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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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schaft / Des Menschen allerhöchste Kraft“), vor<br />

allem aber Vers 2048-2050. Die Aussage Mephistos<br />

„Dir wird gewiss einmal bei deiner Gott -<br />

ähnlichkeit bange“ kann mit Fromms Gedanken<br />

der Furcht vor der Freiheit in Bezug gesetzt<br />

werden.<br />

< Georg Büchners Woyzeck kann philosophisch<br />

als Dokument des Zusammenbruchs des idealistischen<br />

Menschenbildes gelesen werden. Die<br />

Figur Woyzeck ist von Büch ner nicht mehr als<br />

autonomes Subjekt konzipiert. Lohnenswert<br />

wäre auch eine Analyse der Sprache der Hauptfigur<br />

(Woyzeck artikuliert sich häufig bildhaft,<br />

gefühlsexpressiv, eine Verbindung zu Herders<br />

Sprachtheorie bietet sich an).<br />

< Franz Kafkas Parabeln (z. B. Der Kübelreiter;<br />

Vor dem Gesetz) sind Dokumente menschli cher<br />

Sinn suche. Die Parabel Auf der Galerie artikuliert<br />

das Ausgeliefertsein des Men schen.<br />

< Friedrich Dürrenmatt gestaltet in Der Richter<br />

und sein Henker in der Figur des Ver brechers<br />

Gastmann einen Menschen, der jenseits aller<br />

Moral sich als absolute Freiheit setzt, „das Gute<br />

ebenso aus einer Laune, aus einem Einfall“ zu<br />

tun „wie das Schlechte“. Sich selbst <strong>zum</strong> Herrn<br />

über Leben und Tod zu machen, charakterisiert<br />

Gastmann in Bezug auf die jugendliche Wette<br />

mit Bär lach rück blickend als „teuflische Versuchung<br />

des Geistes durch den Geist“ (Alternative<br />

dazu: der Reflexionsmonolog Franz von<br />

Moors in Schillers Drama Die Räuber, 1. Akt,<br />

1. Szene). Evtl. kon trastierende Be züge zu<br />

philosophischen Freiheitstheorien könnten<br />

hergestellt werden (z.B. Kant, Schelling,<br />

Nietzsche, Sartre).<br />

< Gottfried Benns Geistverständnis in dem<br />

Gedicht Einsamer nie („Dienst du dem Gegen -<br />

glück, dem Geist“) erinnert an den Geistbegriff<br />

in der Anthropologie Schelers.<br />

< Bertolt Brechts Hauspostille enthält einige<br />

bemerkenswerte Gedichte, die anthro pologisch<br />

interessant sind, vor allem: Von der Kindesmörderin<br />

Marie Farrar (die lei dende Kindesmörderin<br />

will der Menschheit die „Gebrechen<br />

aller Kreatur erweisen“); Von der Freundlich keit<br />

der Welt (zeichnet in wenigen archaischen<br />

Bildern die conditio humana in einer „Erde<br />

voller kaltem Wind“); Vom armen B. B. (stellt<br />

den Kulturoptimis mus radikal in Frage: „Von<br />

diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging,<br />

der Wind“). Als Fundgrube kleiner,<br />

das Denken anstoßender Texte könnten Brechts<br />

Ge schichten vom Herrn Keuner Eingang in den<br />

Philosophieunterricht nehmen.<br />

< Da in Friedrich Hölderlins Gedicht Hälfte des<br />

Lebens Liebe zentrales Thema ist, könnte das<br />

Gedicht mit Hegels dialektischer Deutung der<br />

liebe in Bezug gesetzt wer den (vgl. dazu die Ausführungen<br />

von Wilhelm Weischedel: Die philosophische<br />

Hinter treppe, Hegel oder der Weltgeist<br />

in Person). Der Vers „Taucht ihr das Haupt ins<br />

heilig nüchterne Wasser“ legt außerdem eine<br />

auseinandersetzung mit dem Geistbegriff nahe.<br />

ausgehend von dieser Deutung erscheint es<br />

reizvoll, das Gedicht in Bezug zu setzen zu<br />

dem Entwurf Das älteste Systemprogramm<br />

des deutschen Idealismus, der entweder von<br />

Hegel oder Hölderlin verfasst wurde. In dem<br />

entwurf kommt der Poe sie die Rolle zu, wieder<br />

„Lehrerin der Menschheit“ zu werden. Der „höchste<br />

Akt der Vernunft“ sei ein „ästhetischer Akt“;<br />

Geist und Sinnlichkeit sollen in der Idee der<br />

Schönheit (wie bei Schiller) versöhnt werden.<br />

auch Sprachreflexionen könnten ihren Ausgang<br />

von dem Gedicht nehmen („Die Mauern<br />

stehen sprachlos und kalt“).<br />

< Ist der Mensch ein sich sehnendes Wesen, weil<br />

er heimatlos ist? Sein Sehnen scheint keine<br />

erfüllung, keine Grenzen zu kennen: So deuten<br />

Gedichte, die sich dieser Grund befindlichkeit<br />

widmen, die Sehnsucht des Menschen, z. B.<br />

Friedrich Schiller: Sehnsucht („Hätt ich Schwingen,<br />

hätt ich Flügel / Nach den Hügeln zög ich<br />

hin“); Eduard Mörike Im Frühling („Ich sehne<br />

mich, und weiß nicht recht, nach was“); im Vergleich<br />

dazu etwa Goethes Werther, Brief vom<br />

21. Juni 1771 („… und wir sehnen uns, ach! unser<br />

ganzes Wesen hinzugeben, uns mit aller Wonne<br />

eines einzi gen, großen, herrlichen Gefühls ausfüllen<br />

zu lassen. – Und ach! wenn wir hinzueilen,<br />

wenn das Dort nun Hier wird, ist alles vor wie<br />

nach, und wir stehen in unserer Armut, in unserer<br />

Eingeschränktheit und unsere Seele lechzt nach<br />

entschlüpftem Labsale“).<br />

Anthropologie 47

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