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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Auch traf man ab <strong>und</strong> zu Japaner, die vielleicht noch <strong>aus</strong> dem Russisch-Japanischen-Krieg <strong>von</strong><br />

1904 – 1905 hier waren <strong>und</strong> <strong>aus</strong> den Lagern den Latrineninhalt <strong>aus</strong>fuhren. Zum Teil waren Chinesen<br />

mit dieser Aufgabe beschäftigt. Sie sind mehr mittlerer Statur, schmächtig <strong>und</strong> klein mit gelblicher<br />

Hautfarbe <strong>und</strong> hatten einen kurzen Haarzopf.<br />

Das war in den Lagern <strong>über</strong> dem Baikalsee. Auch in Troitskosawsk, der Kantineur war ein Chinese,<br />

<strong>und</strong> ein gefangener Zigeuner saß auf dem Einspänner-Wagen auf der in der nahen Stadt<br />

eingekauften Ware. Auch in der Kantine war er behilflich. Wenn diese zwei mit ihrem Einspänner<br />

<strong>aus</strong> der Stadt kamen, man sah den Zigeuner grinsend auf der Ware sitzend „der Bock als Gärtner“ –<br />

der Chinese mit seiner vertrauten Mine nur nach vorne <strong>aus</strong>blickend, <strong>und</strong> der Zigeuner um die<br />

Lachmuskel mehr zu reizen, ließ eine Kleinigkeit vom Wagen zukollern.<br />

Auch reizten einem die Lachmuskeln, wenn man vom grinsenden Zigeuner bedient wurde. Aber<br />

der kluge Chinese wusste schon, dass ihm der pfiffige Zigeuner gute Dienste leistete.<br />

Etwas Bekanntschaft mit den Tataren!<br />

Auch mit den Tataren kamen wir in den Lagern zusammen, als Wehrformation, wenn sie uns<br />

singend begegneten. Sie sind ein schöner, stattlicher, größerer Menschenschlag, mit etwas dunklem<br />

Teint <strong>und</strong> schwarzen Haaren.<br />

Wir hatten auch auf der Wanderschaft Gelegenheit zu einem Tatarendorf zu kommen, das sehr<br />

ungepflegt <strong>und</strong> verwahrlost <strong>aus</strong>sah. Hier trafen wir einen Österreicher, der noch seine österreichische<br />

Montur trug, aber uns da<strong>von</strong> abriet, in diese Ortschaft zu gehen, da hier Russen <strong>und</strong> Tatatren<br />

zusammen wohnen, doch dauernd im Streit miteinander lebten. Er sei schon lange hier <strong>und</strong> bereits<br />

an dieses Leben gewohnt.<br />

Er zeigte auf einen in der Nähe befindlichen Stein. Diese große Rasenfläche mit diesem Stein ist<br />

der Tatarenfriedhof. Er hatte kein anderes Merkmal als nur den Stein auf der großen Rasenfläche.<br />

Diese Tataren dürften ihr nomadisches Reiterleben noch nicht ganz <strong>über</strong>w<strong>und</strong>en haben.<br />

Nach zehn Monaten ging ich kurze Zeit ins Lager!<br />

Ich ging nach zehn Monaten, das war Ende April 1917, ins Lager Barnaul zurück. Damals hatte<br />

schon der Zar 55 abgedankt, aber wir in Sibirien hörten dies alles nur mit halbem Ohr <strong>und</strong> waren bei<br />

jeder Neuigkeit sehr skeptisch. Entweder war es nicht wahr, oder wieder alles ganz anders, bis eines<br />

Tages ein Stadtteil bei stürmischen Winden in Flammen aufging, der Himmel drei Tage <strong>und</strong> drei<br />

Nächte vom Feuerschein erleuchtet war. Wie man hörte, wurde das Eliteviertel <strong>von</strong> Barnaul <strong>von</strong><br />

mehreren Seiten angez<strong>und</strong>en, wo Menschen <strong>und</strong> Tiere in den Flammen umkamen. Tagelang fuhr<br />

man mit den verkohlten Leichen <strong>von</strong> Mensch <strong>und</strong> Tier an unserem Lager vorbei.<br />

Ich ging dann kurze Zeit später in den <strong>aus</strong>gebrannten Stadtteil hinunter, doch da war nichts als<br />

eine große schwarze Fläche mit einem noch stehenden Kamin, oder vereinzelt zusammengefallener<br />

Kamine zu sehen. Daneben sah man den Fluss Ob vorbeifließen.<br />

Die Revolution machte sich bemerkbar!<br />

Also, einen Geschmack <strong>von</strong> der Revolution hatten wir schon. Das war in Sibirien so, dass kleinere<br />

Trupps größere Städte <strong>über</strong>rumpelten <strong>und</strong> diese wieder leicht vom Gegner befreit wurden. Und <strong>von</strong><br />

solchen Stadtbesetzungen <strong>und</strong> deren Befreiungen hörte man öfter. Oder man ahnte es, wo <strong>von</strong> der<br />

Front heimgekehrte Soldaten zu H<strong>aus</strong>e mitarbeiteten <strong>und</strong> dann auf einige Zeit wieder verschwanden.<br />

Dann sickerte <strong>von</strong> einem Geplänkel wieder etwas durch.<br />

Ich ging dann mit einem Bauern mit, es war eine kinderlose Familie, so um die dreißig Jahre<br />

herum. Der Mann war etwas grantig, da er lungenkrank <strong>und</strong> erst im Aufbau ihrer Existenz war. Sie<br />

hatten schon eine ganz schöne Wohnung, aber mit den Nebengebäuden waren sie noch beschäftigt.<br />

55 Zar Nikol<strong>aus</strong> II. (Nikolaj Alexandrowitsch Romanow, * 18. Mai 1868 in Zarskoje Selo; † in der Nacht auf den<br />

17. Juli 1918 in Jekaterinburg) war <strong>von</strong> 1894 - 1917 der letzte Zar Russlands. Nach der erfolgreichen Februarrevolution<br />

musste er im März 1917 abdanken. Er wurde mit seiner Familie interniert, bis sie im Juli 1918 <strong>von</strong> den<br />

Bolschewiki, einer Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, erschossen wurden.<br />

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