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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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von Denkern der Moderne, deren Fragen er <strong>zum</strong><br />

Teil synoptisch zusammen stellt (Theodor W. Adorno:<br />

Wozu noch Philosophie?; Günther Anders: Die Antiquiertheit<br />

des Men schen; Michel Foucault: Die<br />

Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften;<br />

Alan M. Turing: Computing Machinery<br />

and Intelligence; Hans Moravec: Geist ohne<br />

Körper – Visionen von der reinen Intelligenz u. a.). Die<br />

Annahme des Dualismus von „animalischer Natur“<br />

und „supranaturaler Vernunft“ sei nicht aufrecht zu<br />

erhalten, da ein solcher Dualismus mit den Ergebnissen<br />

der evolutionären Anthropologie nicht vereinbar<br />

sei. Welsch vertritt keinen „natura listischen Reduktionismus“,<br />

sondern sieht im „Paradigma der Emergenz“<br />

eine Möglichkeit der Erklärung, wie höhere Entitäten<br />

auf niederen aufbauen, ohne dass die komplexere<br />

höhere Entität auf die sie fundierende reduziert<br />

werden kann (Wolfgang Welsch: Anthropologie im<br />

Umbruch – Das Paradigma der Emergenz). Relevant<br />

sei dieses Paradigma vor allem im Kontext der Diskussion<br />

um das in der „Philosophy of Mind“ umstrittene<br />

Personalitätsprinzip, weil unter Heranziehung dieses<br />

Paradigmas gegen den „Epiphänomenalismus“ argumentiert<br />

werden könne. Nach Welsch ist es aber<br />

nicht aufrecht zu erhalten, dass Vernunft ein Privileg<br />

des Men schen sei, da diese gleichsam aus der Natur<br />

hervorgehe. Deshalb sei der seit der Antike vertre tene<br />

„Anthropozentrismus“ nicht haltbar. Änderungen im<br />

humanen Selbstverständnis seien des halb an<strong>zum</strong>ahnen:<br />

(1) Der Mensch ist biologisch „kein Sonderwesen“.<br />

Tiere sind grundsätzlich von der Vernunft nicht ausgeschlos<br />

sen; der Unterschied zwischen Tier und<br />

Mensch ist nur gra dueller Natur. (2) Der Mensch ist<br />

nicht das Ende der biologischen Evolution. Vor allem<br />

aber ist die biologische Natur des Men schen „in<br />

einem zuvor nicht für möglich gehaltenen Ausmaß<br />

ver änderbar“. Eine Wesens bestimmung des Menschen<br />

ist deshalb nicht möglich, die „vermeintli chen Konstanten<br />

menschlicher Natur sind keine“. (3) Mentale<br />

Zustände, Intelligenz, Selbst bewusstsein, Kreati vität<br />

sind überhaupt nicht exklusives Privileg tierischer<br />

oder gar menschlicher Natur, sondern können prinzipiell<br />

auch Attribute künstlicher Intelligenz sein<br />

(Welsch: Wandlun gen im huma nen Selbstverständnis).<br />

In der tierethischen Diskussion vertritt Peter Singer<br />

einen Präfe renzutilitarismus, der den menschlichen<br />

„Speziesismus“ zurückweisen will und somit auch den<br />

Tieren Rechte zuspricht. Zwei Kriterien werden dabei<br />

im Kontext tierethischer Argumen ta tion von Singer<br />

in Anspruch genommen: Empfindungsfähigkeit und<br />

Selbstbewusstsein. Aus der Empfindungsfähigkeit<br />

von Lebewesen resultiert das Recht von Lebewesen,<br />

dass ihre Interessen zu berücksichtigen sind; aus<br />

dem Selbstbewusstsein folgt ein Recht auf Leben,<br />

das Menschen, die nicht über Selbstbewusstsein und<br />

somit Personalität verfügen, nicht be sitzen, während<br />

eini gen Menschenaffen ein solches Recht zukommt<br />

(Peter Singer: Prakti sche Ethik). Robert Spaemann<br />

sieht in tierischem Verhalten „Vorformen menschlicher<br />

Sub jektivität“, was bedeuten soll, dass – ungeachtet<br />

der Sonderstellung des Menschen, an der<br />

Spaemann festhält – eine Grenzziehung zwischen<br />

Tierheit und Menschheit Schwierigkeiten bereitet<br />

(Robert Spaemann: Funkkolleg praktische Philosophie/<br />

Ethik. Studienbegleitbrief 6).<br />

In der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der<br />

Neuro- und Kognitionswissenschaften wen det sich<br />

die moderne Philosophie des Geistes dem bereits<br />

in der philosophischen Tradi tion dis kutierten Leib-<br />

Seele-Problem und den sich daraus ergebenden<br />

Erkenntnisproble men, ethi schen Fragestellungen<br />

und anthropologischen Konsequenzen zu. Das Leib-<br />

Seele-Problem wird in der Philosophie des Geistes als<br />

eine Frage nach dem Zusammenhang von neuronalen<br />

Prozes sen und „mentalen Eigenschaften“ (bzw. „mentalen<br />

Substanzen“) disku tiert. Nach Thomas Nagel<br />

sind im Wesentlichen drei Antwortversuche <strong>zum</strong><br />

Leib-Seele-Pro blem zu unterscheiden: „Physikalismus“<br />

(„Materialismus“), „Dualismus“ und „Identitätstheorie“.<br />

Für den Physikalismus sind alle psychischen<br />

Phänomene kausal unwirksame Epiphänomene<br />

physikalischer Prozesse des Gehirns, somit letztlich<br />

„Zustände des Gehirns“. Der Dualismus begreift das<br />

Verhältnis von Gehirn und Seele als Wechselwirkung<br />

selbst ständiger Entitäten, deshalb kann er davon<br />

aus gehen, dass die „psychischen Vorgänge“ kau sal<br />

wirksam sind, und damit die Wil lensfreiheit voraussetzen.<br />

Die Identitäts theorie schließlich geht davon<br />

aus, dass psychische Vorgänge und physikalische<br />

Prozesse des Gehirns identisch sind, verschiedene<br />

Aspekte der selben Sache, einer nur erlebbaren subjektiven<br />

„Innenperspektive“ und einer auch von außen<br />

erfassbaren, objektiven Seite, weshalb Nagel diese<br />

Theorie auch als „Doppelaspekttheorie“ be zeichnet.<br />

Nagel, der sich selbst als Physikalist begreift, spielt<br />

mit einem interessanten Gedan kenexperiment auf<br />

Anthropologie 43

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