DIE LÜGE DES ODYSSEUS
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Heil- und Pflegeanstalten in Bernburg (Saale), Dr. Eberl, Postschließfach. 252, Telefon Nummer<br />
3169, in Verbindung. Er ist derselbe Arzt, der 14 F 13 durchgeführt hat. Dr. Eberl zeigt ein<br />
außergewöhnliches Verständnis und Entgegenkommen. sämtliche anfallenden Häftlingsleichen von<br />
Schönebeck -Wernigerode werden zu Dr. Eberl nach Bernburg transportiert und dort auch ohne<br />
Totenschein sofort verbrannt." (Seite 256.)<br />
Eugen Kogon erwähnt auch die Gaskammern von Birkenau (Auschwitz). Er erzählt, wie man nach einer Zeugenaussage bei<br />
der Vernichtung durch dieses Mittel vorging:<br />
". . . ein junger Jude aus Rumänien, Janda Weiß, der 1944 zum Sonderkommando (für das<br />
Krematorium und die Gaskammern) gehörte, von dem die nachfolgenden, durch andere bestätigten<br />
Einzelangaben stammen . . ." (Seite 155.}<br />
Soweit mir bekannt, ist die einzige Persönlichkeit in der gesamten Literatur über die Konzentrationslager dieser Janda<br />
Weiß, von dem man behauptet, er habe dieser Art der Tötung beigewohnt, und dessen genaue Anschrift angegeben ist. Und<br />
nur Eugen Kogon hat seine Erklärungen benutzt. Da die historische und moralische Bedeutung der Benutzung von<br />
Gaskammern als Abwehrmaßnahme feststeht, hätte man vielleicht Vorkehrungen treffen können 17 ), die der Öffentlichkeit die<br />
Möglichkeit geboten hätten, auf andere Weise als durch Zwischenträger seine Aussage kennenzulernen, wobei man sie in<br />
etwas größerem Umfange als dem eines eingeschalteten Zwischensatzes zu einer Gesamtaussage hätte ausdehnen können.<br />
Ein Unternehmen, das in allen Lagern regelmäßig wiederkehrend unter dem Namen "Auslese" durchgeführt wurde, hat in<br />
der Öffentlichkeit nicht wenig zur Verbreitung einer Meinung beigetragen, die in bezug auf die Zahl der Gaskammern und<br />
ihrer Opfer sich schließlich bei ihr durchgesetzt hat.<br />
-189-<br />
17) Durch einen eigentümlichen Zufall befindet er sich in der Ostzone!....<br />
Eines schönen Tages erhielten die Sanitätsdienststellen des Lagers den Befehl, die Liste aller Kranken, die für relativ<br />
längere Zeit oder dauernd arbeitsunfähig galten, aufzustellen und diese in einem besonderen Block zusammenzulegen. Dann<br />
kamen Lastwagen — oder eine Reihe von Waggons —, man verlud sie, und sie fuhren zu einer unbekannten Bestimmung<br />
weg. Im Konzentrationslager ging alsdann das Gerücht, sie seien geradewegs in die Gaskammern geschickt worden, und in<br />
einer Art grausamen Spottes nannte man die bei diesen Gelegenheiten erfolgten Zusammenlegungen<br />
"Himmelskommandos", was bedeuten sollte, sie seien aus Leuten zusammengesetzt, die zum Himmel geschickt werden<br />
sollten. Natürlich versuchten alle Kranken, dem zu entgehen.<br />
Ich habe gesehen, daß in Dora zwei oder drei solcher "Auslesen" vorgenommen wurden: einer von ihnen bin ich selbst<br />
gerade noch entgangen. Dora war ein kleines Lager. Wenn die Zahl der arbeitsuntauglichen Kranken dort stets größer war,<br />
als die zu ihrer Behandlung zur Verfügung stehenden Mittel, so erreichte sie nur bei sehr seltenen Gelegenheiten solche<br />
Ausmaße, daß die Arbeit gehemmt oder die Verwaltung zu sehr abgelenkt wurde.<br />
In Birkenau, von dem David Rousset in dem Auszug spricht, der Gegenstand dieser Richtigstellung ist, verhielt es sich<br />
anders. Das Lager war sehr groß: ein menschlicher Ameisenhaufen. Die Zahl der Arbeitsunfähigen war beträchtlich. Über die<br />
"Auslesen" wurde im Gegensatz zu Dora, wo sie auf dem bürokratischen Weg und über die Sanitätsdienststellen stattfanden,<br />
erst dann entschieden, wenn die Lastwagen oder Eisenbahnwaggons ankamen. Sie fanden so oft statt, daß sie sich beinahe<br />
jede Woche wiederholten, und wurden nach dem Aussehen vorgenommen. Zwischen der SS und der Bürokratie des<br />
Konzentrationslagers einerseits und der Masse der Häftlinge andererseits, die ihr zu entgehen suchte, konnte man also<br />
richtige Szenen einer Menschenjagd in einer Atmosphäre allgemeiner Verwirrung miterleben. Nach jeder "Auslese" hatten<br />
die Zurückgebliebenen das Gefühl, der Gaskammer einstweilen entronnen zu sein.<br />
Aber nichts beweist unwiderlegbar, daß die gesamten Arbeitsunfähigen oder die als solche Bezeichneten, ob sie nun nach<br />
dem Verfahren in Dora oder dem von Birkenau ausgehoben wurden, in die Gaskammern geschickt wurden. Hierzu möchte<br />
ich ein persönliches Erlebnis berichten. Bei der Durchführung jener "Auslese", der ich in Dora entgehen konnte, hatte einer<br />
meiner Kameraden nicht das gleiche Glück wie ich. Ich sah ihn mitgehen und bedauerte ihn. Im Jahre 1946 glaubte ich<br />
immer noch, er sei mit dem gesamten Transport, an dem er teilnahm, den Erstickungstod gestorben. Im September<br />
desselben Jahres aber trat er zu meinem Erstaunen bei mir ein, um mich zu einer offiziellen Veranstal-<br />
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tung, deren Zweck mir nicht mehr in Erinnerung ist, einzuladen. Als ich ihm sagte, welche Gedanken ich mir über sein Los<br />
gemacht hatte, erzählte er mir, der betreffende Transport sei nicht nach einer Gaskammer, sondern nach Bergen-Belsen<br />
geleitet worden, dessen besondere Aufgabe anscheinend darin bestand, die Verschickten aller Lager zur Genesung 18 )