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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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sche Strukturen verfügt, die er bereits in der Sinnlichkeit<br />

festmacht. Empfindungen werden nämlich nicht<br />

ungeordnet dem erkennenden Subjekt dargeboten,<br />

sondern in den apriorischen Formen der Anschauung<br />

(Raum und Zeit). Der Zusammenhang von rezeptiver<br />

Wahrnehmung und Denken stellt sich bei Kant wie<br />

folgt dar: „Die Fähigkeit (Rezeptivität), Vorstellungen<br />

durch die Art, wie wir von Gegenständen affiziert<br />

werden, zu bekommen, heißt Sinnlichkeit. Vermittelst<br />

der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände gegeben,<br />

und sie allein liefert uns Anschauun gen; durch den<br />

Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen<br />

Begriffe. [ …] Die Wirkung eines Gegenstandes<br />

auf die Vorstellungsfähigkeit, sofern wir von<br />

demselben affiziert werden, ist Empfindung. Diejenige<br />

Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch<br />

Empfindung bezieht, heißt empirisch. Der unbestimmte<br />

Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt<br />

Erscheinung“ (Kant: KrV, A 19, B 33).<br />

Kant unterscheidet somit rezeptive Wahrnehmung<br />

von spontanem Denken. Der zunächst unbestimmte<br />

Gegenstand, der unserer Sinnlichkeit aufgrund einer<br />

Affektion gegeben ist, wird von dem transzendentalen,<br />

kategorialen Verstand durch eine intellektuelle<br />

Synthesis gedacht. Dies ist nach Kant ein notwendiges<br />

Denkverfahren, um logische Operationen auf<br />

zeitliche Ereignis folgen anzuwenden. „Wenn A – so B“<br />

ist nach Kant ein „hypothetisches Urteil“, also eine<br />

hypothetische Denkform. Nur so ist eine systematische<br />

Erfahrung von zeitlichen Abläufen möglich<br />

(Kausalprinzip). Doch was heißt es nun im Sinne von<br />

Kant, dass ein „Gegenstand unter einem Begriffe“<br />

enthalten sei? Zur Beantwortung dieser Frage wählt<br />

Kant ein Bild: „So hat der empirische Begriff eines<br />

Tellers mit dem reinen geometrischen eines Zirkels<br />

Gleich artigkeit, indem die Rundung, die in dem ersteren<br />

gedacht wird, sich im letzteren anschauen lässt.“ „Reine<br />

Verstandesbegriffe“, so KANT, sind völlig ungleich mit<br />

empirischen Anschauungen und können dort niemals<br />

angetroffen werden. Wie Verstandesbegriffe auf Erscheinungen<br />

angewandt werden können, erklärt Kant<br />

durch „eine transzendentale Doktrin der Urteilskraft“.<br />

Es muss, so Kant, „ein Drittes“ geben, was „einerseits<br />

mit der Kategorie, andererseits mit der Erschei nung in<br />

Gleichartigkeit stehen muß“. Dieses „Dritte“ ist das<br />

„transzendentale Schema“, was einerseits eine nichtempirische<br />

„vermittelnde Vorstellung“, andererseits<br />

aber sinnlich ist. Man könnte annehmen, dass dieses<br />

Schema eine Art Bild wäre, doch nach Kant ist ein<br />

Bild ganz deutlich von diesem Schema zu unterscheiden:<br />

„In der Tat liegen unsern reinen sinnli chen Begriffen<br />

nicht Bilder der Gegenstände, sondern Schemate<br />

<strong>zum</strong> Grunde.“ Interessant ist der Begriff „Seele“, den<br />

Kant in diesem Zusammenhang verwendet: „Dieser<br />

Schematismus unseres Verstandes, in Ansehung der Erscheinungen<br />

und ihrer bloßen Form, ist eine verborgene<br />

Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre<br />

Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten,<br />

und sie unverdeckt vor Augen legen werden“ (Kant:<br />

KrV A 140, 141, B 180).<br />

Der Philosoph und Psychologe Otto Selz, der von<br />

den Nationalsozialisten in Auschwitz er mordet<br />

wurde, hat die Schematheorie im 20. Jahrhundert<br />

weiterentwickelt. Es sind nach Selz Elemente von<br />

strukturierten Denkabläufen, die an Prozessen der<br />

Wissensaktualisie rung beteiligt sind (Otto Selz:<br />

Über die Gesetze des geordneten Denkverlaufs). Einige<br />

moderne materialistische Ansätze gehen davon<br />

aus, dass geistige Zustände im Grunde physikalische<br />

Zustände sind und aus diesem Grunde auch mit<br />

physikalischen Ter mini beschrieben werden müssen,<br />

wie beispielsweise Francis Crick, der dem radikalen<br />

Re duktionismus zugerechnet wird. Ob wir, wie Kant<br />

vermutet, den Geheimnissen der Natur unseres Gehirns<br />

auf die Spur kommen oder den „Weltknoten“ im<br />

Sinne Schopenhauers lösen werden, ist noch nicht<br />

end gültig entschieden. Schlimm sei es, sagt Paul M.<br />

Churchland etwa 200 Jahre später in sei nem Buch<br />

Die Seelenmaschine, dass wir, auch wenn uns noch<br />

angemessene Konzepte und theoretische Voraussetzungen<br />

fehlten, immer noch der alten Auffassung<br />

anhingen, dass Bewusstsein überhaupt niemals verstehbar<br />

sei. Nach Churchland lässt sich inzwischen<br />

auf der Basis experimenteller und theoreti scher Methoden<br />

die Kluft zwischen Geist und Materie „überspannen“.<br />

Mit Hinweis auf Bild gebende Verfahren<br />

(PET u. fNMR) und der Theorie neuronaler Netze sei<br />

nachweisbar, dass geistige Aktivitäten „untrennbar<br />

an die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten<br />

gebunden“ sind. „Geist“ spielt sich somit auf<br />

der Grundlage physikalischer und physiologi scher<br />

Prozesse ab. Genau hier glaubt Churchland durch die<br />

96<br />

Erkenntnistheorie – Philosophie des Geistes

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