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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Daher ging es in der Kaserne zu wie in einer Fabrikhalle. Daher gab es schon einen kleinen<br />

Komfort, manche bekamen Geld, viel Geld <strong>von</strong> zu H<strong>aus</strong>e, durch die Souvenirs kam viel Geld in die<br />

Kaserne <strong>und</strong> durch den Verzicht auf die Lagerkost kam auch bessere Kost auf Tapet.<br />

Eine Kantine war auch im Bereich des Lagers, wo man alles Erdenkliche kaufen konnte. Ab <strong>und</strong><br />

zu gingen auch, mit russischer Begleitung, 6 – 7 Mann in die 2 km entfernte Stadt Troitskosawsk<br />

irgendwelche Bedarfsartikel zu holen, wo ich meistens dabei war <strong>und</strong> auch meist eine Kleinigkeit<br />

zu ergattern war.<br />

Mich interessierte auch die Bauweise der Stadt, die Mentalität der Menschen, denn hier begegneten<br />

sich zwei verschiedene Rassen. Die Stadt lebte wahrscheinlich <strong>von</strong> dem Durchzugsverkehr<br />

<strong>und</strong> dem hier stationierten Militär, denn es gab kilometerweit nur Flugsand <strong>und</strong> nur ab <strong>und</strong> zu ein<br />

verlassenes Nadelbäumchen.<br />

Die Kaserne war früher in der Stadt, die <strong>aus</strong> dicken Mauerziegeln gebaut war <strong>und</strong> nur offene<br />

Mauerdurchlässe ohne Türen hatte. Wir hatten im Winter verhältnismäßig wenig Schnee, <strong>und</strong><br />

diesen fraß der Sand bald auf. Kälte hatten wir um ca. zwanzig Grad, ab <strong>und</strong> zu bis 32 Grad, wir<br />

hatten es in der Kaserne gemütlich warm. Unsere Offiziere bewohnten dr<strong>über</strong> der Straße die Offizierswohnungen,<br />

bekamen angeblich einen Sold <strong>und</strong> konnten mit russischer Bekleidung in die Stadt<br />

gehen. Wir hatten mit ihnen keine Verbindung.<br />

Anfang Mai 1916 – Abmarsch <strong>von</strong> Troitskosawsk!<br />

Anfang Mai 1916 wurden wir wieder vergattert. Nach einem längeren Fußmarsch wurden wir<br />

eingeschifft. Das war wieder einmal eine Abwechslung, wieder Wasser, Wald <strong>und</strong> Grün zu sehen.<br />

Zum Teil wurden vom Ufer <strong>aus</strong> Pferde angespannt, die mithalfen das Schiff in Bewegung zu halten.<br />

Dann wurden wir wieder einwaggoniert <strong>und</strong> zurück ging es auf der Transsibirischen Eisenbahn.<br />

Wir kamen wieder zum Baikalsee, der zwar noch zugefroren, aber das Eis schon ganz dunkel im<br />

Auftauen begriffen war, <strong>und</strong> die Bahn schon zweigleisig befahrbar war.<br />

Die Fahrt ging <strong>über</strong> Irkutsk, Krasnojarsk <strong>und</strong> in Nowo Nikolajewsk 50 wurden wir wieder <strong>aus</strong>waggoniert.<br />

Mit dem Schiff ging es stromaufwärts bis Barnaul, das am Fluss Ob liegt. Auch ein<br />

größeres Konzentrationslager, das war Anfang Juni 1916, <strong>und</strong> hier wurde uns freigestellt im Lager<br />

zu bleiben oder auf Arbeit zu gehen.<br />

In der Mühle!<br />

Die meisten hatten <strong>von</strong> dem Lagerleben genug <strong>und</strong> gingen auf Arbeit. Und laufend kamen die<br />

Russen <strong>und</strong> holten sich Pleni 51 . Ein Budapester Deutscher <strong>und</strong> ich gingen mit einem Müllner in<br />

seine Mühle mit. Mir gefiel diese idyllische Landschaft, das Leben in der Mühle, das Kommen <strong>und</strong><br />

Gehen, zwei junge 16 <strong>und</strong> 17 jährige Mädchen wie Milch <strong>und</strong> Blut, eine noch junge, etwas korpulente<br />

Mutter, auch der Müller war jung, mittelgroß <strong>und</strong> auch <strong>von</strong> sportlicher Natur. Alle waren<br />

durch den Umgang mit vielen Menschen fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> zuvorkommend, hatten, da sie sich es<br />

leisten konnten, gute Schulbildung.<br />

Essen gab es reichlich <strong>und</strong> gut. Unsere Teller waren bald leer, aber die wurden stets immer<br />

nachgefüllt. Ich hielt mich schon anstandshalber in Grenzen, obwohl ich mir als Vielfraß vorkam,<br />

doch mein Kumpel, ich denke, der fraß <strong>aus</strong> Dummheit weiter.<br />

Wir hatten mit einer Zugsäge Brennholz zu schneiden. Doch kaum hatten wir einen Durchschnitt<br />

gemacht, in einem Durchmesser <strong>von</strong> 25 cm, saß er schon <strong>und</strong> paffte er schon seine Zigarette.<br />

Wenn ich was sagte, sagte er immer: „Willst mich umbringen?“ Ich war dann nach 13 Tagen froh,<br />

als der Müllner sagte, er werde uns wieder ins Lager zurückbringen, er habe sich dies anders vorgestellt,<br />

war ich herzlich froh, denn ich schämte mich vor mir selbst, da sie alle so zuvorkommend<br />

waren <strong>und</strong> wir sie so enttäuschten. Doch ich schwor mir, nie mehr geh ich mit einem, zu zweit eine<br />

Arbeitsgemeinschaft ein.<br />

50 Arbeitersiedlung beim Bau einer Brücke der Transsibirischen Eisenbahn <strong>über</strong> den Fluss Ob im Jahre 1893.<br />

Namensgeber war Zar Nikol<strong>aus</strong> II. Am 7. Dezember 1925 in Nowosibirsk (dt. Neusibirien) umbenannt.<br />

51 (Woina) Pleni - (Война) плену - (Kriegs-) Gefangener.<br />

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