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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Im Osten dringt er mit seinen Mannen bis zum oberen Lauf der Wolga <strong>und</strong> dem Don vor, gen<br />

Westen bis an den Bug <strong>und</strong> an den Dnjestr, im Süden bis zur Ukraine. Tschernigow (russ. Tschernihiw),<br />

Perejaslawl werden als militärische Stützpunkte gegründet. Mit einem großen kriegerischen<br />

Gefolge, der „Druschina“, hält Oleg feierlichen Einzug in der Feste Kiew.<br />

Diese Stadt soll die Mutter der russischen Städte sein. Und Kiew wird in der Tat zur Hauptstadt<br />

des neune Reiches der Rus, Nowgorod im Norden tritt in den Hintergr<strong>und</strong>.<br />

In nur wenigen Jahrzehnten haben die Rurikiden unter den Ostslawen ein bedeutendes Werk der<br />

Sammlung <strong>und</strong> Organisation vollbracht.<br />

Diese alte Hauptstadt strahlte noch 1915 ihre patriachalische Vergangenheit, mit ihren sehr breiten<br />

Straßen, ihrer dahin bummelnden Straßenbahn, dem etwas abgefahrenen, holprigen Pflaster,<br />

ihrer uns gut gesinnten Bevölkerung entgegen kommend, indem sie uns zusammengeschnürte<br />

Brezeln zuwarfen, ein älteres Mütterlein mir 5 Kopeken in die Hand drückte, das vielleicht einer<br />

ihrer letzten war. Aber für uns war dieses alles mehr, dass man uns als Menschen anerkannte, die<br />

nur auf höheren Befehl so handeln mussten, so wie es ihre eigenen Söhne <strong>und</strong> Väter tun mussten.<br />

Man lernte erkennen, dass auch andere Völker die unter Autokratie leben, sich ihre Einstellung<br />

zum wirklich Friedlichen, <strong>von</strong> niemanden auf Dauer beeinflussen lassen.<br />

Abfahrt <strong>von</strong> Kiew nach Osten<br />

Dann wurden wir wieder einwaggoniert. Wir wurden hier in Kiew <strong>aus</strong>nahmsweise gut verpflegt,<br />

das heißt, was ein Gefangener <strong>von</strong> guter Verpflegung meint.<br />

Eine sympathische Begegnung auf dieser Fahrt, Bahnstrecke, hatte ich noch mit einer jungen,<br />

hübschen Offiziersfrau. Es war ein am Nebengleis stehender, an die Front fahrender Militärtransportzug,<br />

wo vorne mehrere Offiziere mit ihren Frauen sich befanden, <strong>und</strong> eine winkte mir zu, näher<br />

zu ihrem Waggon heran zu kommen, <strong>und</strong> gab mir durch das offene Fenster ein gekochtes Ei <strong>und</strong><br />

einen Rubel.<br />

Dann ging die Fahrt nach Osten weiter, bei Syran <strong>und</strong> Samara 41 , heute heißt es Kuibyschew,<br />

fuhren wir <strong>über</strong> die Wolga. Bei Ufa, die Hauptstadt der Baschkieren Republik 42 , zweigten wir nach<br />

Norden ab <strong>und</strong> kamen nach Perm 43 in ein Lager. Hier blieben wir fünf Tage, dann fuhren wir<br />

wieder nach Ufa zurück, an die transsibirische Eisenbahn <strong>und</strong> mit dieser ging es dem Ural zu.<br />

Bevor sah ich, dass die Straße, die parallel mit der Bahn verlief, cirka einen Kilometer lang<br />

durch das weiche Gelände führte, das mit nebeneinander liegenden Baumstämmen passierbar<br />

gemacht wurde. Das etwas ansteigende<br />

Uralgebirge war dicht bewaldet. Jetzt fuhren<br />

wir an dem Grenzstein (Bild) vorbei, der die<br />

Grenze zwischen Europa <strong>und</strong> Asien markierte<br />

<strong>und</strong> kamen dann nach Tscheljabinsk, was ein<br />

wichtiger Bahnknotenpunkt ist.<br />

Wir fuhren auf der Transsibirischen weiter<br />

bis Irkutsk, das noch vor dem Baikalsee ist,<br />

umfahren im südlichen Teil den See in U-Form<br />

viele Kilometer, da zwischen See <strong>und</strong> senkrecht<br />

hinaufragenden Felsen nur ein sehr schmaler<br />

Bahnstreifen, zum Teil noch einspurig, nur ab <strong>und</strong> zu ein Ausweichgeleise vorhanden ist. Doch<br />

wurde an der Fertigstellung eines zweiten Geleises gearbeitet, da zum Teil an Seilen hängende<br />

Arbeiter das Gestein loslösten. Im nächsten Jahr, das war 1916, als wir wieder diese Strecke zurückfuhren,<br />

war diese Strecke schon doppelgleisig befahrbar. Es sind dabei cirka vierzig kleine Tunnels<br />

zu durchfahren.<br />

41 Industriestadt an der Wolga im Süden des europäischen Teils Russlands. Von 1935–1990 hieß es Kuibyschew.<br />

42 heute: Republik Baschkortostan.<br />

43 Russische Stadt im Uralvorland an der Kama, etwa 1150 Kilometer Luftlinie ostnordöstlich <strong>von</strong> Moskau.<br />

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