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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

wagen. Für solche Arbeiten wurde ich herrlichst verköstigt. Von der Truppe erhielt ich nur die<br />

halbe Verpflegung.<br />

Noch im Juni, wir lagen in der Nähe <strong>von</strong> Braunschweig. Die Heu - <strong>und</strong> Getreideernte war im<br />

vollsten Gange. Jedenfalls konnten wir uns die Arbeit einteilen. Mittags erst marschierten wir in<br />

eines der zugeteilten Dörfer. Die Männer konnten <strong>über</strong> Nacht in einer Scheune schlafen, hatten auch<br />

eine Wache aufgestellt. Dann kauften wir uns auch einige Säcke Kartoffeln, kochten diese <strong>und</strong> die<br />

gesalzenen Kartoffeln waren für uns ein Festessen. Geld hatten wir ja genug. Am nächsten Tag<br />

kauften wir ein Schwein, schlachteten dieses <strong>und</strong> nach 14 Tagen waren wir vom Fleisch <strong>über</strong>essen.<br />

Teig, in den wir Hol<strong>und</strong>erblüten drückten <strong>und</strong> im Fett her<strong>aus</strong> brieten, war eine Delikatesse. Die 200<br />

Mann wurden auf 5 Ortschaften aufgeteilt. Wenn sich einer der Soldatenarbeiter <strong>über</strong> mangelhafte<br />

Wasch- <strong>und</strong> Schlafgelegenheit oder schlechte Kost beschwerte, nahm ich diesen <strong>von</strong> dem Bauern<br />

weg <strong>und</strong> teilte dem Mann einen anderen zu. Ich selber hätte nichts arbeiten müssen. Dennoch ging<br />

ich zu einem Bauern. Dort reparierte ich alle Schlösser, nähte als Sattlerersatz Pferdekummerte <strong>und</strong><br />

anderes Pferdegeschirr, mähte Heu <strong>und</strong> Getreide, führte auch beides in die Scheunen ein. Ich<br />

arbeitete immer mit den grauen Offz. Handschuhen. Die ersten Tage lachten mich alle <strong>aus</strong>. Nach 8<br />

Tagen lachten sie nicht mehr. Alle hatten Blasen an den Händen, nur ich nicht. Die ersten 8-10 Tage<br />

trank ich 6-7 Feldflaschen Wasser. Ich glaubte schon, dass ich zuckerkrank sei, weil der Durst so<br />

groß war. Doch nach 8 Tagen brauchte ich keinen Tropfen Wasser mehr. Der Körper hatte sich an<br />

den Arbeitsrhythmus angepasst. Zum Essen bekam ich was ich wollte. Zu Trinken vom Bier bis zur<br />

Erdbeerbowle. Einmal in der Woche, meist sonnabends, konnte ich mit den Familienangehörigen<br />

tanzen gehen.<br />

Die Ernte war vor<strong>über</strong> <strong>und</strong> wir wurden abgezogen <strong>und</strong> in ein Österreichbataillon zusammengezogen.<br />

Dort bemühten wir uns unsere Entlassung zu erreichen. Wir sahen täglich die Entlassungstrupps<br />

<strong>von</strong> den verschiedenen Divisionen <strong>und</strong> Regimentern zur Entlassungsstelle marschieren. Uns<br />

wurde erklärt, dass wir nicht entlassen werden könnten, weil keine Transportmittel vorhanden<br />

wären. Ich ging zu Major Goudin, einem Entlassungsoffizier, <strong>und</strong> fragte ihn: „Hätten wir ein<br />

Fahrzeug das uns bis zur Grenze bringt, werden wir dann entlassen?“ Er bejahte dies. Sofort ging<br />

ich nach Schöppenstedt, nach einem kleinen Städtchen. Dort ersuchte ich einen Transportunternehmer<br />

der einen Lastwagen mit Anhänger besaß, er solle mir eine Bestätigung <strong>aus</strong>stellen, dass er 80<br />

Mann mit seinem Lastzug bis zur Grenze transportieren wolle, Sprit war vorhanden. Mit dieser<br />

Bescheinigung ging ich zum Entlassungsoffizier. Dieser sagte, ich solle die 80 Mann namentlich<br />

bekannt geben, diese würden sofort entlassen, weil die Transportfrage gelöst sei. Da mischten sich<br />

die deutschen Dienststellen ein. Sie wollten uns erklären, dass dies eine Umgehung des Dienstweges<br />

sei. Es war noch alles gegliedert nach Regiment, Division usw. 8 Tage verhandelte ich mit<br />

diesen Stellen. Ich gab nicht nach. Am 8. Tag verhandelte ich <strong>von</strong> 20.00 bis 21.00 Uhr <strong>und</strong> erhielt<br />

die schriftliche Erlaubnis unserer vorgesetzten Dienststellen. Zur Einheit zurückgekehrt, gab ich<br />

dem Uffz. den Schein mit den 80 Mann. Diese mussten am Morgen um 6.00 Uhr gestellt sein. Zum<br />

Abmarsch ins Entlassungslager.<br />

Als ich frühmorgens <strong>aus</strong> unserem Quartier kam, sah ich die 80 Mann stehen, dahinter aber auch den<br />

Rest der Einheit <strong>von</strong> mindestens 70 Mann. Ich erklärte ihnen, dass ich einsehe, dass alle Einheitsangehörigen<br />

entlassen werden wollten. Sie sollten mitmarschieren in das 6 km entfernte Entlassungslager.<br />

Beim Hinmarsch kamen <strong>aus</strong> allen Richtungen Entlassungstrupps anmarschiert. So nahm<br />

ich an, dass da doch niemand eine Kontrolle haben könne, wer wirklich entlassen würde. Im Lager<br />

angekommen, sagte ich dem Rest unserer Einheit, sie sollen sich einen Schreiber suchen, der ihnen<br />

so eine Liste schreibt, wie ich sie für die 80 Mann bekommen habe. Nach einer halben St<strong>und</strong>e<br />

kamen sie mit der Liste an. Als unsere Einheit zur Entlassung kam, unterhielt ich mich mit dem<br />

englischen Leutnant, gab ihm <strong>und</strong> dem Schreiber einige Zigaretten. Und so rief ich die Leute beider<br />

Listen auf <strong>und</strong> die Schreiber schrieben die Entlassungsscheine <strong>aus</strong>. Uns wollten sie auch abtransportieren.<br />

Ich erklärte ihm, dass wir in unser Quartier zurückkehren <strong>und</strong> mit eigenem Fahrzeug bis<br />

zur Grenze gebracht würden. Im Quartier angekommen, packten wir unsere Siebensachen ein. Ich<br />

ließ jedem Mann eine Bestätigung mit unserem alten Dienstsiegel <strong>aus</strong>stellen, dass wir mit Fahrzeug<br />

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