht. Die „Aktualität“<br />

von Geist ist für Scheler we sentlich ein Emanzipationsakt<br />

von den Ansprüchen, die der dunkle Drang<br />

„zu Fortpflanzung und Tod“ stellt. Somit wird dem Tier<br />

auch nicht grundsätzlich Intelligenz abgesprochen –<br />

die Intelli genz von Tieren ist beobachtbar, dient aber<br />

ausschließlich Lebenszwecken –, sondern die Fähigkeit<br />

sich zu sammeln, auf sich zu kommen, Distanz zu<br />

nehmen von der Welt gerade in „ideierenden Akten“<br />

des auf Wesens erkenntnis ausgehenden Geistes,<br />

der seine ihm ei gene Sphäre objektivieren kann in<br />

Kultur und Sprache, etwa in den (sprachlichen) Ausdrucksweisen<br />

von Ironie und Humor, in denen der<br />

Mensch, Selbstdistanz aufbauend, auf sich zurückkommt.<br />

Das polare Sein des Menschen spie gelt sich<br />

in der Polarität von Vitalwerten und geistigen Werten,<br />

die in „emotiven Akten“ unmittel bar zur Evidenz gelangen<br />

(vgl. zur Wert<strong>philosophie</strong>: Max Scheler: Der<br />

Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik).<br />

Phänomenologische Analyse und metaphysisches<br />

Denken ergän zen sich bei Scheler inso fern, weil<br />

das phänomenale Ausgerichtetsein des Menschen<br />

auf das göttliche Sein einer Metaphysik den Boden<br />

bereitet. In der Konfrontation mit dem „Nichts“<br />

(„Wa rum ist überhaupt eine Welt, warum und wieso<br />

bin ich überhaupt?“) erwachsen die geistigen Gefühle<br />

von „Liebe“ und „Demut“ als Weisen der Person, über<br />

sich hinauszugehen und sich verbunden zu fühlen<br />

mit dem „absoluten Sein“, als dessen Vollzug eine<br />

Metaphysik des Men schen den Menschen deutet<br />

(Max Scheler: Die Stellung des Menschen im Kos mos).<br />

Das Wesen des Menschen ist nach Plessner in seiner<br />

„exzentrischen Positionalität“ zu se hen. Der Mensch<br />

qua „Person“ ist nämlich ein solcher Vollzug von<br />

Reflexivität, kraft derer er einen Selbstbezug konstituiert,<br />

die die Unterscheidung von „erlebbarem Mich“<br />

– das seelische Innen leben – und reflektierendem,<br />

„reinem Ich“ erfordert. Die personale Mitte ist nach<br />

Plessner ein Stehen außerhalb seiner selbst, ein<br />

Außer-sich-Sein, das Selbstdistanz und Selbstbeherrschung<br />

erzeugt, ohne das Stehen in mir selbst aber<br />

deshalb aufzuheben, son dern dieses gerade aus der<br />

Verborgenheit des bloßen unmittelbaren Erlebens<br />

holt. Kraft des Vollzuges dieser Reflexivi tät bin ich<br />

mir selbst Körper, nämlich Objekt unter anderen<br />

Objek ten, und Leib – eine Unter scheidung, die das<br />

Tier nicht kennt. Geht das Tier im Erleben des „Hier<br />

und Jetzt“ auf, so ist der Mensch als Folge seines<br />

exzentrischen Seins heimatlos, als „reines Ich“ im<br />

„Nirgendwo“ ange siedelt, „ins Nichts gestellt“. Als<br />

heimatloses Wesen ist der Mensch dazu gezwungen,<br />

aus sich etwas zu machen, weil er nichts ist, bedürftig<br />

und – in mythischer Sprache – „nackt“. Ausgehend<br />

von dieser „Unerträglichkeit“ der exzentrischen<br />

Positionalität versteht Plessner den Menschen als<br />

kulturelles Wesen, als historisches We sen und als<br />

ein die Sinnfrage stellendes Wesen. Die Schaffung<br />

von Kul tur und Zivilisation ist als Versuch des Menschen<br />

zu verstehen, sein Urbedürfnis zu befriedigen,<br />

seine „Hälftigkeit“ und „Leere“ zu überwinden durch<br />

Dinge, die er selbst in Tätigkeit hervorzu bringen hat.<br />

Als ein Wesen, das die Überbietung, ja den ewigen<br />

Prozess sucht, ist der Mensch geschichtlich, insofern<br />

er näm lich in diesem Prozess darauf aus ist, sich sinnlich<br />

auszudrücken und zu offenbaren. In dem „Drang“<br />

nach Selbstoffenbarung und Expressivität „liegt der<br />

innere Grund für den historischen Charakter seiner<br />

40<br />

Anthropologie

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