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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

eine Wiedersehensfeier arrangiert. Es gab zu essen, Rheinwein zu trinken, Kuchen <strong>und</strong> Gebäck.<br />

Zuletzt kam noch mein Likör an die Reihe. Wir saßen um einen r<strong>und</strong>en Tisch mit einer Unterplatte.<br />

Dort stellte ich mir ein Krügelglas hinein <strong>und</strong> kippte den Schnaps <strong>aus</strong> dem Stamperl in dieses. Alle<br />

waren schon so weit, dass sie fast auf allen Vieren krochen <strong>und</strong> ich war noch immer nüchtern.<br />

Von einer Verwandten der Großeltern kam der Mann als Soldat auf Urlaub. Wir feierten in der<br />

Gastwirtschaft das Wiedersehen. Die Frau, wenn auch schon Großmutter, tanzte mit einer langen<br />

Spitzenunterhose auf dem Tisch <strong>und</strong> wurde nach Seemannsart mit Bier getauft. In kurzer Zeit war<br />

sie patschnass <strong>und</strong> musste sich umziehen gehen.<br />

Kurz darauf ging es ab in den Frankreichfeldzug. Es war eigentlich mehr ein Fahren als Marschieren.<br />

Der Widerstand war nur zeitweise <strong>und</strong> wurde nach kurzer Zeit gebrochen. Wein gab es in<br />

großen Mengen. In einem Pfarrhof fanden wir eine Menge Flaschen guten französischen Wein, der<br />

uns <strong>aus</strong>nehmend m<strong>und</strong>ete. Sofort nach Beendigung der Hauptkämpfe wurde ich als RAB-<br />

Ausbilder 15 nach Weimar abkommandiert. Nach der Ausbildung <strong>von</strong> 2 Lehrgängen wurde eine<br />

Bekanntmachung verlesen für eine Meldung zu einem Sonderkommando. Sofort meldete ich mich<br />

<strong>und</strong> wurde zur christlichen Seefahrt einberufen. Auf einem Fischdampfer (Deister) wurden 20<br />

Mann <strong>und</strong> ich als militärische Besatzung eingeschifft. Ehe wir auf das Schiff kamen, mussten wir<br />

mit einer 7,5 Kanone, 3,7 Flakabwehrgeschütz16 <strong>und</strong> Maschinengewehren auf dem Schlingerstand<br />

Schießübungen machen. In Knogge (Belgien) waren wir stationiert, ich hatte das militärische<br />

Kommando. Von Vlissingen <strong>aus</strong> schleppten wir 13 Rheinkähne nach Cherbourg-Dünkirchen. Es<br />

war ein Nachttransport, 2 Schiffe liefen auf Minen <strong>und</strong> mussten mit Schlagseite in den Ausgangshafen<br />

zurückgeschleppt werden. Mit den Kähnen sollten wir die erste Welle nach England bilden.<br />

Dieses Unternehmen wurde nach 5 Monaten abgesagt <strong>und</strong> wir machten Küstenwache <strong>und</strong> Seenotdienst.<br />

Die englischen Flieger fürchteten wir nicht, denn so nieder fliegen durften sie nicht, wegen<br />

unserer Fliegerabwehr. Die Bomben fielen meist 100 Meter weiter ins Meer. Wurde eine Seemine<br />

treibend gesichtet, war die reinste Seeschlacht in Gange. Alle Schiffe nahmen die Minen unter<br />

Beschuss, bis sie sanken. Die Herbststürme brachten uns einige Male Windstärke 12. In den Hafen<br />

<strong>von</strong> Dünkirchen konnten wir wegen der Abdrift nicht einlaufen. So mussten wir auf der Reede mit 2<br />

Ankern ankern <strong>und</strong> mit halber Maschinenkraft gegen den Wellengang <strong>und</strong> den Sturm ankämpfen.<br />

Wenn ein Brecher kam, donnerte er mit ungeheurer Macht gegen die Kommandobrücke, die Reeling<br />

war bis oben voll Wasser, ehe 10 - 30 cm abgelaufen waren, kamen schon wieder neue Brecher<br />

mit Riesenwogen an. Ich fühlte mich dennoch sehr wohl <strong>und</strong> hatte nie das Gefühl, dass etwas<br />

passieren könnte. Nach 2 Tagen war der Sturm vorbei <strong>und</strong> normales Bordleben zog wieder ein.<br />

Schön war der Ablauf des Tages <strong>und</strong> geruhsam, wenn er nicht durch Monitore oder Flieger gestört<br />

wurde. 8.00 Uhr aufstehen, waschen, rasieren. Anschließend Frühstück, Kotelette mit Weißbrot <strong>und</strong><br />

Rotwein. Mittag- <strong>und</strong> Abendessen zur normalen Zeit, wie wenn kein Krieg wäre. Der Koch war ein<br />

Könner seines Fachs <strong>und</strong> man konnte sich nur w<strong>und</strong>ern, was dieser am Donnerstag, Seemannssonntag,<br />

alles auf den Tisch brachte. In den Häfen war der Unterschied zwischen Flut <strong>und</strong> Ebbe oft bis<br />

zu 8 Meter. Wenn wir bei Flut <strong>von</strong> Bord gingen <strong>und</strong> bei Ebbe zurückkehrten, war dies ein halsbrecherisches<br />

Unternehmen, in meist angeheiterten Zustand die Leitern hinunter zu klettern. Jede<br />

Nacht wurden bis zu 10 Matrosen <strong>aus</strong> dem öligen Hafenbecken gefischt. Mit unserem Kapitän hatte<br />

ich vereinbart, dass ich nach Kriegsende mit seinem Schiff „Deister“ auf Fischfang ins weiße Meer<br />

mitfahren dürfte. Mit Kriegsende wurde dieser Traum zunichte. Unseren 1. Steuermann fand ich in<br />

der Koje, auf der Bank kniend <strong>und</strong> hielt er sich mit den Händen an der Schlafkojenkante fest <strong>und</strong><br />

döste so dahin. Trotz dem Kunststück <strong>über</strong> die Leitern in die Tiefe zu turnen, hatte er nicht mehr die<br />

Kraft, sich in seine Schlafkoje zu ziehen. Der 2. Steuermann war ein prima Mensch, doch dem<br />

Alkohol verfallen. In irgendeinem Hafen angelangt, verschwand er sofort in einer Kneipe. War das<br />

Geld <strong>aus</strong>gegeben, kehrte er vorzeitig zum Schiff zurück. Ansonsten mussten wir ihn in den Kneipen<br />

suchen. Ein einziges Mal konnten wir ihm einen Betrag abnehmen, für ein Geschenk, das seine<br />

15 ?.<br />

16 Flak … Fliegerabwehrkanone.<br />

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