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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Es war eine neue Gasse die zum Teil schon bewohnt war, zum Teil waren auch noch freie Parzellen<br />

vorhanden. Die Parzellen waren im Ausmaß <strong>von</strong> 18 Ar im Rechteck, um für eine Bauernwirtschaft<br />

die nötigen Räume unterzubringen.<br />

Auch sein Bruder hatte in der Nähe eine Parzelle erworben <strong>und</strong> war im Aufbau begriffen. Die<br />

Felder, ca. 6 ha, erhielten sie <strong>von</strong> der Gemeinde. Ich ließ mir erzählen wie dies vor sich geht. Der<br />

Junge bekommt mit 18 Jahren, das ist meist das Heiratsalter, <strong>von</strong> der Gemeinde 6 Dessjatinen 56 , das<br />

sind ca. 6 ha, zugewiesen. Stirbt der Mann kinderlos, so bleiben der Frau die Hälfte, sind Kinder da,<br />

bleiben ihr die 6 Dessjatinen.<br />

Nach Ableben der Alten fällt das Feld an die Gemeinde zurück, doch kann meistens der Sohn<br />

das „Vaterfeld“, wenn es günstiger liegt, gegen seines eint<strong>aus</strong>chen. So bleibt dasselbe Feld beim<br />

selben H<strong>aus</strong>. Das war wahrscheinlich nur so lange möglich, so lang genügend Felder in diesem<br />

Burgfrieden 57 vorhanden waren. Dann bestand die Möglichkeit in ein neues Siedlungsgebiet zu<br />

<strong>über</strong>siedeln.<br />

Die Ortschaft „Powalicha“ gehörte zu den besten <strong>und</strong> fortschrittlichsten<br />

Bauerndörfern in welchen ich arbeitete!<br />

Hier in der Ortschaft Powalicha 58 um Barnaul war eines der fruchtbarsten Gebiete. Um den Ort<br />

herum gab es eine ca. drei Quadrat 59 große Weide, wo Kühe, Pferde, Schafe <strong>und</strong> Schweine ohne<br />

Hüter auf die Weide gingen <strong>und</strong> abends wieder heimkamen. Die Pferde kamen meistens nicht nach<br />

H<strong>aus</strong>e, wenn man sie brauchte musste man sie holen. Höchstens wenn sie verschreckt wurden, dann<br />

standen sie in Rudeln im Ort wo beisammen <strong>und</strong> gingen morgens wieder auf die Weide.<br />

Die Leitkuh <strong>und</strong> das Leitpferd hatten eine Schelle am Hals hängen <strong>und</strong> hielten so die Herde zusammen.<br />

Die Schweine bekamen ein leichtes Latten-Dreieck angeschirrt, damit sie nicht die Grasnarbe<br />

aufwühlen konnten. Damit sie den Weiderayon nicht verlassen konnten, hatte sich jeder<br />

Besitzer um die Instandhaltung der ihm zugewiesenen Umzäunungsstrecke zu kümmern. 60<br />

Hier gab es die Großfamilie nicht, hier gab es nur Einfamilien. Es gab hier den Gemeindewald,<br />

den staatlichen Wald, der an die Weide anschloss, <strong>und</strong> danach begannen die Felder. Durch die<br />

fruchtbaren Felder <strong>und</strong> der Stadtnähe konnte man die tierischen sowie die Feldfrüchte gut absetzen.<br />

Daher gab es hier schon Grasmähmaschinen, Erntemaschinen, sogenannte Ableger 61 , Ernte-<br />

Selbstbindermaschinen 62 mit fünf Pferden gezogen, große Göpeldreschmaschinen (Bild) mit einer<br />

einen Meter breiten Trommel ohne Strohschüttler.<br />

Das Stroh schupste man mit einem<br />

Rechen, 3 – 4 Paare im Abstand stehend, <strong>von</strong><br />

der Maschine weg bis zum Strohschober. Auch<br />

Windmühlen waren hier schon vorhanden.<br />

Wir hatten hier so ca. 5 bis 6 Pferde <strong>und</strong> 3<br />

bis 4 Stück Jungtiere. Dazu einen Hengst, der<br />

die Jungtiere zusammenhielt, wenn man die<br />

Arbeitspferde benötigte. Man brauchte mehr<br />

Pferde hier, da sie sich meist nur <strong>von</strong> der<br />

Weide ernähren <strong>und</strong> daher nur halbtagsweise zur Arbeit verwendet werden. Wenn man <strong>von</strong> zu<br />

H<strong>aus</strong>e mit welchen kommt, werden diese auf dem Feld freigelassen, wobei man die Vorderfüße<br />

fesselt, damit sie nur kleine Schritte machen können. Eine dementsprechende Grasfläche ist meis-<br />

56 1 Dessjatine = 2.400 Saschen = 1,0925 ha = 10.925,3975 m² / 1 Saschen ≈ 4,55 m².<br />

57 mittelalterliche Bezeichnung für den Hoheitsbereich um eine Burg; hier: Gemeinde- oder Siedlungsgebiet.<br />

58 Nach dem in den Ob mündenden Fluss Powalicha benannte Bahnhofssiedlung bei Barnaul.<br />

59 Vermutlich 3 Quadratkilometer = 300 Hektar.<br />

60 Originaltext: damit sie den Weiderreion verlassen konnten hatte jeder Besitzer für die instand haltung im zugewissener<br />

strecke umzeinung sich um die standhaltung zukümmern.<br />

61 Ein Ableger legt mit seinen großen Flügelrechen selbsttätig das Getreide neben der Fahrspur ab.<br />

62 Die Selbstbindermaschine bindet das abgelegte Getreide.<br />

Seite 88

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