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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Nach Aristoteles liegt die Besonderheit künstlerischen<br />

Schaffens in der „poiesis“, d. h. dass aus etwas (Materie<br />

– hyle) durch etwas (Form – morphe) etwas Neues,<br />

ein Seiendes als eine neue Einheit von Form und Materie<br />

entsteht. Aristoteles grenzt Kunst von anderen<br />

Tätigkeiten ab, wie z. B. den Wissenschaften oder dem<br />

Handel. In seiner Schrift Nikomachi sche Ethik zitiert<br />

er Agathon mit den Worten: „Kunst liebt den Zufall,<br />

und der Zufall liebt die Kunst“ (Aristoteles: Nikomachische<br />

Ethik 1140a).<br />

Plotin, der maßgeblich die mittelalterliche Ästhetik<br />

geprägt hat, sieht die Quelle des „Schö nen“ im Göttlichen,<br />

im Immateriellen, in der reinen Vernunft, dem<br />

absolut Guten. Danach sehnt sich die erkennende<br />

Seele, und sie strebt danach. Das „Gut- und Schönwerden“<br />

der Seele ist somit für Plotin „ein Ähnlichwerden<br />

mit Gott“. Die Seele, die sich ausschließlich<br />

an Körperliches haf tet, Böses annimmt, zielt auf das<br />

Hässliche ab und wird, so Plotin, ihr Dasein nach dem<br />

Tode wegen ihrer Bosheit und Hässlichkeit, gleich<br />

einem Schwein, im Schlamme des Hades verbringen<br />

(Plotin: Enneaden 7,6). Die Schönheit im Diesseits<br />

wird ganz im platoni schen Sinne als Abbild des „Urschönen“<br />

verstanden: „Denn wenn man die leibliche<br />

Schön heit erblickt, muss man nicht in ihr aufgehen<br />

wollen, sondern im Bewusstsein, dass sie nur Schemen<br />

und Schattenbilder zeigt, zu dem flüchten, dessen<br />

Abbild sie ist“ (ebd. 7,8). Das „innere Auge“ soll die<br />

Seele auf die „schöne Lebensweise“ richten, nicht<br />

auf die Werke der Künstler, sondern auf gute und<br />

tugendhafte Werke der Menschen. Doch auch die<br />

künstlerischen Werke, wie etwa die Musik, in der sich<br />

in den Tönen das Rhythmische, das Harmonische und<br />

Schöne empfinden lässt, er innern unsere Seelen an<br />

das „Urschöne“ und erfreuen diese (ebd. 3,1).<br />

3. Aspekte der Ästhetik im Mittelalter<br />

Aurelius Augustinus hat, wie er in seinen Confessiones<br />

darlegt, die Platoniker gelesen und stellt wie diese<br />

die Frage nach dem Schönen (Aurelius Augustinus:<br />

Confessiones VII, 9; VIII, 2). Die antike kosmische<br />

Harmonie spielt im Hinblick auf das Schöne eine<br />

ent scheidende Rolle. Gleichheit, Einheit, Harmonie<br />

und Ähnlichkeit sind die Maßstäbe alles Schö nen<br />

und Vollkommenen (ebd. XXX, 56). Das menschliche<br />

Urteilsvermö gen orientiert sich an den göttlichen<br />

Maßstäben, auch wenn der Mensch im Diesseits die<br />

Voll kommenheit nicht zu schauen vermag, so vermag<br />

er doch seine Seele da nach auszurichten (ebd. 58). So<br />

wird die Gestalt des Schönen als Wirkung der Zahl in<br />

Raum und Zeit gedeutet, die die Harmonie und Symmetrie<br />

hervor bringt, obwohl Raum und Zeit selbst<br />

nicht wahrgenommen werden können: „Betrachte<br />

die Schönheit eines gestalteten Körpers: Zahlen sind<br />

im Raum eingefangen. Betrachte die Schönheit einer<br />

Bewegung im Kör per: Zahlen wirken in der Zeit. Nun<br />

betrete die Kunst als Disziplin, die sie hervorbringt;<br />

suche Zeit und Raum in ihr: Niemals und nirgends wirst<br />

du sie finden, und dennoch lebt in ihr die in einem<br />

unausgedehnten Reich und in einem zeitlosen Alter<br />

wesende Zahl“ (Augustinus: De li bero arbitrio, 2,42).<br />

Im 10. Buch der Confessiones beschreibt Augustinus<br />

die große „Schatzkammer“ des Gedächtnisses, in dem<br />

alles in Bildern aufgehoben ist, was durch die Sinne<br />

ging. Er vergleicht sein Gedächtnis mit großen „Palästen“,<br />

in denen sich die unzähli gen Bilder befinden,<br />

die er selbst in der dunklen Nacht in all ihrer Farbenpracht<br />

und ihren Tönen vor sein inneres Auge treten<br />

lassen kann. Auch Zahl und Maß sind im Gedächtnis,<br />

obwohl sie nicht durch die Sinne aufgenommen<br />

werden, da sie nichts Sinnliches sind, sondern Anteil<br />

am Göttlichen haben. „So sah ich auch die Linien der<br />

Künstler, oft zart, wie Spinngewebe hin gezeichnet. Aber<br />

jene Linien der Ma thematiker sind in meinem Gedächtnis<br />

nicht nur Bilder sinn lich wahrnehmbarer Linien,<br />

wie diese, die man auch ohne Nachdenken in sich aufnimmt“<br />

(Augustinus: Confessiones X, 12). Aus diesem<br />

unendlichen Schatz des Gedächtnisses schöpft der<br />

Mensch seine Lebenskraft, doch Gott kann er darin<br />

nicht finden. Auch wenn der Mensch darin nach Gott<br />

sucht und die „Schätze“ in ihm befragt, so werden sie<br />

ihm alle antworten: „… wir sind nicht dein Gott, such‘<br />

ihn über uns“ (ebd. XX, 6). Doch die Sinneslust macht<br />

uns neugierig, sie will sich den Freuden hingeben<br />

wie etwa der Kunst der Schauspieler oder erliegt aus<br />

Neugierde und auch Wissbegierde dem Anblick des<br />

Schrecklichen, Hässlichen, was man daran erkennen<br />

kann, dass alle bei einem „zerfleischten Leichnam“<br />

zusammenlaufen, um ihn zu sehen (ebd. X, 15).<br />

Der Bilderstreit im Mittelalter, der sich über Jahrhunderte<br />

hinzog, mündete nach zähen Wi drig keiten doch<br />

in einer gewissen Idolatrie, die auch auf den antiken<br />

Philosophische Ästhetik<br />

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