15.01.2014 Aufrufe

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

handreichung zum lehrplan leistungskurs philosophie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Stadien Sklavenhaltergesellschaft, Feudalherrschaft<br />

und bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft, um dann<br />

über den Sozialismus schließlich <strong>zum</strong> Kommunismus<br />

zu kommen. Das Werk Das kommunistische Manifest<br />

beginnt mit dem Satz: „Die Geschichte aller bisherigen<br />

Ge sellschaft ist die Geschichte von Klassen kämpfen.“<br />

Dieser Kampf durch die Mensch heitsgeschichte endet<br />

in der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft.<br />

Das Motto „Nicht das Bewusstsein bestimmt das<br />

Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein“<br />

(Marx, Engels: Die deutsche Ideologie I, A) bringt<br />

deutlich <strong>zum</strong> Ausdruck, dass die ökonomi sche Grundlage<br />

das Sein der Men schen bestimmt und das Bewusstsein<br />

des Menschen prägt; Veränderungen des<br />

(gesell schaftlichen) Seins und damit verbunden des<br />

Bewusst seins der Men schen lassen sich im dialektischen<br />

Prozess durch Klassenkämpfe bewirken. Der<br />

bisherige Ge schichtsverlauf ist der einer Geschichte<br />

von Unterjochung und Versklavung, und gerade durch<br />

die Indu strialisierung und die kapitalistische Produktionsweise<br />

ist der Mensch sich selbst „ent fremdet“.<br />

Es entsteht das Proletariat, das ausgebeutet, sich<br />

selbst entfremdet, ein elen des Da sein fristet. Doch<br />

es ist gerade das Proletariat, das eine Veränderung<br />

be wirken kann, da es von den Privilegien der herrschenden<br />

Klasse ausgeschlossen ist und be strebt sein<br />

wird, sich von den Ketten des Kapitalismus zu befreien;<br />

somit befreit und ver ändert es die Ge sellschaft<br />

ins gesamt. Der innergeschichtliche Endzustand wird<br />

von Marx gedacht als ein „Kommunismus“, wo es<br />

„keine eigentliche politische Gewalt mehr geben“<br />

werde. Nach Karl Löwith stellt das Kommunistische<br />

Manifest in erster Linie ein „prophe tisches Dokument“<br />

dar, geschrieben aus dem Geist des „Prophetismus“.<br />

Das Proletariat wird <strong>zum</strong> „auserwählten Volk“, einer<br />

Klasse von Menschen, die nicht in, son dern außer halb<br />

der Gesellschaft lebt, und in der Marx laut Löwith<br />

„das weltgeschichtli che Instru ment zur Erreichung des<br />

eschatologischen Zieles aller Geschichte durch eine<br />

Weltrevo lution“ sieht (Karl Löwith: Weltgeschichte<br />

und Heilsgeschehen, II). Die Kri tik von Michel Foucault<br />

zielt insbesondere auch auf den Machtbegriff von<br />

Marx ab. Macht, so Foucault, komme nicht von<br />

„oben“, sie sei in allen gesellschaftlichen Prozessen<br />

wirksam; sie werde also nicht von oben nach unten<br />

ausgeübt, sondern durchlaufe die gesamte Ge sellschaft.<br />

Macht „von oben“ sei zwar politisch relevant,<br />

diene aber nicht zur Analyse histo rischer Prozesse,<br />

sondern es müsse vielmehr von einer „Mikrophysik<br />

der Macht“ aus gegangen werden (Michel Foucault:<br />

Dispositive der Macht). Im 20. Jahrhundert reflektiert<br />

Reinhart Koselleck Ge schichts auffassung aus historischer<br />

und philosophischer Sicht. Nach Koselleck<br />

konnte sich der Gedanke vom konti nuierlichen Fortschritt<br />

erst entwickeln, als die bloße Chronologie in<br />

Form der Einteilung der Geschichte in Tage, Monate<br />

und Jahre aufgegeben wurde; hieraus konnte sich<br />

erst die Grundlage für Fortschrittstheorien mit einer<br />

spezifischen histori schen Zeit entwickeln (Reinhart<br />

Koselleck: Fortschritt). Zugleich zeigt er an gegenwärtigen<br />

Geschichtsprozessen auf, dass wir von einer<br />

„Un gleichzeitigkeit des Gleichzeiti gen“ ausgehen<br />

müssen, da es Wechsel wirkungen und globale Interaktionen<br />

zwischen den unterschiedlichen Kulturen<br />

und Teil räumen der Erde gibt, beispielsweise im<br />

Verhält nis zwi schen westlichen Indu strieländern und<br />

den so genannten Entwicklungsländern. Dabei sind<br />

seiner Auffassung nach Prozesse von Beschleunigung<br />

und Verlangsamung von Bedeu tung, wesentlich<br />

bestimmt durch Verfüg barkeit oder Nichtverfügbarkeit<br />

von Technik, z. B. im Bereich der Nachrichtenübermitt<br />

lung oder des (Personen- und Güter-)Verkehrs.<br />

Inso fern ist die rein lineare Vorstellung von<br />

Geschichte zu ergänzen um den Begriff der „Prozesse“,<br />

die zeitgleich oder zeit verschieden ablaufen<br />

und sich gegen seitig beeinflussen. Die Wahrnehmung<br />

von Zeit wandelt sich und somit auch die Art und<br />

Weise der „Zeit erfahrung“: Von der gott gegebenen<br />

und begrenzten Zeit ausgehend, über die nur Gott<br />

verfügte und sie auch „verkürzen“ konnte, um das<br />

Leid der Menschheit <strong>zum</strong> „Ende der Zeit“ zu mildern<br />

(Mt. 24,22 u. Mk. 13,20), gewinnt der Mensch zunehmend<br />

an Handlungsspielraum zur Gestaltung von<br />

„Zeit“. Auch wenn der Fortschritt bezweifelt wird, wie<br />

etwa von Rupert Kornmann, so sieht dieser wohl seit<br />

der Aufklärung eine enorme Beschleunigung der Zeit:<br />

„Un sere Zeitgeschichte ist eine Wiederholung der Taten<br />

und Ereignisse von einigen Jahr tausen den – in der allerkürzesten<br />

Zeitperiode“ (Rupert Kornmann: Die Sibylle<br />

der Zeit aus der Vorzeit oder Politische Grundsätze<br />

durch die Ge schichte bewähret). Der rasante Wandel,<br />

der jedoch nichts Neues hervorbrachte, ermög licht es<br />

nach Kornmann, dass in einem einzigen Menschenalter<br />

Dinge wahrgenommen werden können, wozu<br />

vormals „das Leben vieler Generationen nicht hinlänglich<br />

war“ (ebd.).<br />

30<br />

Geschichts<strong>philosophie</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!