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handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

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ür gerliche Gesellschaft“ und ein friedlicher Völkerbund<br />

(Kant: Idee zu einer allgemeinen Ge schichte in<br />

weltbürgerlicher Absicht, fünfter und sechster Satz).<br />

Auch nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel schreitet<br />

die Geschichte voran. Hegel nimmt an, dass hinter<br />

all dem „Lärmen“, den Anstrengungen des Tuns aller<br />

Men schen im geschichtlichen Verlauf ein „Endzweck“<br />

sei, mit dem sich all diese „Bewegun gen“ denken<br />

ließen (dialektischer Prozess). Er wirft die Frage auf,<br />

ob „hinter der Oberfläche all dieser Er scheinungen“<br />

nicht ein „stilles, geheimes Werk“ sei, in dem „die Kraft<br />

aller Erscheinun gen“ aufbewahrt werde. Die Auf gabe<br />

dieses „Einen“ wäre, sich in seiner „ewigen Arbeit“<br />

<strong>zum</strong> Wissen fortzuentwickeln und zu vervollkommnen<br />

(Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über<br />

die Philosophie der Weltgeschichte). Geschichte ist<br />

nach Hegel „der an die Zeit entäußerte Geist“ – was<br />

nicht hei ßen soll, dass Geschichte für Hegel etwas<br />

rein Geistiges ist, das sich nur in unseren Köpfen<br />

abspielt, was u. a. auch in seiner Rechts<strong>philosophie</strong><br />

<strong>zum</strong> Ausdruck kommt. Durch die Subjekte in ihrem<br />

Zusammenwirken und ihrer Arbeit an den Objekten<br />

tritt der Geist als sich selbst erken nend hervor und<br />

ver wirklicht sich in einem dialektischen Prozess durch<br />

Epochen der Ge schichte. In jedem Zeitalter machen<br />

Individuen die Erfahrung, dass in gewissen Situationen<br />

Veränderun gen, Erschütterungen eintreten und<br />

im Bewusstsein eine innere Spannung entsteht. Es<br />

wird ein „Mangel“ erkennbar, der behoben werden<br />

muss, damit sich daraus etwas Neues entwickeln<br />

kann, in dem das „Alte“ aufgehoben ist: Negation der<br />

Negation (These, Anti these, Synthese). Diese innere<br />

Spannung – eine „Kraft des Negativen“, eine „kritische<br />

Kraft“ – er zeugt die dialektische Spannung, die durch<br />

die Geschichte hindurch einen fort schreitenden Prozess<br />

in Gang hält. Dieser hat <strong>zum</strong> Ziel, einen Zustand<br />

zu erreichen, in dem kein Mangel mehr herrscht, keine<br />

Negation mehr möglich ist und der Geist zu einem<br />

„absoluten Wissen“ gekom men ist – d. h. zu einem<br />

vollen Selbstbewusstsein, einem Zu stand des „zu<br />

sich gekommenen Geistes“, der nicht mehr negiert<br />

werden kann. Nur aus diesem Drang heraus ist der<br />

Fortschritt in der Weltgeschichte zu verstehen (Hegel:<br />

En zyklopädie der philosophischen Wissenschaften im<br />

Grundrisse). Hegel veranschaulicht diesen Prozess<br />

an geschichtlich Erfahrbarem: „Es ist übri gens nicht<br />

schwer zu sehen, dass unsere Zeit eine Zeit der Geburt<br />

und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der<br />

Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und<br />

Vorstellens gebro chen und steht im Begriffe, es in die<br />

Vergangenheit hinab zu versenken, und in der Arbeit<br />

seiner Um gestaltung. Zwar ist er nie in Ruhe, sondern in<br />

immer fortschreitender Bewegung begrif fen“ (Hegel:<br />

Phänomenologie des Geistes). In diesem Sinne ist für<br />

Hegel „begriffene Geschichte“ die „Schädelstätte des<br />

absoluten Geistes“ (Hegel: Enzyklopädie der philo sophischen<br />

Wissen schaften im Grundrisse). Das Ziel der<br />

Weltgeschichte, dem sich der Geist über die „ewige<br />

Ar beit“ in geschichtlichen Prozessen annähert, kann<br />

nicht berech net werden. Hier muss, wie Hegel sagt,<br />

die „Ungeduld des Meinens“ zu rücktreten (Hegel:<br />

Grundlinien der Philosophie des Rechts, I, § 62).<br />

Henning Ottmann nimmt zwei Lesarten des Geistbegriffs<br />

bei Hegel an: Die eine Lesart wäre demnach<br />

„ursprung philosophisch“, d. h. der Ursprung (Gott)<br />

bleibt in der Ent äußerung in Natur und Ge schichte<br />

immer das, was er ist – der sich in der Geschichte erkennende<br />

Geist offenbart sich im Bewusstsein als das,<br />

was er schon im mer ist, der Ursprung bleibt in allem<br />

bei sich. Die andere Lesart wäre „emanzipationsphilosophisch“,<br />

wobei die ge schichtlichen Entwicklungsstufen<br />

als Ideen eines Gottes anzusehen sind (Ideen<br />

der Logik), der sich selbst erst entwickeln muss – der<br />

selbst erst werden muss, was er ist (vgl. Arbeitsbereich<br />

Metaphysik). Das Problem, so Ottmann, sei,<br />

dass Hegel beide Ent wicklungen zu ver binden sucht,<br />

indem der eine Identität von Anfang und Ende behauptet<br />

und zugleich eine Differenz von Anfang und<br />

Ende annimmt (Ottmann: Geschichte des philosophischen<br />

Denkens).<br />

Wird bei Hegel vornehmlich die Menschheit im Ganzen<br />

gesehen, so wendet sich der Blick von Auguste Comte<br />

ansatzweise auf das einzelne Individuum. Er vertritt<br />

in Cours de <strong>philosophie</strong> positive (Auguste Comte: Allgemeine<br />

Gründe des Positivismus) eine te leologische<br />

Geschichts auffassung; Geschichte wird verstanden<br />

als ein zielorientierter kontinu ierlicher Prozess. Comte<br />

will „la marche fondamentale du déve loppement<br />

hu main“ darstellen, die geschichtliche Kontinu ität<br />

des Fortschritts des menschlichen Geis tes, das „große<br />

fundamentale Gesetz“ der Ge schichte. Er erkennt im<br />

Verlauf der Ge schichte drei Stadien, die jeder Zweig<br />

unserer Zivilisation nacheinander durchlaufen muss:<br />

1. theologisch oder fiktiv (Kindesalter): Auf der Suche<br />

des Menschen nach der wahren Natur aller Dinge,<br />

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Geschichts<strong>philosophie</strong>

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