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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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andererseits jedoch nur die Men schen gattung den<br />

Fortschritt ermögliche. Das Individuum als moralisch<br />

vernünftiges We sen mit der Fähigkeit zu handeln wird<br />

damit aus ihrer Sicht unterlaufen. Der Kontingenz in<br />

der Geschichte seien keine Grenzen gesetzt, dies zeige<br />

sich darin, dass jedes ge schichtliche Ereignis auch hätte<br />

anders kommen können. Sie geht da von aus, dass sich<br />

ein sinn voller Begriff menschlichen Handelns nur aus<br />

der Annahme ent wickeln lassen könne, dass jeder<br />

Situation mehrere Optionen inhärent seien (Arendt:<br />

Zwischen Ver gangenheit und Zukunft).<br />

Angesichts des Schreckens der Shoah wie auch in<br />

der Vernichtung von Menschen durch Atom bomben<br />

in Hiro shima und Nagasaki sieht Günther Anders<br />

(Stern) das „Ende der Geschichte“ gekommen. Das<br />

Ende sieht er vor allem darin, dass der techni sche<br />

Fortschritt für die Menschen im Kern sinnlos bleibt.<br />

Max Horkheimer zeigt in seiner Kritik der instrumentellen<br />

Vernunft auf, dass sich die technischen Mittel,<br />

die ursprüng lich dem Menschen dienen sollten, verselbststän<br />

digt haben. Max Horkheimer und Theodor<br />

W. Adorno haben in der Begründung einer „negati ven<br />

Geschichtsteleologie“ den Fort schritt aus ihrer Sicht<br />

als Verfallsprozess ent larvt. In ihrer Kri tik an Hegel<br />

werden Begriffe wie Freiheit und Gerechtigkeit im<br />

Kontext der Weltgeschichte kri tisch geprüft. Nach<br />

Horkheimer und Adorno stammen diese Begriffe<br />

in Hegels Ansatz von „den abwegigen Individuen“,<br />

„die vom Gang des großen Ganzen aus gesehen nichts<br />

be deuten“, außer dass sie „vorübergehende gesellschaftliche<br />

Zustände herbeiführen helfen, in denen besonders<br />

viel Maschinen und Chemikalien zur Stärkung<br />

der Gattung und Un terjochung der ande ren geschaffen<br />

wurden“. In Wirklichkeit laufe die gesamte Welt geschichte<br />

darauf hinaus, dass die menschliche Gattung<br />

alle anderen Gattungen in der Natur in einem in der<br />

Evolution nicht gekannten Ausmaß unterwerfe und<br />

letztlich vernich te, und alle menschlichen Bestrebungen<br />

dienten im Kern nur diesem Ziel. Die Vernunft<br />

werde <strong>zum</strong> In strument der Anpassung, und ihre „List“<br />

bestehe darin, Menschen zu „Bestien“ zu machen. Die<br />

Geschichtsphiloso phie habe die „humanen Ideen“ in<br />

die Ge schichte selbst verlegt und mit Triumph enden<br />

lassen, und sie wiederhole christliche Strukturen,<br />

indem „das Gute“, das in Wahrheit dem Leiden ausgeliefert<br />

bleibe, in eine „Kraft ver kleidet“ wird, die als<br />

„Weltgeist“ oder als „immanentes Gesetz“ vergöttert<br />

werde. Der Mensch, so Adorno und Horkheimer,<br />

verfüge jedoch über eine so große Vernich tungsfähigkeit,<br />

dass die Möglichkeit bestehe, dass er sich<br />

entweder selbst zerfleischt oder „die gesamte Fauna<br />

und Flora der Erde mit hinab reißt“ und – wenn die<br />

Erde noch jung ge nug sei – naturgeschichtlich „die<br />

ganze chose“ noch einmal anfangen könnte. Aufgabe<br />

einer „philoso phischen Kon struktion der Weltgeschichte“<br />

wäre nach Horkheimer und Adorno, „zu<br />

zeigen, wie sich trotz aller Umwege und Widerstände<br />

die konsequente Naturherrschaft immer ent schiedener<br />

durchsetzt und alles Innermenschliche integriert“<br />

(Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik<br />

der Aufklärung, Zur Kritik der Ge schichts<strong>philosophie</strong>).<br />

Alle Deutungen von Wirtschaft, Herr schaft, Gesellschaft<br />

und Kultur hätten sich auf dieses Ziel zu<br />

beziehen.<br />

Karl Löwiths Kritik an der Geschichts<strong>philosophie</strong>,<br />

dargelegt in seiner Schrift Welt geschichte und Heilsgeschehen,<br />

liegt darin, dass diese „ganz und gar abhängig<br />

von der Theologie, d. h. von der theologischen<br />

Ausdeutung der Geschichte als eines Heils geschehens“<br />

ist. Geschichte wird hierdurch <strong>zum</strong> Ort der Heilsgeschichte<br />

des absoluten Gottes, in der sich der Mensch<br />

bewähren muss: „Nach jüdischer und christlicher<br />

Ge schichtsauffassung ist die Ver gangenheit ein Versprechen<br />

der Zukunft“ (Karl Löwith: Weltgeschichte<br />

und Heilsgesche hen). Das „Schema des Geschichtsprozesses“<br />

beinhaltet nach Löwith das theologische<br />

Prinzip der Sünde, die Ver treibung aus dem Paradies<br />

und die Erlösung von Gottes Gnaden. So finden wir<br />

in ge schichtsphilosophischen Theorien den Grundzug<br />

einer Bewegung von der „Entfremdung“ hin zu<br />

einer Wiederversöhnung. Die „Zwischenzeit“, theologisch<br />

eine Zeit der Bewährung, wird von Löwith<br />

geschichts philosophisch als Leben in „Spannung<br />

zwischen zwei sich widerstreitenden Willen“ ge deutet.<br />

Auch das moderne Geschichtsbewusstsein hält am<br />

Prinzip einer Ver gangenheit als Vorbereitung auf eine<br />

erfüllende Zukunft fest. Die biblische und nachchristliche<br />

Geschichts betrachtung habe die griechische<br />

Be deutung von „historein“, die sich lediglich auf gegenwärtiges<br />

und vergangenes Geschehen bezieht,<br />

verkehrt, ja verfälscht. Mit Blick auf die Tatsache, dass<br />

Deuterojesaja und Herodot Zeitgenossen waren, sei<br />

eine Kluft zwi schen griechischer und jüdischer Weisheit<br />

ent standen. Löwith kommt <strong>zum</strong> dem Schluss:<br />

Geschichts<strong>philosophie</strong> 33

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