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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Ernest Hösch<br />

„Als das Licht kam“<br />

Mein Heimatort befindet sich ganz an der Grenze im Nordosten Österreichs. Die Bevölkerung<br />

bestand nach dem Ersten Weltkrieg vorwiegend <strong>aus</strong> kleineren <strong>und</strong> größeren Landwirten. Es ist eine<br />

geschlossene Gemeinde mit zwei Ortsteilen, dem Unterort <strong>und</strong> dem Oberort, dazwischen ist eine<br />

lange Gassenfront, wo die Bauern beiderseitig ihre Häuser haben beziehungsweise Wirtschaften<br />

besitzen.<br />

Im Herbst 1919 gründeten Bauern <strong>und</strong> Geschäftsleute eine Lichtgenossenschaft. Ein Benzinmotor<br />

mit einer Lichtmaschine <strong>und</strong> einer Ladebatterie wurde angeschafft <strong>und</strong> ein entsprechender Raum<br />

gemietet. Nach Legung einer Freileitung <strong>und</strong> entsprechenden H<strong>aus</strong>anschlüssen <strong>und</strong> weiteren Installierungen<br />

wurde der Betrieb aufgenommen. War der Motor in Betrieb, gab es ein besseres Licht, als<br />

wenn nur die Batterie den Strom lieferte. Die Straßenbeleuchtung war nur an bestimmten Punkten<br />

angebracht.<br />

Schon im Jahre 1923 ging man daran, <strong>von</strong> einem größeren E-Werk <strong>aus</strong> der Bezirksstadt Strom zu<br />

bekommen, <strong>und</strong> so konnte der ganze Ort mit elektrischem Strom versorgt werden. Das Zeitalter der<br />

elektrischen Kraft war gekommen. Und wie war es vorher?<br />

Als Hauptlichtquelle gab es die Petroleumlampe. Je nach Gebrauch verwendete man Stehlampen<br />

oder Hängelampen, die, je nach Erfordernis, kleiner oder größer waren. Damals war der Reinheitsgrad<br />

des Petroleums nicht so gut, man musste den Glaszylinder öfter putzen <strong>und</strong> den Docht zustutzen,<br />

sonst gab es kein schönes Licht. Später gab es auch die Petroleumgaslampen, die hatten statt<br />

des Dochtes Glühstrümpfe (erf<strong>und</strong>en <strong>von</strong> Carl Auer <strong>von</strong> Welsbach), die auf ein Fingerhut ähnliches<br />

Gebilde gestülpt wurden. Diese Lampen gaben ein besseres Licht, so auch die Karbidlampen, die<br />

sehr widerstandsfähig waren. In eine Starkblechdose wurde Karbid in kleinen Stücken gegeben,<br />

Wasser zugesetzt <strong>und</strong> mit einem Deckel fest verschlossen, an welchem ein Brenner war; dieser<br />

wurde angezündet, <strong>und</strong> das <strong>aus</strong>strömende Gas (Acetylengas) war die Lichtquelle. Diese beiden<br />

letzteren fand man in den Geschäften <strong>und</strong> Kirtagsbuden.<br />

Die einfachsten Lichtquellen waren die Kerzen. Diese bestanden <strong>aus</strong> Wachs, Stearin, Paraffin oder<br />

Rindertalg. Kerzen wurden <strong>über</strong>all im H<strong>aus</strong>halt, Stall, Keller, Fuhrwerk, am Abend <strong>und</strong> besonders<br />

in der Kirche verwendet. Die Wachszieherei ist ein uraltes Gewerbe, hauptsächlich wurde mit<br />

Bienenwachs gearbeitet. Viele Kerzen wurden industriell erzeugt.<br />

Ich kann mich noch gut erinnern, es war kurz nach dem Ersten Weltkrieg; man konnte nichts<br />

kaufen, weil es einfach nichts gab, so auch Kerzen nicht. Licht brauchte man, <strong>und</strong> da half man sich<br />

folgendermaßen: In ein Glasrohr, zirka fünf<strong>und</strong>zwanzig Zentimeter lang <strong>und</strong> zwei bis drei Zentimeter<br />

im Durchmesser, das auf einer Seite eine konische Verengung mit einem Loch hatte, wurde<br />

heißer Talg oder Paraffin gegossen. Zuvor zog man einen Docht durch das Loch <strong>und</strong> hielt das Rohr<br />

so, dass der Docht in der Mitte war. Das Ganze ließ man kalt werden, <strong>und</strong> die Kerze war fertig.<br />

Freilich musste man die Kerze <strong>aus</strong> dem Glasrohr bringen, das dürfte durch leichtes Erwärmen oder<br />

In-warmes-Wasser-Geben gegangen sein.<br />

Das Kerzenlicht hatte manche Aufgaben zu erfüllen, besonders im Weinkeller. Wenn im Herbst die<br />

Weinlese anbrach <strong>und</strong> der junge Most zu gären begann, so war die Kerze eine große Hilfe für die<br />

Weinbauern. Da es in den Kellern kein Licht gab, ging der Hauer mit seiner Kerze in den Keller,<br />

<strong>und</strong> wenn das Licht erlosch, war es höchste Zeit, den Keller zu verlassen, denn der Keller war mit<br />

Gärgas voll, <strong>und</strong> da gab es keinen Sauerstoff mehr, was unweigerlich den Tod bedeutete. Erst wenn<br />

man die Kellertür geöffnet <strong>und</strong> durch einen Luftschacht, den jeder Weinkeller hat, Frischluft hineingepumpt<br />

hatte – <strong>und</strong> nach der Kerzenprobe -, konnte man den Keller betreten. Heute werden<br />

ganz andere Methoden beziehungsweise Einrichtungen angewendet, damit ein ungestörtes Arbeiten<br />

im Weinkeller möglich ist.<br />

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