Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

Erzählungen aus und über Bernhardsthal
gegenüber, kam mir etwas sonderbar vor. Entweder traute die eine der anderen nicht oder trauten
sie mir nicht.
Und eines Tages war ein anderer einheimischer Mann da und ich konnte gehen. Es war aber eine
andere Kosakenfrau da, die mich fragte, ob ich nicht bei ihnen weitermachen wollte. Da ich über
die Front nichts Richtiges erfahren konnte, so ging ich mit der Frau mit.
Wechsel in eine andere Kosakenfamilie!
Diese Frau war von kleinerer Statur und hatte noch einen zweijährigen Sohn. Dann war noch ein
vierzehnjähriger Junge, er war auch von kleinerer Größe, und ein siebzehnjähriges Mädchen, das
etwas mehr als mittelgroß war. Der Chef, der nur zeitweise zu Hause war, hatte eine stattliche und
sportliche Statur und stand im Rang eines Feldwebels.
Hier war ich wieder so ein richtiges Familienmitglied!
Hier herrschte wieder das vertraute Familienleben, wo ich wieder in den Familienverband eingegliedert
wurde. Der Chef war sehr intelligent und mir gegenüber zuvorkommend, brachte mir
immer viel Mundvorrat aufs Feld, wo ich öfters die ganze Woche in einer Feldhütte verbrachte, die
in einem kleinen Hain stand.
Wenn nicht irgendwelche Feldarbeiten zu machen waren, so hatte ich auf das Vieh aufzupassen
und eventuell zur Wassertränke zu bringen. Mir gefiel es da draußen ganz gut. Am frühen Morgen
der herrliche Vogelsang und abends, wenn Rebhühner und Fasanen mit ihren Lockrufen die Sippschaft
zur Nachtruhe zusammenrufen.
Im Frühjahr wird Sommerweizen und Hafer händisch ausgesät, was der Bauer – wenn er da war
- und ich besorgten. Sonst war er irgendwo im Einsatz, da zeitweise größere Städte, einmal von
Weißen 85 und dann wieder von Roten Armeeeinheiten besetzt wurden. Auch hatten sie ihr von
Kosaken bewohntes Gebiet so hermetisch durch Wachtposten abgeschirmt, um vor Überraschungen
geschützt zu sein.
Das Eineggen der Saat besorgte der 14-jährige Junge auf dem vorderen Pferd reitend. 2 bis 3
Pferde an der vorderen Egge angekoppelt folgend, kreuz und quer eggend. Sonst wurde er selten im
Arbeitsprozess eingeschaltet. Die meiste Zeit waren die Tochter und ich mit dem Arbeitspensum
beschäftigt.
Dann kam die Heuzeit und später die Erntezeit. Bei der letzteren Arbeit wurden alle verfügbaren
Kräfte eingesetzt. Denn bis der Drusch erledigt war, ließ der Wintereinbrauch nicht mehr lange auf
sich warten.
Hackfrüchte 86 gab es hier nicht, auch keine Obstbäume. Gurken und Beerenfrüchte gab es in
größeren Mengen. Kartoffel hatten wir auf einer ein paar Quadratmeter großen Fläche angebaut. Sie
waren kaum größer wie Nüsse. Im Allgemeinen kann ich mich nicht erinnern, dass hier welche
gebaut wurden.
Wenn abends alle fahrend oder reitend sich heimwärts begaben, blieb ich meistens am Feld
draußen. Nur an Sonn- und Feiertagen fuhr oder ritt ich heim, oder ich brauchte etwas, das ich mir
von zu Hause holen musste. Das Feld war ca. 3 km vom Ort entfernt. Doch es war immer Bewegung
in diesem Gebiet. Entweder kamen Feldnachbarn nachschauen, oder welche von weiter her,
gefahren oder geritten.
85 Weiße Armee (russ. Белая армия / Belaja armija), auch Weiße Garde (russ. Белая гвардия / Belaja gwardija).
Die Truppen der russischen Weißen Bewegung kämpften im Russischen Bürgerkrieg gegen die Bolschewiki.
86 Kulturpflanzen, die während des Wachstums ein mehrmaliges Bearbeiten (Behacken) des Bodens benötigen,
damit er nicht verkrustet und möglichst wenige Beikräuter wachsen. Zu den landwirtschaftlichen Hackfrüchten
zählen die Erdäpfel, Zucker- und Futterrüben, Feldgemüse und Kukuruz.
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