handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie
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einen Vertrag miteinander, der eine übergeordnete<br />
Institution kon stituiert und alle Beteiligten in gleicher<br />
Weise verpflichtet, sich dieser Institution zu unterwerfen.<br />
Thomas Hobbes begründet den Vertragsschluss mit<br />
seiner anthropologischen Grund annahme, dass jeder<br />
Mensch zunächst bestrebt sei, Schaden von sich<br />
selbst abzuwenden und seinen eigenen persönlichen<br />
Nutzen zu maximieren. Der Mensch im Sinne von<br />
Hobbes ist angetrieben durch drei Hauptbestrebungen:<br />
den Willen nach Selbsterhaltung, das Stre ben<br />
nach fortschreitender Glücksmaximierung und den<br />
Willen zur stetigen Steigerung seiner Macht. In diesem<br />
Sinne bildet das Machtstreben den Kern der menschlichen<br />
Antriebe, da Machtbesitz die Voraussetzung<br />
für die Durchsetzung der eigenen Interessen darstellt.<br />
Dies führt in Hobbes’ Gedankenexperiment eines<br />
Naturzustands, in dem noch kein Staat existiert, zu<br />
einem „Krieg aller gegen alle“ („bellum omnium contra<br />
omnes“). Dieser ist gekennzeichnet durch Konkurrenz,<br />
Misstrauen und Streben nach Anerkennung; das Streben<br />
aller nach nur begrenzt verfügbaren, knappen<br />
Gütern setzt eine Dynamik in Gang, die für alle zu<br />
einer „be ständigen Furcht und Gefahr eines gewaltsamen<br />
Todes“ führt: „Das menschliche Leben ist armselig,<br />
ekelhaft und kurz“ (Thomas Hobbes: Leviathan<br />
Kap. 13). Wie kommt nun der Mensch aus diesem<br />
unseligen Naturzustand heraus? Nach Hobbes ist der<br />
Mensch aufgrund des Naturrechts darauf angelegt,<br />
alles zu tun, um dem Streben nach Selbsterhaltung<br />
nach zukommen – erforderlichenfalls bis <strong>zum</strong> Töten,<br />
während das Gesetz der Natur Frieden for dert:<br />
„Suche Frieden, wenn du kannst, findest du ihn nicht,<br />
führe Krieg“ (Hobbes: Leviathan, Kap. 14, vgl. dazu<br />
unten die Ausführungen zur Rechts<strong>philosophie</strong>). Im<br />
Naturzustand angelegt ist somit bereits das Bedürfnis<br />
der Menschen nach Frieden. Um sich vor der stetigen<br />
Be drohung durch die anderen zu schützen, schließen<br />
die Menschen dieser Staatstheorie zufolge einen Vertrag,<br />
in dem jeder von ihnen auf sein individuelles<br />
Recht auf alles verzichtet und sie sich alle gemeinsam<br />
einem Souverän unterwerfen, dem sie fortan alle<br />
Rechte uneingeschränkt über tragen. Dieser Vertrag<br />
wird nicht zwischen „Volk“ und „Souverän“, sondern<br />
nur innerhalb des „Volks“ geschlossen. Dies beendet<br />
den Krieg aller gegen alle, da nun der Souverän als<br />
höchste Instanz die Aufgabe erfüllt, durch Erlassen<br />
von Gesetzen und Bestrafung bei Nichtbefolgung den<br />
Schutz des Einzelnen in der Gemeinschaft sicherzustellen.<br />
Der Souverän ist fortan ein absoluter Herrscher;<br />
dies steht aber nach Hobbes nicht im Widerspruch<br />
<strong>zum</strong> Willen des Einzelnen, da Hobbes davon<br />
ausgeht, dass der Wille dieses Souveräns mit dem<br />
Gemeinwillen identisch ist; daher sind eine Abwahl<br />
des Souveräns durch das Volk und Neuwahlen nicht<br />
vorgesehen. Da die Hauptaufgabe des Souveräns in<br />
der Herstellung der Sicherheit nach innen und nach<br />
außen besteht, verliert er seine Macht, sobald er<br />
diese nicht mehr gewährleisten kann; ins besondere<br />
wenn der Staat durch eine äußere Staatsmacht in<br />
einem Krieg unterworfen wird, sind die Untertanen<br />
nicht mehr ihm gegenüber, sondern gegenüber dem<br />
neuen Herrscher <strong>zum</strong> Gehorsam verpflichtet. Somit<br />
kann ein Staatsgebilde also nicht nur aufgrund eines<br />
Ver trags („commonwealth by institution“), sondern<br />
auch durch Unterwerfung („commonwealth by<br />
acquisition“) zu Stande kommen.<br />
Nach Jean-Jacques Rousseau lässt sich Herrschaft<br />
nicht auf natürliche Gegebenheiten, sondern nur<br />
auf einen in Freiheit von den beteiligten Individuen<br />
geschlossenen Vertrag be gründen, da Freiheit zur<br />
Natur des Menschen gehört. Nach Rousseau ist es<br />
einem Volk nicht möglich, seine Freiheit an einen<br />
Monarchen abzutreten; dies stünde im Widerspruch<br />
<strong>zum</strong> menschlichen Freiheitsverständnis. Einerseits<br />
würde hierzu der freie Wille voraus gesetzt, andererseits<br />
gerade dieser aber wieder außer Kraft gesetzt.<br />
Vielmehr ist bei Rousseau das Volk selbst der Souverän:<br />
Es hat mit sich selbst den Gesellschaftsvertrag<br />
geschlossen, und auch alle Gesetzgebung geht<br />
vom Volk aus. Im Idealfall werden die Gesetze einstimmig<br />
beschlossen; da dies in der Realität aber in<br />
den seltensten Fällen vorkommt, gilt die Regel, dass<br />
die Mehrheit entscheidet („volonté générale“ – der<br />
Gemeinwille). Die Mehr heits entscheidung bedeutet<br />
im Sinne von Rousseau jedoch nicht nur, dass die<br />
von der Mehrheit beschlossenen Gesetze auch von<br />
der Minderheit zu befolgen sind, sondern dass die<br />
Minderheit gezwungen werden soll, ihr Votum als<br />
„Irrtum“ zu verwerfen. Mit der Mehrheitsentscheidung<br />
ist jeder Disput beendet, die Minderheit hat<br />
nach Rousseau nicht das Recht, ihre Ansichten<br />
weiter zu vertreten und um neue Mehrheiten zu<br />
werben mit dem Ziel, einmal beschlossene Gesetze<br />
zu einem späteren Zeitpunkt zu ändern. Der Ge-<br />
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Politische Philosophie – Rechts<strong>philosophie</strong>