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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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Gottfried Wilhelm Leibniz setzt mit seiner Kritik<br />

am erkenntnistheoretischen Grundsatz „Ich denke,<br />

also bin ich“ von Descartes an: „Primitive Tatsachenwahrheiten<br />

aber gibt es eben soviele, wie es unmittelbare<br />

Perzeptionen oder, um mich so auszudrücken,<br />

‘Bewusstseine’ [=Bewußtseinsinhalte] gibt. Ich bin mir<br />

nicht nur meiner selbst als des denkenden Subjekts,<br />

sondern auch meiner Gedanken bewusst, und ebenso<br />

wahr und gewiss, als ich denke, wird dieses oder jenes<br />

von mir gedacht. Man kann somit die primitiven Tatsachenwahrheiten<br />

passend auf folgende zurückführen:<br />

‘Ich denke’ und ‘Mannigfaltiges wird von mir gedacht’.<br />

Hieraus folgt nicht nur, dass ich existiere, sondern auch,<br />

dass ich auf mannigfache Art be stimmt bin“ (Gottfried<br />

Wilhelm Leibniz: Animadversiones in partem generalem<br />

Principiorum Cartesianorum, Gerh. IV, § 357).<br />

Leibniz veranschaulicht seine Position zur Geist-<br />

Materie-Problematik in seiner Schrift Mona dologie<br />

sehr anschaulich anhand eines Gedankenexperiments:<br />

Als winziger Mensch betritt man das Gehirn, so wie<br />

man die riesige Maschinenhalle einer Mühle betritt.<br />

Wenn man die sen Inhalt untersuchte, so würde man<br />

nur „Stücke finden, die einander stoßen“, niemals<br />

je doch etwas, womit man eine „Perzeption“ erklären<br />

könnte. Das „Unkörperliche“ könne man darin nicht<br />

finden. Alles was „Perzeptionen“ und „Begehren“ hat,<br />

bezeichnet Leibniz als „einfache Substanzen“, „geschaffene<br />

Monaden“ oder „Seelen“. Alle „einfachen<br />

Substanzen“, auch „Entelechien“ genannt, tragen<br />

in sich eine bestimmte Vollkommenheit, sind „unkörperli<br />

che Automaten“. Der Begriff „Seele“ steht<br />

für Perzeptionen, die „distinkter und von Erinnerung<br />

begleitet“ sind (Leibniz: Monadologie, Abschnitt 19).<br />

Selbst wenn wir Augen hätten, die so durchdringend<br />

wären, um die winzigsten Teile eines Kör pers zu<br />

sehen, und man sich vorstellte, zwischen diesen zu<br />

spazieren, könnte man zwar se hen, dass die Maschine<br />

die „schönsten Dinge“ hervorbrächte, doch niemals<br />

kön nten Maschinen Bewusstsein haben (Leibniz:<br />

Briefwechsel mit Bayle 1702). Leibniz nennt ausdrücklich<br />

die Augen, Geruchs- und Tastorgan als Mittel der<br />

Perzeption (Mona dologie, Abschnitt 25). Dennoch<br />

schließt er eine körperliche Beteiligung an geistigen<br />

Tätig keiten aus. Alles Existierende besteht dieser<br />

Theorie zufolge im Kern aus Monaden (Atome der<br />

Natur: Mo nadologie, Abschnitt 6 und 9); sie können<br />

nicht untergliedert werden, nicht geteilt, es kann ihnen<br />

auch nichts hinzugefügt werden: „Monaden haben keine<br />

Fenster, durch die et was ein- oder austreten könnte“<br />

(Monadologie, Abschnitt 7). Jede Monade ist ein Spiegel<br />

des Universums (Monadologie, Abschnitt 83).<br />

Leibniz vertritt einen parallelen Dualismus. Die Seele<br />

in ihrer Beziehung <strong>zum</strong> Körperlichen veranschaulicht<br />

er in einem Gedankenexperiment: Man stelle sich<br />

zwei synchron lau fende Uhren vor (Körper und Seele).<br />

Ihre Synchronizität kommt dadurch zustande, dass<br />

Gott in „vorausschauender Kunst vom Anfang der<br />

Schöpfung an“ beide Substanzen in „so voll kommener<br />

und geregelter Weise“ geschaffen hat, dass das Zusammenwirken<br />

von Körper und Geist aufgrund einer<br />

„prästabilierten Harmonie“ eingerichtet wurde, worin<br />

sich, wie Leibniz an Clark schreibt, eine „ewige Staunenswürdigkeit“<br />

ereigne. Gott hat, wie Leibniz in<br />

„Drôle de pensée“ <strong>zum</strong> Ausdruck bringt, die Fähigkeit,<br />

gleichzeitig alles in einem Blick zu erkennen, den Kosmos<br />

in all seinen Elementen und deren Beziehungen<br />

untereinan der. Eine augenblickliche Erfassung aller<br />

Dinge und derer Relationen bezeichnet Leibniz als<br />

„intuitiven Akt“. Es handelt sich um ein Erkenntnisvermögen,<br />

das die Fähigkeit des Men schen übersteigt;<br />

dieser hat hierzu keinen Zugang. Leibniz entwickelt<br />

ein Stufenmodell der Erkenntnis. Grundsätzlich ist<br />

eine Erkenntnis klar oder dunkel: Klar ist sie, wenn<br />

es gelingt, eine vorgestellte Sache wiederzuerkennen,<br />

dunkel, wenn dies nicht gelingt. Eine klare Erkenntnis<br />

kann aber auch verworren sein, wenn es nicht gelingt,<br />

eine Sache deutlich von einer anderen zu unterscheiden,<br />

und wenn ein Urteil zwar gefällt, aber nicht<br />

genau identifiziert werden kann, sondern in einem<br />

„je ne sais quoi“ ver bleibt. Urteile werden durch „die<br />

einfachen Sinne“ getroffen. Ich kann beispielsweise<br />

eine Gestalt als schön, wohl geformt erkennen, aber<br />

nicht angeben, worauf ich das Urteil stütze. Deutlich<br />

ist eine Erkenntnis, wenn eine Sache von anderen<br />

unterschieden werden kann und Merkmale der Unterscheidung<br />

deutlich benannt werden können, doch<br />

auch dann ist diese Erkenntnis noch nicht „adäquat“.<br />

Eine adäquate klare Erkenntnis vermag eine Analyse<br />

aller Merkmale vorzunehmen bis in die letzten einfachen<br />

nicht mehr analysierbaren Gegeben heiten.<br />

Dem menschlichen Erkenntnisvermögen sind Grenzen<br />

gesetzt. So vermag der Mensch bei spielsweise nicht<br />

sehr komplexe Strukturen zu erkennen, es sind solche,<br />

94<br />

Erkenntnistheorie – Philosophie des Geistes

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