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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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von einem Kreuzzug in das von der Pest heimgesuchte<br />

Schweden zurück. Zu Beginn der Filmhandlung<br />

will der Tod ihn holen, doch Block überredet<br />

ihn dazu, eine Partie Schach um sein Leben zu<br />

spielen, die er allerdings im weiteren Verlauf der<br />

Handlung verliert. Wie Isak Borg in Wilde Erdbeeren<br />

stellt Block angesichts des nahenden Todes die<br />

Sinnfrage. Er ist ein Gottsuchender, der Gewissheit<br />

ha ben will. „Ich rufe in die Finsternis und niemand<br />

antwortet. … Warum versteckt sich Gott vor uns,<br />

warum schweigt er?“, fragt er in der Beichte, die<br />

er nach der Begegnung mit dem Tod ablegen will.<br />

Er habe versucht, Gott in sich zu töten, doch Gott<br />

lebe gegen seinen Willen weiter in ihm. Wenn es<br />

Gott nicht gebe, sei das Leben sinnlos. In Kontrast<br />

zur religiösen Haltung Blocks steht der aufgeklärte,<br />

humanistisch orientierte Atheismus seines<br />

Knappen Jöns, der die Irrationalität christ licher<br />

Glaubensexzesse anprangert. „Ist das eine Kost für<br />

moderne Menschen?“, fragt er Block, während<br />

ein Zug von Flagellanten an ihnen vorüberzieht<br />

An gewidert reagiert Jöns angesichts der nächtlichen<br />

Verbrennung eines jungen Mädchens, das für eine<br />

Hexe gehalten wird. Am Ende der Handlung holt<br />

der Tod Block, der auf seiner Heimatburg angekommen<br />

ist, und die Menschen, die bei ihm sind.<br />

Im Schlussbild sieht der Gaukler Jof in einer Vision,<br />

die er seiner Frau Mia voller Erstaunen weiterzugeben<br />

versucht, am Horizont „alle dahinfahren“:<br />

„Der strenge Herr Tod bittet <strong>zum</strong> Tanz … Die Schatten<br />

werden dunkler, fort vom Tag, ziehn sie in die<br />

Nacht, in feierlichem Tanz – fort in ein verborgenes<br />

Land, der Regen strömt über ihre Gesichter. Er<br />

spült ihnen das Salz der Tränen von ihren Wangen.“<br />

Die Möglichkeiten, den Film in den Kontext einer<br />

philosophi schen Problemreflexion zu stellen,<br />

sind vielfältig. Unter anderem kann die Behauptung<br />

Blocks, das Leben sei sinnlos, wenn es Gott<br />

nicht gebe, Anstoß zu einer kontroversen Dis kussion<br />

sein.<br />

< Luchino Visconti: Tod in Venedig; die Verfilmung<br />

der Novelle Thomas Manns könnte begleitend<br />

zur Bearbeitung des literarischen Textes in Ausschnitten<br />

<strong>zum</strong> Einsatz kommen.<br />

< Caspar David Friedrich: Mondaufgang am Meer;<br />

gängigerweise wird das Bild als religiös motivierte<br />

Todessehnsucht interpretiert (das nahende Schiff<br />

symbolisiert den nahenden Tod, während der<br />

Mondaufgang als Hinschau zu einer transzen-<br />

denten Sphäre gedeutet werden kann).<br />

< Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer;<br />

ausgehend von der Wirkung des Bil des kann die<br />

Bedeutung des Erhabenen für die menschliche<br />

Existenz Thema einer philosophi schen Reflexion<br />

werden. In der Betrachtung des Mathematisch-<br />

Erhabe nen scheitert nach Kant (Kritik der Urteilskraft)<br />

die Einbildungskraft in der Aufgabe, ein<br />

unendlich Großes zu sammenzufassen, während<br />

die Vernunft über die Idee des Unendlichen verfügt.<br />

Die Wirkung des Erhabenen, die mit diesem<br />

Scheitern entsteht, ist deshalb nur vordergründig<br />

die Er habenheit des Betrachteten, tiefer gesehen<br />

die Erhabenheit der Vernunft und ihrer Ideen<br />

gegenüber der menschlichen Sinnlichkeit. In der<br />

Konfrontation mit dem Dynamisch-Erhabe nen<br />

sieht sich der Mensch den überlegenen Mächten<br />

der Natur ausgesetzt. In dieser Situa tion wird<br />

dem Menschen die eigene erhabene, sittliche<br />

Bestimmung bewusst. Nach Schiller erfahren<br />

wir beim Anblick des Erhabenen der Natur „das<br />

peinliche Gefühl unserer Grenzen“, gleichzeitig<br />

erfährt der Mensch die eigene Erhabenheit, weil<br />

wir an das „absolut Große“ in uns erinnert werden<br />

(Friedrich Schiller: Über das Erhabene). Kleists<br />

(gemeinsam mit Brentano verfassten, in den<br />

Berliner Abendblättern vom 13. Ok tober 1810<br />

erschienenen) Ausführungen Empfindungen vor<br />

Friedrichs Seelandschaft deuten den Prozess<br />

der Begeg nung mit dem Bild – obwohl der Begriff<br />

nicht fällt – als Konfrontation des Subjekts<br />

mit dem Erhabenen der Natur, in der der Betrachter<br />

selbst <strong>zum</strong> „Kapuziner“ werde: „Herrlich<br />

ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer,<br />

unter trübem Himmel, auf eine unbegrenzte<br />

Wasserwüste, hinauszu schauen. Dazu gehört gleichwohl,<br />

dass man dahingegangen sei, dass man zurück<br />

muss, dass man hinüber möchte, dass man es nicht<br />

kann, dass man alles <strong>zum</strong> Leben vermisst, und die<br />

Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut,<br />

im We hen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen<br />

Geschrei der Vögel, vernimmt. … Das Bild<br />

liegt, mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen<br />

Gegenständen, wie die Apokalypse da, als ob es<br />

Youngs Nachtgedanken hätte, und da es, mit seiner<br />

Ein förmigkeit und Uferlosig keit, nichts als den Rahm<br />

<strong>zum</strong> Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet,<br />

als ob einem die Augenlider weggeschnitten<br />

wären.“ Be sonders das expressive Bild der weg-<br />

72<br />

Metaphysik

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