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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

tens vorhanden, da man immer nur 1 oder 2 Pferde zu H<strong>aus</strong>e hat <strong>und</strong> spannt sich <strong>von</strong> der Weide<br />

andere ein.<br />

Man hat noch 10 bis 15 Kühe <strong>und</strong> Kälbinnen 63 , <strong>und</strong> 15 bis 20 Schafe. Die Schafe werden meistens<br />

für die Fleischversorgung verwendet. Die Wolle verwendet man für Handschuhe, Strümpfe<br />

<strong>und</strong> für Filzstiefel - dafür braucht man ca. 7 bis 8 Kilo Wolle – <strong>und</strong> dann für Pelze. Schweine<br />

werden im Allgemeinen wenig gehalten.<br />

Die Milch die keinen Absatz findet wird verbuttert, dann zerlassen <strong>und</strong> ist meist der Haupt-<br />

Fettlieferant. Jeder Bauer hat ein Stück Feld mit Flachs oder Hanf bebaut um Garn für Leinen <strong>und</strong><br />

Stricke <strong>und</strong> Seile zu haben. Die Stricke verfertigt er sich selbst. Leinen werden nur noch ganz selten<br />

im eigenen H<strong>aus</strong>halt erzeugt. Hanf <strong>und</strong> Flachssamen werden zu Öl gepresst.<br />

Kuhhäute, Schaffelle, oft auch H<strong>und</strong>efelle, lässt man gerben, da <strong>über</strong>all genügend Gerbereien<br />

vorhanden sind. Zu den zu Pelzen verarbeiteten Fellen kommt der Kürschnermeister 64 ins H<strong>aus</strong>. Die<br />

gegerbte Kuhhaut als Leder nimmt der Bauer mit nach H<strong>aus</strong>e, bei Bedarf geht er damit zum Schuster<br />

<strong>und</strong> dieser schneidet sich das nötige Leder für das Schuhwerk her<strong>aus</strong>, das übrige nimmt sich der<br />

Bauer wieder nach H<strong>aus</strong>. Auch die Schweinehaut wird oft verwendet, daher wird die Sau nicht mit<br />

Heißem abgebrüht, sondern die Borsten werden abgesengt <strong>und</strong> Haut abgezogen.<br />

Die leichten Wägen, die meistens Holzachsen haben, so wie alle anderen Bestandteile <strong>aus</strong> Holz<br />

<strong>und</strong> gew<strong>und</strong>enen Weiden bestehen, aber doch schön geformt <strong>und</strong> gestaltet sind, normal als Bespannung<br />

für ein Pferd gedacht sind. Auch die Wagenschmiere erzeugt man sich, indem man grüne<br />

Birkenrinde in größerer Menge in der Erde veröden lässt <strong>und</strong> diese als bewährte Schmiere verwendet.<br />

Im Sommer haben die Wagerln meistens nur zur Personenbeförderung <strong>und</strong> kleinen Sachen eine<br />

Verwendung, da das Heu, Stroh <strong>und</strong> Holz im Winter, je nach Bedarf, heimbefördert wird, da im<br />

Sommer kein Bedarf, auch die Wege verhältnismäßig ungünstig sind <strong>und</strong> auch feuergefährlich in<br />

den geschlossenen Ortschaften.<br />

Auch die leichten Schlitten bestehen <strong>aus</strong> künstlich gebogenen Birkenkufen, die auf eine Breite<br />

<strong>von</strong> 12 bis 15 cm <strong>und</strong> 5 bis 6 cm Stärke zugearbeitet werden, <strong>aus</strong> schwächeren Weidenästen <strong>und</strong><br />

Ruten sowie Stricke, die nötig sind um die Spannung zwischen den zwei Seitenstangen <strong>und</strong> den<br />

Bögen herzustellen. Der Schlitten wird normal nur mit einem Pferd bespannt. Daher fährt man<br />

meist zu zweit mit vier, fünf Pferden <strong>und</strong> Schlitten. Ein Mann fährt am ersten <strong>und</strong> der andere am<br />

letzten Schlitten.<br />

Man braucht die leichten Schlitten-Fahrnisse 65 , da man ohne <strong>und</strong> mit leichter Last meist größere<br />

Strecken zu bewältigen hat <strong>und</strong> immer einen leichten Trab fährt. Das ist in Sibirien im Allgemeinen<br />

so.<br />

Alles waren nur Gerüchte <strong>und</strong> halbe Wahrheiten!<br />

Aber was mit Krieg oder Frieden, oder Revolution los war, wusste keiner Bescheid. Und er konnte<br />

es auch nicht wissen, da sich da alles auf einem großen Raum abspielte, jeder den kürzesten Weg<br />

<strong>von</strong> der Front heim zu nahm <strong>und</strong> den operierenden Armeeeinheiten <strong>aus</strong>wich.<br />

Und immer hörte man: „Skoro mir, a storo Mir, skoro sa konschi sa Woina“ 66 – Doch wir bleiben<br />

immer hier, bald wird Friede sein <strong>und</strong> der Krieg ein Ende haben. So warten wir 1918 noch<br />

immer auf den Heimtransport. Hinter dem H<strong>aus</strong> meines Bauern ist schon ein russischer Kriegsgefangener<br />

<strong>aus</strong> Deutschland zurückgekehrt. Ich setzte mich gleich mit ihm in Verbindung. Auch er<br />

konnte mir nicht viel Bescheid sagen, weder vom Krieg, noch <strong>von</strong> der Revolution.<br />

63 Männliche wie auch weibliche Jungtiere des Rinds.<br />

64 Original: Kürschner in Stör → sollte vermutlich „Kürschnermeister“ heißen.<br />

65 Alter Begriff für bewegliche Sachen, im Gegensatz zu den Immobilien, den unbeweglichen Sachen.<br />

66 Mir мир Friede; конец Ende; Woina Война Krieg.<br />

Seite 89

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