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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

tige, <strong>und</strong> diese gab es „Gott sei Dank“ in der Mehrzahl, das Ganze wieder in das richtige Lot zu<br />

bringen wussten<br />

Es war dies im Sommer 1918, also 7 bis 8 Monate nach der Oktoberrevolution, wo sich sowieso<br />

schon eine Völkerwanderung bemerkbar machte. Bedingt durch die Größe Russlands, wo der in<br />

Wladiwostok stationierte, in die Ukraine, in seine Heimat zurückkehrt, oder umgekehrt. So war es<br />

zum Teil auch bei den Kriegsgefangenen. Man konnte sie ja nicht <strong>aus</strong>einander kennen. Erstens<br />

sprach einer den anderen nicht an, <strong>und</strong> wenn, so hat ein jeder eine andere Muttersprache, <strong>und</strong> es gibt<br />

ca. 50 Millionen Mohammedaner usw.<br />

Aufgabe der Wanderschaft in der Ortschaft „Orsinow”!<br />

Da man verschiedene Gerüchte <strong>über</strong> den Standort der Front hörte, dass dieser sich in der Nähe<br />

befinde, so beschlossen wir, hier in der Ortschaft Orsinow 77 zu bleiben um uns zu erk<strong>und</strong>igen, was<br />

an den Gerüchten <strong>von</strong> der Front Wahres dran ist, <strong>und</strong> suchten uns hier einstweilen Arbeit. Ich<br />

arbeitete wieder bei einem Bauern, mein Kumpel ging zu den Zimmerleuten. Die Ortschaft befindet<br />

sich in der Nähe der Stadt Kainsk an der Transsibirischen Eisenbahn,<br />

Mit dem Bauern <strong>und</strong> seiner ca. 20-jährigen Tochter hatte ich mich ganz gut abgef<strong>und</strong>en, aber<br />

dann kam sein Sohn, der in meinem Alter war, <strong>von</strong> der Front heim auf Urlaub nach H<strong>aus</strong>e. Wir<br />

fuhren dann auf die Wiese das Heu zu schobern. Diese Wiese war etliche Kilometer <strong>von</strong> unserer<br />

Ortschaft entfernt, daher blieben wir zwei die ganze Woche auf der Wiese <strong>und</strong> nachts schliefen wir<br />

im Zelt. Wir arbeiteten bis in die Nacht hinein, dann kochte er erst das Nachtmahl. Ich musste dem<br />

Pferd noch Rauch machen, da die Gelsen unerträglich wurden. Nach meiner Einschätzung war es<br />

um ca. 11 Uhr nachts bis wir ins Zelt kamen. Da sich die Gelsen schon in dieses verirrt hatten, so<br />

mussten wir wieder her<strong>aus</strong> <strong>und</strong> die Gelsen <strong>aus</strong>räuchern.<br />

Kaum war ich eingeschlafen, so boxte er mich schon wieder zum Aufstehn wach, obwohl es<br />

draußen noch stockfinster war. Er hatte es eilig <strong>und</strong> nach einigen Schritten war er im Dunkel verschw<strong>und</strong>en.<br />

Da ich vom Vortag wusste, dass es mindestens vor 8 Uhr nichts zu essen gab, jetzt<br />

konnte es höchstens zwei Uhr sein, so versorgte ich mich zuerst mit Proviant. Währenddessen kam<br />

er schon wieder zurück um mich zu holen - ich hätte ihn wahrscheinlich auch schwer gef<strong>und</strong>en, da<br />

er sich ja im Finstern verloren hat.<br />

Wir fingen gleich wieder zu streiten an, was wir sowieso den ganzen Tag taten, da er nicht Tag<br />

<strong>und</strong> Nacht unterscheiden konnte <strong>und</strong> dass man auch essen muss. Er zog das Heu mit einem Pferderechen<br />

zusammen <strong>und</strong> ich machte diese auf Häufchen zusammen. Das ging ihm alles zu langsam.<br />

„Gut,” sagte ich, „ich werde mit dem Pferd das Heu zusammen ziehn <strong>und</strong> Du wirst die Häufeln<br />

machen”. So stritten wir dauernd.<br />

Wechsel zu einem anderen fortschrittlichen Bauern!<br />

Samstag sagte er zu mir, er werde jetzt nach H<strong>aus</strong>e fahren <strong>und</strong> ich soll hier warten, bis er wieder<br />

kommt. Ich sagte ihm, dass ich nicht hier bleibe, wenn er mich nicht sogleich mit nach H<strong>aus</strong>e<br />

nehme. So blieb ihm nichts anderes übrig als mich mitzunehmen. Sonntags traf ich einen Bauern,<br />

ich soll zu ihm kommen, bei meinem jetzigen Bauern hält es keiner lang <strong>aus</strong>, das ist ein Leuteschinder.<br />

So ging ich zu diesem Bauern, denn verschlechtern konnte ich es mir nicht mehr.<br />

In dieser Großfamilie gab es ein harmonisches Familienleben!<br />

In dieser Familie waren die Eltern so zwischen 55 <strong>und</strong> 60 Jahren, körperlich noch sehr gut erhalten,<br />

gepflegt, <strong>und</strong> <strong>über</strong>ließen ihrem ältesten Sohn Mischo die Obhut ihres ganzen H<strong>aus</strong>wesens. Die<br />

Großmutter 78 war eine etwas korpulente, sehr verträgliche Frau, die mit ihren drei Schwiegertöchtern<br />

sehr gut <strong>aus</strong>kam <strong>und</strong> auch das Arbeitspensum miteinander gemeinsam verrichteten. Der Mischo,<br />

der das Ganze leitete, war verheiratet <strong>und</strong> hatte zwei schulpflichtige Kinder. Seine Frau, die<br />

durch die Kinder schon eine größere Aufgabe hatte, war sehr schweigsame Frau.<br />

77 Orsinow, nördlich <strong>von</strong> Barabinsk (russ. Бара́бинск) im Bezirk Nowosibirsk.<br />

78 Mutter <strong>von</strong> Mischo, dem vermissten Sohn <strong>und</strong> Wassili. Aufgr<strong>und</strong> der Enkel als „Großmutter“ bezeichnet.<br />

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