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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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demnach nicht auf Sprache und Spre chen, sondern<br />

sind zu verstehen „als Praktiken […], die systematisch<br />

die Gegenstände bil den, von denen sie spre chen“<br />

(Michel Foucault: Archäologie des Wissens).<br />

Foucault prägt den Begriff „Dispositiv“, um eine gesellschaftliche<br />

Struktur zu bezeichnen: Es handelt<br />

sich um ein „heterogenes Ensemble“ von Elementen<br />

wie Gebäuden, Institutionen, Gesetzen, wissenschaftlichen<br />

Aussagen, philosophischen Theorien,<br />

moralischen Grundsätzen und „Diskursen“. Wie ein<br />

Netz sind diese zahlreichen Elemente gesponnen,<br />

ein dynamisches Netz, in dem insbesondere Macht-,<br />

Wissens- und Sprachstrukturen auf allen Ebenen und<br />

in allen Ver netzungsstrukturen eine gesellschaftliche<br />

„Formation“ ausbilden. Dieses dynami sche Dispositiv<br />

wirkt „strategisch“ in gesellschaftlich-historischen<br />

Kontexten und verändert sich immer dann, wenn Verbindungen<br />

zwischen den Elementen brüchig werden,<br />

ein „Not stand“ eintritt. Diskurse partizipieren an „Gesagtem<br />

und Ungesagtem“ (also diskursiv und nichtdiskursiv).<br />

Wirksam als Verbindung zwischen den Elementen<br />

tragen Diskurse insbesondere dazu bei, Programme<br />

oder Praktiken zu rechtfertigen, Praktiken<br />

zu verschleiern („maskieren“), Rein terpretationen von<br />

Praktiken (Umdeutungen, Neu deutungen) vorzunehmen<br />

oder Positions wechsel und Funktionsveränderungen<br />

zu deklarieren. Es handelt sich dabei um<br />

„Manipula tionen von Kräfteverhältnissen“, um Veränderungen<br />

zu be wirken, die sehr unterschiedlicher<br />

Natur sein können, z. B. um Kräfteverhältnisse in eine<br />

ge wünschte Richtung zu bringen, an dere eventuell zu<br />

blockieren oder aber auch um bestehende Teile des<br />

Dispositivs zu stabili sieren. In all diesen Strategien<br />

wird Sprache verwandt, um Diskurse zwischen den<br />

Ele menten strategisch zu entwickeln in der Absicht,<br />

beispielsweise Wis sensbestände zu unter drücken<br />

oder auch zu fördern. Foucault spricht daher von<br />

„diskursivem Dispositiv“ (Foucault: Dispositive der<br />

Macht, Gespräch mit Lucette Finas). Diese Verknüpfungen<br />

und ihre historischen Entstehungsstrukturen aufzudecken<br />

ist das philosophische Projekt von Foucault.<br />

In seinem Werk „Ordnung der Dinge“ zeigt er anhand<br />

einer geradezu „archäolo gi schen“ Analyse das Zusammenwirken<br />

von (Schrift-)Sprache und Wissen auf,<br />

d. h. wie sich der schriftliche Diskurs in der Epoche des<br />

16. und frühen 17. Jahrhunderts ent faltete. Foucault<br />

stellt fest, dass Sprache (z. B. das enzyklopädische<br />

Projekt) in dieser Zeit als „globale kulturelle Erfahrung“<br />

zu verstehen ist. In seinem Werk Archäologie<br />

des Wissens legt Foucault dar, dass Diskurse in historischen<br />

Kontexten Be griffe gebildet haben, die kulturell<br />

die Vorstellung von Kontinuität und Linearität zu<br />

Grunde legten und somit Auffassungen verfestigten<br />

wie beispielsweise, Geschichte als Fortschritts geschichte<br />

zu sehen.<br />

Im aktuellen philosophischen Diskurs dauert die<br />

Sprachreflexion in Auseinandersetzung mit an deren<br />

Wissenschaften an, z. B. ist für die Philosophie des<br />

Geistes die sprachphilosophi sche Re flexion unerlässlich,<br />

gerade was Erklärungen wesentlicher Phänomene<br />

wie „Geist“ oder „Be wusstsein“ anbelangt.<br />

Welche Begriffe werden zur Beschreibung, zur Klärung<br />

des Phänomens „Geist“ verwandt? Die Frage danach,<br />

wie das mentale Phänomen „Geist“ be schrieben oder<br />

er klärt werden kann, führt u. a. zur Auseinandersetzung<br />

mit sprachphiloso phischen Ansätzen (be reits<br />

Gilbert Ryle hat sich sprachphilosophisch mit diesem<br />

Begriff auseinandergesetzt), z. B. der Begriffsentwicklung<br />

im Kontext von Deutungsversu chen und den<br />

damit kulturell ge wachsenen Vorstellungen von<br />

„Geist“ (vgl. Arbeitsbereich Er kenntnistheorie / Philosophie<br />

des Geistes). In diesem Sinne gehört es nach<br />

Thomas Metzinger einerseits zur Aufgabe der Philosophie<br />

des Geistes, die logische Struktur von Theorien<br />

des Phänomens „Geist“ zu untersuchen, andererseits<br />

gelte es – in Auseinan dersetzung mit den empirischen<br />

Wissenschaften – an der Entwicklung neuer begrifflicher<br />

Instrumente mitzuwirken, um dem aktuellen<br />

Stand der Wis senschaften gerecht zu werden (Thomas<br />

Metzinger: Das Problem des Bewusstseins). Letzteres<br />

ist aus folgenden Gründen besonders wichtig: Die<br />

Auseinandersetzung aktueller philosophischer Strömungen<br />

mit empi rischen Wissenschaften stellt im<br />

Hinblick auf die Trans- bzw. Interdiszipli narität die<br />

Frage nach der Terminologie der einzelnen Wissenschaften.<br />

Gerade hinsichtlich möglicher Erklä rungen<br />

von Phänomenen (z. B. „Bewusstsein“, „Geist“,<br />

„Seele“) und Beschrei bung von For schungsergebnissen<br />

scheinen Wissenschaften untereinander<br />

oftmals nicht „die gleiche Sprache“ zu sprechen,<br />

es kommt zu Verwirrungen bis hin zu Missverständnissen.<br />

Für den Philosophen Peter Bieri gilt es daher,<br />

eine „historische Neugierde für Begriffsgeschichten“<br />

zu entwickeln.<br />

Sprach<strong>philosophie</strong> 55

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