handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie
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muliert hat: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit<br />
und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein,<br />
dass das positive, durch Satzung und Macht gesicherte<br />
Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich<br />
ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der<br />
Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit<br />
ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz<br />
als ‚unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen<br />
hat“ (Gustav Radbruch: Gesetzliches Unrecht und<br />
übergeordnetes Recht). So eindeutig die Forderung<br />
der Menschen nach der Gerechtigkeit ist, so unterschiedlich<br />
kann die Idee der Gerechtigkeit inhaltlich<br />
bestimmt werden. Ein Minimalkonsens, was unter<br />
Gerechtigkeit zu verstehen ist, kann – wie Radbruch<br />
meint – dahingehend bestimmt werden, dass bestehendes<br />
Recht dann gerecht und somit erst gültiges<br />
Recht ist, wenn es die Menschenrechte achtet. Darüber<br />
hinausgehend können verschiedene Dimensionen<br />
von Gerechtigkeit ausgemacht werden, die wiederum<br />
eine Typologie von Gerechtigkeitskonzepten<br />
möglich machen (z. B. Verteilungs gerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit,<br />
soziale Gerechtigkeit, kompensatorische<br />
Gerechtig keit). Kontrovers diskutiert wird<br />
auch der Zusammenhang von Gerechtigkeit und<br />
Kriminalstrafe. Kant <strong>zum</strong> Beispiel ist der Meinung,<br />
dass die Strafe der Gerechtigkeit diene; utilitaristische<br />
Theorien lehnen eine Strafe unter Gerechtigkeitsaspekten<br />
ab.<br />
Ein Konzept von distributiver Gerechtigkeit entwickelt<br />
Hobbes im Kontext seiner Natur rechtslehre.<br />
Gerechtigkeit gehört zu den kulturellen Errungenschaften,<br />
deren Sinn darin be steht, den Naturzustand<br />
des Menschen zu überwinden: „Narren sagen<br />
sich insgeheim, so etwas wie Gerechtigkeit gebe es<br />
nicht, und bisweilen sagen sie dies auch offen. Dabei<br />
füh ren sie auch allen Ernstes an, da jedermann für<br />
seine Erhaltung und Befriedigung selbst zu sorgen<br />
habe, könne es keinen Grund geben, weshalb nicht<br />
jedermann das tun könne, was seiner Ansicht nach<br />
dazu führe, und deshalb sei auch das Abschließen und<br />
Nichtabschlie ßen, Halten oder Nichthalten von Verträgen<br />
nicht wider die Vernunft, wenn es einem Vorteil<br />
einbringe“ (Thomas Hobbes: Leviathan, 15. Kapitel).<br />
Gerechtigkeit besteht nach Hobbes darin, die vertraglich<br />
den Mitsubjekten zugesicherte Einschränkung<br />
der Freiheit auch einzu halten. Das ungerechte<br />
Handeln hingegen missachtet die Gesetze der Natur.<br />
Da die Ver nunft deren Einhaltung gebietet, missachtet<br />
das ungerechte Handeln auch die Vernunft. Das<br />
gerechte Handeln hingegen sieht sich im Einklang<br />
mit der Vernunft, der zügellose Egoismus jedoch ist<br />
ungerecht. Hobbes´ Konzept von distributiver Gerechtigkeit<br />
besteht darin, dass alle Bürger eines Staates<br />
gleichermaßen an den Gesetzen der Natur partizipieren.<br />
Die Gleichbehandlung bei der Rechtssprechung<br />
fordert das „elfte Gesetz der Natur“. Rechts sicherheit<br />
gewährt die Staatsgewalt.<br />
Die Begründung des (naturrechtlich legitimierten)<br />
Eigentumsrechts bei John Locke folgt einem Konzept<br />
von Leistungsgerechtigkeit, wobei dem Arbeitsbegriff<br />
zentrale Bedeutung zukommt. Denn John Lockes<br />
Argumentation <strong>zum</strong> Eigentumsrecht erweitert die<br />
innerhalb der Rechts<strong>philosophie</strong> gängige, das Eigentumsrecht<br />
legitimierende Theorie des ersten Besitzes<br />
um den Faktor Arbeit. Im Naturzustand gehört nach<br />
Locke die Erde allen; sie ist im Besitz der gesamten<br />
Menschheit, da sie den Menschen von Gott <strong>zum</strong> Nutzen<br />
geschenkt worden ist. Aber erst die Arbeit einer<br />
Person, die diese mit Hilfe ihres Körpers ausführt,<br />
macht aus einem Stück der Natur, aus dem gemeinsamen<br />
Besitz auch Eigentum. Eigentum wird somit<br />
durch einen durch Arbeit bewirkten Aneignungsakt<br />
legitimiert, der den Naturzustand in origi närer Weise<br />
aufhebt: „Wer sich von Eicheln ernährt, die er unter einer<br />
Eiche aufliest, oder von Äpfeln, die er von den Bäumen<br />
des Waldes pflückt, hat sich diese offensichtlich<br />
an geeignet. Niemand kann bestreiten, dass diese Nahrung<br />
sein ist. Ich frage nun, zu welchem Zeitpunkt wurden<br />
sie sein Eigentum? …Wenn sie ihm nicht durch das<br />
erste Aufsammeln gehörten, dann ist es klar, dass nichts<br />
anderes sie ihm zu eigen machen konnte. Diese Ar beit<br />
bewirkte einen Unterschied zwischen ihnen und dem<br />
gemeinsamen Besitz.“ Das Recht auf Eigentum widerspricht<br />
nicht der Theorie des gemeinsamen Besitzes,<br />
sondern gibt die sem nach Locke überhaupt erst Sinn,<br />
denn ohne Eigentum wäre „der gemeinsame Besitz von<br />
keinerlei Nutzen“ (John Locke: Zwei Abhandlungen<br />
über die Regierung, II. Über den wahren Ursprung, die<br />
Reichweite und den Zweck der staatlichen Regierung,<br />
§ 28). Vielmehr erfüllt derjenige, der sich Eigentum<br />
aneignet, den Herrschaftsauftrag Gottes im ersten<br />
Schöpfungsbericht der Bibel, „sich die Erde zu unterwerfen“<br />
(ebd. § 35). Das Herrschaftsstreben des<br />
Menschen über die Natur ist somit theologisch legi-<br />
Politische Philosophie – Rechts<strong>philosophie</strong> 111