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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

hen, so gingen wir den nach rechts <strong>und</strong> kamen dann bald am Ende des Sees in ein Dorf, wo wir<br />

unseren kurzen Schafspelz für ein Mittagessen eint<strong>aus</strong>chten, da wir sahen, dass er uns nur hinderlich<br />

war.<br />

Nachdem wir uns gestärkt hatten, schritten wir wieder drauf los. Wir gingen zwölf Tage <strong>und</strong><br />

schafften 500 km in dieser Zeit, ca. 40 km täglich, <strong>aus</strong> dem Gebiet Barnaul bis in die Umgebung<br />

Kainsk. Unser Schlafraum waren Heu- <strong>und</strong> Strohschober oder Feldhütten. Einmal mussten wir im<br />

Freien <strong>über</strong>nachten, da die Gelsen unerträglich wurden. Auch die Bauern mussten für das Vieh in<br />

ihren Häusern einen Rauch machen <strong>und</strong> das Vieh stand dabei, da sie sich der Gelsen nicht erwehren<br />

konnten. Das kam öfter vor, auch am Feld wenn es schwüle Nächte gab <strong>und</strong> man draußen <strong>über</strong>nachtete.<br />

Da zufällig auf der Wiese ein dürrer Baum lag, so machten wir uns ein Rauchfeuer. Die Gelsen<br />

waren so arg, dass man mit dem Anzünden seine Not hatte. Mein Kumpel schlief bald ein <strong>und</strong> ich<br />

musste Rauch besorgen, bis es dann kühler wurde <strong>und</strong> ich auch etwas schlafen konnte.<br />

Kein Gepäck belastete uns nicht, da wir nicht mehr hatten als wir am Leib trugen. Meistens gingen<br />

wir barfuß, damit uns die Schuhe nicht drückten <strong>und</strong> man leichter voran kam. Es gab nur Wege,<br />

auch die Straßen hatten keinen harten Untergr<strong>und</strong>. Doch brannten uns zeitweise die Fußsohlen,<br />

dann hielten wir wieder bei einem Bach, im Wasser abkühlen, <strong>und</strong> badeten uns, wo wir oft erst im<br />

Wasser das Hemd vom Leib brachten, da es ganz verpickt vom Schwitz war. Im Sommer ist es hier<br />

einen Monat sehr heiß.<br />

Essen haben wir uns <strong>aus</strong>gebettelt, in Sibirien kannte man noch keine Not. Man wusste schon,<br />

dass man warmes Essen haben wollte, meistens konnte man sich gleich beim eingekehrten Bauern<br />

satt essen. Wenn nicht, versuchten wir es beim Zweiten. Irgendwie war meistens warmes Essen<br />

vorhanden, etwas war immer im Backofen, denn dieser war im H<strong>aus</strong>halt, so wie der Samowar 76 ,<br />

<strong>und</strong> beide waren Mädchen für alles.<br />

Im Allgemeinen trachteten sie uns satt zu füttern, um uns so bald als möglich wieder los zu<br />

werden. Denn wer traut einem wandernden Gesellen, wo <strong>über</strong>all Arbeit im Überfluss war, <strong>und</strong> uns<br />

als Tachinierer betrachtete, was wir ihnen auch nicht verübeln konnten. Denn auch wir trauten<br />

schon lange niemandem mehr. Mancher Gastgeber meinte, ihm unbedingt einige Tage zu helfen.<br />

Auch dem durften wir nicht trauen, ob er uns nicht durch einen Trick in eine Falle lockte.<br />

So kehrten wir bei einem Bauern ein, es war ein etwas korpulenter, vertrauensvoller Mann, der<br />

uns gut bewirtete, doch stets uns <strong>über</strong>reden wollte, ihm wenigstens 3 bis 4 Tage beim Grasmähen<br />

zu helfen. Wir sagten, dass es uns leid tue, wir wollen ja einmal nach H<strong>aus</strong>e, wo es doch Frieden<br />

mit den Mittelmächten gibt, <strong>und</strong> niemand sich um den Heimtransport <strong>von</strong> uns Gefangenen kümmert,<br />

so müssen wir es auf eigenes Risiko versuchen.<br />

Man musste bei allem Tun <strong>und</strong> Handeln sehr vorsichtig sein!<br />

Nachdem wir wieder gesättigt waren, bedankten wir uns <strong>und</strong> nahmen wieder Abschied. Nun gut,<br />

sagte er, er habe denselben Weg, er müsse sich dort am Bahnhof Gabeln <strong>und</strong> Rechen besorgen. So<br />

marschierten wir gemeinsam <strong>und</strong> plauderten. Da sah ich am Bahnhof, dass dort Soldaten <strong>aus</strong> <strong>und</strong><br />

ein gingen, so sagte ich zu meinem Weggenossen: „Hast Du gesehen, dort sind Bahnhofsstreifen,<br />

der will uns in eine Falle locken!“<br />

Ich blieb stehen <strong>und</strong> schaute auf die Sonne <strong>und</strong> sagte: „Wir gehen hier eine falsche Richtung“.<br />

Der Bauer sagte, es gibt da keinen anderen Weg. „Nein“ sagte ich, „wir halten uns immer nach der<br />

Sonne“, ließen ihn stehen, kehrten uns nach dem in der Nähe befindlichen Wald um <strong>und</strong> machten in<br />

diesem einen Dauerlauf, warteten dann eine zeitlang ab, <strong>und</strong> umgingen in einiger Entfernung die<br />

Bahnstation.<br />

Ich möchte hierzu noch bemerken, dass im Großen <strong>und</strong> Ganzen, ob Zivil oder Militär, uns nicht<br />

auf unserer Wanderschaft behinderten, aber ab <strong>und</strong> zu gibt es so <strong>über</strong>eifrige pflichtbewusste Idealisten<br />

aller Schattierungen, die einem verschiedene Unannehmlichkeiten machen, bis wieder Vernünf-<br />

76 wörtlich „Selbstkocher“, ursprünglich eine russische Teemaschine bzw. Wasserkocher.<br />

Seite 91

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