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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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omantik ist Ausdruck dieser Naturvorstellung,<br />

die in Verbin dung ge bracht werden kann mit<br />

dem Postulat des ethischen Holismus, der<br />

Mensch solle der Na tur mit Respekt begegnen.<br />

(2) Eng mit dem Naturbegriff verknüpft ist das<br />

Kunstverständnis der Romantik. Es ist der<br />

Künstler, der einen besonderen Bezug zur<br />

natur hat und diese erlöst. Der Künstler erahnt<br />

die Identität von Natur und Geist und<br />

erkennt in der redenden Natur das Andere des<br />

Geistes, seine komplementäre Hälfte. In der<br />

frühromantischen Ant wort auf Goethes Bil -<br />

dungsroman, dem Heinrich von Ofterdingen<br />

von Novalis, er scheint Heinrich zu Beginn der<br />

romanhandlung bewegt von den Worten des<br />

Frem den und erahnt, noch vor dem Traumerlebnis,<br />

die Berufung zur poetischen Existenz:<br />

„Ich hörte einst von alten Zeiten re den; wie da<br />

die Tiere und Bäume und Felsen mit den Menschen<br />

gesprochen hätten. Mir ist grade so, als<br />

wollten sie allaugenblicklich anfangen, und<br />

als könnte ich es ihnen an sehen, was sie mir<br />

sagen wollten. Es muss noch viel Worte geben,<br />

die ich nicht weiß: wüsste ich mehr, so könnte<br />

ich viel besser alles begreifen.“ Im Symbol der<br />

„blauen Blume“ denkt Novalis die magische,<br />

liebende Vereinigung des Dichters mit der<br />

natur; die Sehn sucht nach der blauen Blume<br />

löst den Prozess seines heiligen Wahnsinns<br />

aus, der in der Fortsetzung des Fragment gebliebenen<br />

Romans Heinrich den Sinn der Welt<br />

verstehen lassen sollte. „Wir su chen überall<br />

das Unbedingte und finden immer nur Dinge“,<br />

erkennt Novalis mit Blick auf die verendlichende<br />

Kraft der Reflexion in den Blütenstaub-Fragmenten.<br />

Das Verstehen der Natur löst somit<br />

die Fesseln, mit denen der Geist die Natur verdinglicht.<br />

Das Un bedingte sieht Novalis wie<br />

Schelling in einer prädisjunktiven Identität,<br />

der er in den Fragmenten den Namen des Seins<br />

gibt; dieses erschließe sich dem Menschen im<br />

Gefühl. Das programmatische Gedicht „Wenn<br />

nicht mehr Zahlen und Figuren“ ver sucht diese<br />

philosophische Erkenntnis literarisch festzuhalten.<br />

(3) Das Geschichtsverständnis der Romantik<br />

erinnert an Hegels dialektische Auf fassung der<br />

Geschichtlichkeit von Wahrheit. Eine Theorie<br />

der Dialektik entwickelt allerdings Schelling<br />

schon vor Hegel; dialektisches Denken gehört<br />

somit zu den Kulturtechniken der romantischen<br />

Epoche. Besonders interessant könnte<br />

bei der Be sprechung romanti scher Geschichtsauffassung<br />

die Behandlung des Motivs der<br />

an tike sein, evtl. im Ver gleich zur Klassik<br />

(z. B: Friedrich Schiller: Die Götter Grie chenlands).<br />

Für das romanti sche Denken besteht<br />

der Geist der Antike darin, das Un endliche in<br />

der Natur zu suchen, das Unendliche im Endlichen<br />

zu finden – so in Schellings Vorlesungen<br />

zur Philosophie der Mythologie. In den Hymnen<br />

an die Nacht zeichnet die fünfte Hymne ein<br />

Bild der An tike, das durch die Anwesenheit der<br />

Götter gekennzeichnet ist. Bedroht wird diese<br />

antike Heiterkeit durch den Tod, der nicht<br />

in das Weltbild der Antike integriert ist. Die<br />

Über windung des Todes gelingt durch Jesus,<br />

der von dem „Sänger“ aus Hellas mit der anti -<br />

ken, jünglingshaften Dar stellung des Todes<br />

identifiziert wird. Eine Romantisierung des<br />

todes, der den Men schen „gesund“ mache,<br />

erfolgt in den Hymnen an die Nacht, die somit<br />

Ausdruck ro mantischer Todessehnsucht<br />

sind. Die fünfte Hymne bietet darüber hinaus<br />

einen Schlüssel <strong>zum</strong> Verständnis von Eichendorffs<br />

Novelle Das Marmorbild, in der die<br />

Welt der Antike in der Subjektivität der Hauptfigur<br />

wiederaufersteht, obwohl die Zeit der<br />

antike vorbei ist, unwiederbringlich überwunden<br />

durch die christliche Heils botschaft.<br />

Beide Welten stehen aber nicht unvermittelt<br />

gegenüber, sondern die antike Welt ist auf -<br />

gehoben in der christlichen, wie das Lied<br />

Fortunatos („Was klingt mir so heiter“) zu<br />

Beginn der Novelle zeigt; das Jesusbild im<br />

zweiten Teil des Liedes zeigt deutlich Züge<br />

von Dio nysos und Thanatos. Weiterhin könnte<br />

die Bearbeitung der No velle Anlass geben,<br />

das Böse im Sinne der Freiheitsschrift Schellings<br />

in Bezug zu setzen mit dem Motiv des<br />

Bö sen in der Novelle, das die Novelle darin<br />

sieht, sich dem Prozess des Geschichtlichen<br />

(der Überwindung der Antike durch das Christentum)<br />

zu widersetzen.<br />

< Thomas Mann: Der Tod in Venedig; eine Bearbeitung<br />

von Textausschnitten der Ge burt der<br />

Tragödie eröffnet den Schülerinnen und Schülern<br />

die Möglichkeit, die No velle Thomas Manns als<br />

70<br />

Metaphysik

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