DIE LÜGE DES ODYSSEUS
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in jedem Konzentrationslager mit einem ungewöhnlichen Einfluß auf die Gesamtlagerverhältnisse<br />
verbunden. Sie wurde daher auch von seifen der Häftlinge 18 ) nie mit einer F a c h k r a f t besetzt,<br />
selbst als dies vielerorts möglich gewesen wäre,<br />
17) David Rousset hat ebenso einen Erlaß des Dritten Reiches über den Schutz der Frösche erwähnt und dessen Inhalt dem unvorstellbaren<br />
Regime, das den Insassen der Konzentrationslager auferlegt war, gegenübergestellt. Muß hier festgestellt werden, daß auch das republikanische<br />
Frankreich ganze Sammlungen von Erlassen besitzt, die den der Schutz der Frösche, der Fische usw. . . . regelten und jedes Jahr von allen<br />
Präfekturen in allen Wiederholungen veröffentlicht wurden? Und welch glückliche Wirkungen man mit der Feder erzielen könnte, wenn man<br />
sie denjenigen gegenüberstellen würde, die die unglücklichen Kinder oder das Los der Kolonialvölker oder gar das Wesen des Strafvollzuges<br />
betreffen?<br />
18) Diese Verallgemeinerung ist eine Irreführung: es handelt sich nur um solche, die von ihren Chefs mit Hilfe der Gewalt improvisiert wurden,<br />
die ihnen die SS übertragen hatte.<br />
ondern immer mit einer Person, die der einwandfreie Vertreter der im Lager herrschenden Schicht<br />
war. Als zum Beispiel im November 1941 Kapo Krämer und sein nächster Mitarbeiter Peix von der<br />
SS erschossen wurden, ging die Leitung des Häftlingskrankenbaues bald darauf nicht etwa in die<br />
Hand eines Arztes über, sie wurde vielmehr dem früheren kommunistischen<br />
Reichstagsabgeordneten Ernst Busse übertragen, der sich mit seinem Stellvertreter Otto Kipp aus<br />
Dresden auf die rein organisatorische und personelle Seite des mehr und mehr anwachsenden<br />
Revierbetriebes beschränkte 19 ) und viel zur weiteren Konsolidierung der Verhältnisse beigetragen<br />
hat. Ein Fachmann an der Spitze des Krankenbaues hätte unweigerlich zu einer Katastrophe<br />
geführt, da er unmöglich den weitreichenden, an allen Ecken und Enden spielenden Intrigen mit<br />
oftmals tödlichem Ausgang hätte gewachsen sein können." (Seite 135.)<br />
Man schaudert bei dem Gedanken, daß der Verfasser keine Miene verzieht, wenn er ein solches Urteil von sich gibt und in<br />
der Öffentlichkeit verbreitet, ohne unwiderstehliche Bewegungen entrüsteter Proteste hervorzurufen. Um alles hierin liegende<br />
Entsetzliche zu erfassen, muß man wissen, daß der Kapo seinerseits seine Mitarbeiter nach Gesichtspunkten auswählte, die<br />
ebenfalls mit fachlicher Tätigkeit nichts zu tun hatten. Und sich vorstellen, daß diese sogenannten "Häftlingsführer", die<br />
Tausende von Unglücklichen Krankheiten aussetzten, indem sie sie schlugen und ihnen die Verpflegung stahlen, sie am<br />
Ende dann von Leuten pflegen ließen, die völlig ungeeignet waren, ohne daß die SS sie hierzu genötigt hätte.<br />
Das Drama begann an der Türe zum Revier:<br />
"War der Kranke schließlich angelangt, so mußte er zuerst in einer langen Reihe im Freien bei<br />
jeder Witterung mit blankgewaschenen Schuhen anstehen. Da es einfach nicht möglich war, alle<br />
Kranken zu behandeln, und da sich außerdem immer wieder Häftlinge unter sie mischten, die nur<br />
das an sich begreifliche Bedürfnis hatten, sich vor der Arbeit zu drücken, nahm ein robuster<br />
Häftlingspförtner die erste radikale Krankenauslese vor." (Seite 130.)<br />
Der Kapo, der nur ausgewählt wurde, weil er Kommunist war, wählte als Schreiber nicht etwa einen Häftling, der fähig<br />
gewesen wäre, Kranke von Nichtkranken zu unterscheiden, sondern einen Häftling, der kräftig war und mit wuchtigen<br />
Schlägen amtieren konnte. Unnütz zu sagen, daß er dies wegen der zusätzlichen Suppen tat. Die Gründe, welche bei<br />
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19) Alle Buchenwalder Häftlinge können bezeugen, daß Seine An Sicht in Sanitären und MEDIZINISCHEN Dingen vorherrSchend war.<br />
der Auswahl den Ausschlag gaben, entsprangen, wenn sie nicht gleicher Natur waren, doch derselben edlen Einstellung.<br />
Wenn später in den Krankenstuben der Lager Ärzte vorhanden waren, dann nur, weil die SS sie eingesetzt hatte. Wenn es<br />
dazu aber kommen sollte, mußten sie schon beim Eintreffen der Transporte aus der Masse ausgesondert werden. Ich<br />
übergehe die Demütigungen, wenn nicht gar Vergeltungsmaßnahmen, deren Opfer diese Ärzte jedesmal dann wurden, wenn<br />
sie die Gebote des Berufsgewissens den Forderungen der Politik entgegenstellten.<br />
Eugen Kogon sieht in diesem Verfahren Vorteile: der Kapo Krämer war "ein bemerkenswerter Spezialist für<br />
Wundbehandlungen und Operationen" geworden, und fügt hinzu: