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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

am Straßenrand absetzen. Am Ende der Kolonne hörte man einen Schuss, wahrscheinlich war es der<br />

Genickschuss.<br />

Brody 35 war die letzte Stadt <strong>von</strong> Galizien, die bei der Teilung Polens zu Österreich kam. Und<br />

die erste russische Stadt war Radsiwilow wo wir einwaggoniert wurden, da die russischen Bahnen<br />

eine breitere Spurweite hatten. Auch die Transportverpflegung war sehr mangelhaft, da alles sich<br />

auf den Bahnhöfen abspielte. Unsere Gefangenentransporte <strong>und</strong> hauptsächlich die Russentransporte<br />

an die Front mussten versorgt werden.<br />

Meistens wurden wir bei Nacht, meist erst nach Mitternacht, wo wir oft darauf gerne verzichtet<br />

hätten, weil wir <strong>aus</strong> dem Waggon nicht her<strong>aus</strong> wollten, denn die Nächte im April waren noch kalt,<br />

<strong>und</strong> das Essen hatte sowieso keine Kalorien, aber man trieb uns hin<strong>aus</strong>.<br />

Auszüge <strong>aus</strong> russischer Geschichte <strong>von</strong> Werner Keller 36<br />

bis zur Hauptstadt Kiew!<br />

Nach zwei Tagen wurden wir wieder <strong>aus</strong>waggoniert, wir marschierten einige Zeit, es war alles r<strong>und</strong><br />

um uns Feld, dann kamen wir zu einem kleinen Hügel, in dem sich eine Tür befand, in der ein<br />

Ziegelgewölbe steil aufwärts führte <strong>und</strong> als wir auf das Plateau hinaufkamen, waren wir in einer<br />

Stadt – es war Kiew. Beim Anmarsch war <strong>von</strong> der Stadt nichts zu sehen.<br />

Im Jahre 862 rufen die Ostslawen die Waräger 37 zu regieren in ihr Land. Sie wenden sich an die<br />

Häuptlinge der „Rus“, denn die Waräger wurden <strong>von</strong> den Finnen „Ruotsi“, Ruder, slawisch „Rus“<br />

genannt.<br />

Mit ihren Kriegsmannen kommen drei Brüder als Herrscher ins Land, das <strong>von</strong> nun an ihren<br />

Namen „Rus-Land“ tragen soll: Rurik 38 , Sineus <strong>und</strong> Truwor - altschwedisch Hrœrikr, Signjotr (Sine<br />

hus) <strong>und</strong> Thorwardr (Trú vor). Sie beginnen erste feste Bürgerstädte zu bauen, um die sich ihr<br />

Herrschaftsgebiet <strong>aus</strong>dehnt. Die beherrschende Stadt, die bei ihnen Holmgaard heißt, ist Nowgorod<br />

39 am Ufer des Ilmensees, wird der Sitz des Fürsten Rurik, der nach dem Tod seiner Brüder auch<br />

deren Gebiet <strong>über</strong>nimmt.<br />

Die Geschichte <strong>von</strong> Ruriks Berufung mag sagenhaft <strong>aus</strong>geschmückt sein. Eins aber steht fest:<br />

eine warägerische Oberschicht bringt den Ostslawen Ordnung <strong>und</strong> Recht. Erst mit ihrem Erscheinen<br />

schlägt die Geburtsst<strong>und</strong>e des Oststaates.<br />

Die Nestorchronik 40 setzt für die Berufung Ruriks das Jahr 862 an. Das Russland der Romanow-Zaren<br />

hat diese Jahreszahl später als geschichtlich verbürgt anerkannt <strong>und</strong> im Jahre 1862 das<br />

t<strong>aus</strong>endjährige Bestehen des Russischen Reiches mit allem Pomp gefeiert.<br />

Dem Pfeil der alten Fernhandelsstraße <strong>aus</strong> dem Norden folgend, dem Weg, den die Boote der<br />

Waräger nach dem lockenden Süden genommen haben, breitet sich das neue Reich der schwedischen<br />

Fürsten sehr schnell flussabwärts <strong>aus</strong>. Gefolgsleute Ruriks, Askold <strong>und</strong> Dir, errichteten im<br />

Raum <strong>von</strong> Kiew, dort wo einst Dnaparstadir, die Hauptstadt des Ostslawenreiches gelegen haben<br />

muss, eine Herrschaft. Bald nach dem Tode Ruriks schließt Helge – russisch Oleg –, der 879 bis<br />

912 für Igor, den entmündigten Sohn Ruriks, regiert, die beiden Gebiete im Norden <strong>und</strong> Süden des<br />

Dnjepr Stromes zusammen <strong>und</strong> dehnt durch die siegreichen Heereszüge den Machtbereich weit <strong>aus</strong>.<br />

35 Brody, ukrainische Kleinstadt im Oblast [Gebiet] Lemberg (Lwiw), 90 km nordöstlich <strong>von</strong> Lemberg.<br />

36 Keller, Werner: Ost minus West gleich Null - der Aufbau Russlands durch den Westen. 1960.<br />

37 Waräger … finn. Bezeichnung für Schweden/Nordgermanen. Nach heutigem allgemeinem Verständnis eine <strong>von</strong><br />

Griechen <strong>und</strong> Ostslawen stammende Bezeichnung für Skandinavier, die in Kontakt mit den slawischen Völkern<br />

Osteuropas <strong>und</strong> dem byzantinischen Reich standen.<br />

38 Roderick, Rjurik, * um 830; † um 879.<br />

39 Weliki Nowgorod, russische Großstadt, ca. 180 km südsüdöstlich <strong>von</strong> Sankt Petersburg. Etwa zwei Kilometer<br />

südlich der Stadt lag am rechten Ufer des Wolchow die Siedlung Rurikowo Gorodischtsche (deutsch „Ruriks<br />

befestigtes Städtchen“; skandinavisch Hólmgarðr = „Stadt auf dem Hügel“).<br />

40 Die Nestorchronik, benannt nach dem Mönch Nestor <strong>aus</strong> dem Kiewer Höhlenkloster, ist die älteste erhaltene<br />

ostslawische Chronik. Sie wurde zwischen 1113 <strong>und</strong> 1118 in der Redaktion <strong>von</strong> Abt Silvester im Widubizki-<br />

Kloster in Kiew <strong>aus</strong> mehreren Quellen kompiliert.<br />

Seite 78

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