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Erzählungen und Berichte aus, von und über Bernhardsthal

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<strong>Erzählungen</strong> <strong>aus</strong> <strong>und</strong> <strong>über</strong> <strong>Bernhardsthal</strong><br />

Es war im Raum Kurland. Am 10. Oktober vormittags hatten wir einen Panzerkampf mit einer<br />

großen Anzahl russischer Panzer zu bestehen. Wir schossen alle ab, die sich zeigten <strong>und</strong> es war<br />

trotz dieses schweren Gefechts ein schöner, sonniger Tag. Gegen Mittag war der Kampf zu Ende<br />

<strong>und</strong> nichts mehr war zu sehen. Ich sagte zu meinem Ladekanonier, er solle mir den Stahlhelm<br />

her<strong>über</strong>reichen, damit ich die Turmluke aufschieben könnte. Dies war nämlich nur mit dem Stahlhelm<br />

zu bewerkstelligen. Ich sah also oben beim Turm in die R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> konnte nichts vom Feind<br />

erkennen. Dennoch mussten wir einen Panzer <strong>über</strong>sehen haben, der in einer Gebüschgruppe stand.<br />

Er schoss mit einem Vollgeschoß, <strong>aus</strong> dem Gebüsch her<strong>aus</strong> ging es auch nicht mit Sprenggranaten.<br />

Dieses Geschoß schlug mir den Stahlhelm in Trümmer <strong>und</strong> ein Teil des Helmes steckte in meinem<br />

Kopf. Gespürt habe ich <strong>von</strong> diesem Schlag nichts. Mein Fahrer fuhr sofort zurück in Deckung <strong>und</strong><br />

die anderen Geschütze haben diesen Missetäter sofort abgeschossen. Nach 1-2 Minuten kam ich<br />

wieder zu mir. Erst wurde es dunkelgrau <strong>und</strong> dann immer lichter. Ich sah auf meinem zweiten Auge<br />

nichts <strong>und</strong> als ich hingriff, spürte ich, dass mir das Blut <strong>über</strong> die Augen floss. Ich stieg <strong>aus</strong> dem<br />

Geschütz <strong>aus</strong> <strong>und</strong> ging zum nahen Gefechtsstand, wo ich vom Sanitäter einen Druckverband bekam.<br />

Dann ging es zu Fuß zum nächsten Hauptverbandsplatz. Nach 6 km kam eine Zugmaschine<br />

<strong>und</strong> nahm mich zum Verbandsplatz mit. Dort wurden mir alle Splitter her<strong>aus</strong>genommen <strong>und</strong> die<br />

Knochen operiert. Mit einem Hammer <strong>und</strong> einem Eisenstück prüfte der Chirurg, ob die Schädeldecke<br />

gehalten hatte. Am nächsten Tag wurden die Verw<strong>und</strong>eten in Riga eingeschifft <strong>und</strong> nachts ging<br />

es per Schiff nach Stettin. Von dort kam ich ins Lazarett nach Pyrma bei Dresden. Ich hatte rasende<br />

Schmerzen, weil die Kopfw<strong>und</strong>e so rasch heilte. Jeden Tag bekam ich schmerzstillende Mittel,<br />

Injektionen oder Tabletten. Nach 8 Tagen waren diese Schmerzen weg <strong>und</strong> ich schrieb meiner<br />

Feldeinheit, dass ich bald wieder kommen könne. Doch wegen Gehirnerschütterung durfte ich noch<br />

lange nicht aufstehen. Es wurde Dezember <strong>und</strong> Weihnachten kam immer näher. Mitte Dezember<br />

legte ich ein Gesuch um Genesungsurlaub vor, vom 23.12.1944 bis 2.1.1945. Das Gesuch kam<br />

zurück <strong>und</strong> ich erhielt 6 Wochen Genesungsurlaub als Kopfverletzter.<br />

Es wäre schön gewesen, doch als ich nach meinem Abschied vom Lazarett <strong>über</strong> Dresden fahren<br />

wollte, waren in diesem Zug so viele Ostarbeiter 23 <strong>und</strong> Frauen mit Kindern standen am Bahnsteig<br />

<strong>und</strong> konnten nicht in die Waggons einsteigen. Wir zogen unsere Pistolen, alle Männer mussten r<strong>aus</strong><br />

<strong>und</strong> die Frauen mit den Kindern konnten mit dieser Garnitur um 16.00 Uhr abfahren. Um 18.00 Uhr<br />

das gleiche Sch<strong>aus</strong>piel. Als der Zug mit Frauen <strong>und</strong> Kindern voll war, erwischte ich noch einen<br />

kleinen Stehplatz <strong>und</strong> wir waren, als es dunkel wurde, schon 30 km außerhalb <strong>von</strong> Dresden. Und in<br />

dieser Nacht wurde Dresden <strong>von</strong> englischen <strong>und</strong> amerikanischen Fliegern in Schutt <strong>und</strong> Asche<br />

gelegt. Mit x-t<strong>aus</strong>end Einwohnern <strong>und</strong> Flüchtlingen. Erfahren habe ich diese Tatsache erst lange<br />

nach Kriegsende.<br />

Wieder war ich zu H<strong>aus</strong>e, im Genesungsurlaub, <strong>und</strong> es waren schöne Tage. Dennoch warf schon<br />

das Kriegsende seinen Schatten vor<strong>aus</strong>. Ich gab allen, besonders meiner Frau <strong>und</strong> den Verwandten<br />

<strong>und</strong> allen jungen Frauen den Rat, dass sie bei Annäherung der Front fliehen sollten.<br />

Am 6. Februar 1945 rückte ich zu meinem Ersatztruppenteil ein. Mittlerweile war mein bester<br />

Kamerad gefallen. Am 12. 2. spielten ich <strong>und</strong> Kameraden Karten <strong>und</strong> ich hatte an diesem Tag<br />

besonderes Glück. Abends bekam ich ein Telegramm, dass mir mein Sohn geboren war.<br />

23 Ostarbeiter war in der Zeit des Zweiten Weltkrieges die offizielle Bezeichnung für Arbeitskräfte nichtdeutscher<br />

Volkszugehörigkeit, die im Reichskommissariat Ukraine, im Generalkommissariat Weißruthenien oder in Gebieten,<br />

die östlich an diese Gebiete <strong>und</strong> an die früheren Freistaaten Lettland <strong>und</strong> Estland angrenzten, erfasst wurden<br />

<strong>und</strong> für Nazideutschland arbeiteten.<br />

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