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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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pathie/Antipathie motiviert sind. Entscheidungen<br />

können aus Gnade gefällt werden, es können einzelne<br />

Günstlinge ohne Begründung gegenüber der Gemeinschaft<br />

bevorzugt werden. Die „charismatische“ Herrschaft<br />

ist die am stärksten subjektiv mo tivierte Herrschaftsform:<br />

Sie basiert auf emotionaler Hingabe der<br />

Anhänger an ihren (An-)Führer, der diese durch seine<br />

besondere Erscheinung in seinen Bann zieht. Dies kann<br />

auf eine besondere Redegabe zurückzuführen sein,<br />

auf besonderes Heldentum in Krisen situationen<br />

(z. B. Kriegshelden) oder auch auf religiös begründetes<br />

Charisma. Das Charisma des Anführers muss<br />

sich durch Erweise bewährt haben; sobald sich dieses<br />

nicht mehr be währt (wenn z. B. ein religiöser Führer<br />

scheinbar von Gott verlassen wird), verliert der Anfüh<br />

rer seine Macht.<br />

In seinem 1945 erschienenen Hauptwerk Die offene<br />

Gesellschaft und ihre Feinde lehnt Karl Popper, basierend<br />

auf seiner Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie,<br />

alle Auffassungen ab, die von einem vorbestimmten<br />

geschichtlichen Ablauf ausgehen: Geschichte und<br />

damit die Bildung, Entwicklung und Veränderung<br />

gesellschaftlicher und politischer Strukturen läuft<br />

nicht nach einem festen, vorgegebenen Plan ab, sondern<br />

ist das Ergebnis des Handelns von Individuen, die<br />

sich in wechselnden Mehrheiten zusammenfinden und<br />

Staat und Ge sellschaft gestalten. Dieser Prozess muss<br />

jederzeit kritik- und veränderungsoffen sein, um Totalitarismus<br />

und Gewalt zu verhindern. Von dieser anthropologischen<br />

Grundannahme ausgehend wird die<br />

Demokratie als geeignete Regierungsform angesehen:<br />

Die Regierung wird vom Volk gewählt und muss auch<br />

jederzeit abwählbar sein, sobald sie in ihrem Handeln<br />

nicht mehr dem Willen des Volkes entspricht. Popper<br />

legt großen Wert auf die Mitwirkungs- und Gestaltungsfähigkeit<br />

des einzelnen Individuums: Jeder Einzelne<br />

ist quasi ethisch ver pflichtet, an der Gestaltung<br />

gesellschaftlicher Prozesse aktiv mitzuwirken – eine<br />

geringe Wahlbeteiligung beispielsweise ist der Feind<br />

einer offenen Gesellschaft, da hier Individuen ihre<br />

Gestaltungsmöglichkeiten leichtfertig aus der Hand<br />

geben und eine Regierung an die Macht gelangt, die<br />

nur auf den Willen einer Minderheit gestützt ist. Wie<br />

seine Wissen schaftstheorie, wo Popper das „Falsifikationsprinzip“<br />

vertritt (wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

sind immer vorläufig und so lange gültig, bis sie durch<br />

neue Erkenntnisse falsifiziert werden), ist auch seine<br />

politische Theorie von diesem Prinzip geprägt: Nach<br />

Popper können wir nie mals sicheres, endgültiges<br />

Wissen erlangen, sondern sind auf fortschreitende<br />

Korrektur an gewiesen; dies gilt auch für gesellschaftliche<br />

und politische Vorstellungen – es ist vernünftiger,<br />

Theorien durch neue zu ersetzen als (Bürger-)<br />

Kriege um die vermeintlich bessere „Heilslehre“ zu<br />

führen.<br />

Ernst Tugendhat plädiert in den 80er Jahren des 20.<br />

Jahrhunderts angesichts der zuneh menden atomaren<br />

Bedrohung und militärischen Krisen für die Gründung<br />

eines Weltstaats. Dies ist aus seiner Sicht der einzige<br />

Ausweg aus dem drohenden Weltuntergang: Tugendhat<br />

sieht eine enge Korrelation „zwischen Ungerechtigkeit<br />

und ökologischer Knapp heit“, und je stärker die<br />

weltweite Verteilungsungerechtigkeit wächst, umso<br />

größer wird aus seiner Sicht die Gefahr, dass es zu<br />

einem Dritten Weltkrieg mit dem Auslöschen allen<br />

Lebens auf der Erde kommt. In einem Weltstaat werde<br />

die ökonomische Knappheit insgesamt geringer sein<br />

als ohne ihn, und somit nehme auch das Potenzial an<br />

Ungerechtigkeit im Verhältnis <strong>zum</strong> gegenwärtigen<br />

System ab. Der Weg dahin kann nach Tugendhat nur<br />

über internatio nale Entspannung führen, d. h. über<br />

die friedliche Lösung internationaler Konflikte. Dabei<br />

ist all denjenigen Tendenzen entgegenzuwirken, die<br />

einer Entspannung entgegenstehen, wie z. B. Feindbildpropaganda.<br />

Die Schaffung eines Weltstaats<br />

würde langfristig den Interessen aller dienen.<br />

II. Rechts<strong>philosophie</strong><br />

1. Grundfragen der Rechts<strong>philosophie</strong><br />

Der enge Zusammenhang zwischen Rechts<strong>philosophie</strong><br />

und Staats<strong>philosophie</strong> bzw. Politischer Philosophie<br />

wird schon im Hinblick auf die Tatsache ersichtlich,<br />

dass der moderne, demokratische Staat ohne<br />

ein funktionierendes Rechtssystem nicht auskommen<br />

kann. Das Rechtssystem eines demokratischen<br />

Rechtsstaates verlangt die rechtliche Legitimation<br />

politischer Macht, definiert deren Ausgestaltung<br />

und schreibt die Übereinstimmung des politischen<br />

106<br />

Politische Philosophie – Rechts<strong>philosophie</strong>

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