DIE LÜGE DES ODYSSEUS
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H a u s d e r D u l d u n g<br />
"Das Lagerbordell wurde mit dem keuschen Namen "Sonderbau" benannt. .. Die Besuchszeit<br />
betrug für Leute ohne Beziehungen zwanzig Minuten . . . Von seiten der SS war der Zweck der<br />
Übung, die politischen Häftlinge zu korrumpieren ... Im Lager Buchenwald war die interne<br />
Weisung durchgegeben worden, die Einrichtung nicht zu benutzen ... Im großen und ganzen haben<br />
die Politischen die Linie eingehalten, so daß die Absicht der SS vereitelt wurde." (Seite 170—171.)<br />
Wie zum Kino hatten auch zum Bordell nur die Leute von der Häftlingsführung Zutritt, übrigens auch die einzigen, die in<br />
einem Zustand waren, in ihm Ersprießliches vorzufinden. Niemand hat sich je darüber beklagt und alle Diskussionen, die<br />
sich über diese Einrichtung entspinnen könnten, sind von keinerlei Interesse. Ich wollte jedoch auf folgendes aufmerksam<br />
machen:<br />
"Haltlose Gefangene, auch genug Politische, haben zuerst durch Homosexualität, dann, nach<br />
Ankunft der Jugendlichen, durch Päderastie scheußliche Verhältnisse geschaffen." (Seite .236.)<br />
Meine Meinung ist, daß die fraglichen Politischen besser getan hätten, ins Bordell zu gehen, da man ihnen die Möglichkeit<br />
dazu bot. Die Logik,<br />
die darin besteht, sie zu loben, weil sie das Angebotene unter dem Vorwand ausgeschlagen hätten, sich nicht korrumpieren<br />
zu lassen (!...), wird von dem Augenblick an zu einer ungeheuren Heuchelei, in welchem sie die Verführung von<br />
Jugendlichen zuläßt. Ich füge hinzu, daß die SS das Bordell gerade vorgezogen hatte, weil sie jede Entschuldigung oder<br />
Rechtfertigung dieser Verführung unmöglich machen wollte.<br />
Bespitzelung<br />
"(Die SS-Lagerführungen) suchten sich daher durch Spitzel Kenntnis von den inneren Vorgängen<br />
im Lager ... zu verschaffen . . . Erfolg hatte die SS nur mit Spitzeln aus dem Lager selbst: BVern 21 ),<br />
Asozialen und auch Politischen." (Seite 276.) "Daß sich die Gestapo aus den Lagern<br />
Schutzhäftlinge holte, um sie als Spitzel und Vertrauensleute zu gebrauchen, kam nur selten vor . . .<br />
offenbar hat die Gestapo mit ihren Versuchen so schlechte Erfahrungen gemacht, daß sie das<br />
Mittel, glücklicherweise, nur äußerst selten anwandte." (Seite 255.)<br />
Es erscheint recht überraschend, daß ein Verfahren, das bei Anwendung durch die SS zu Ergebnissen führte, im Dienst der<br />
Gestapo zum Fehlschlag werden konnte. Und dennoch ist es richtig, daß die Gestapo nur ausnahmsweise zu diesem Mittel<br />
griff: sie brauchte es nicht. Jeder Lagerinsasse, der irgendein Stückchen Macht oder eine Beschäftigung durch Gunst erhalten<br />
hatte, war mehr oder weniger ein Spitzel, der die SS unmittelbar oder durch Mittelspersonen unterrichtete: wenn die<br />
Gestapo etwas wissen wollte, brauchte sie nur bei der SS anzufragen . . .<br />
Unter der Lupe besehen waren die Konzentrationslager mit einem ausgedehnten Netz von Spitzeln überzogen. In der Masse<br />
waren es die kleinen, die gewohnheitsmäßigen Zuträger, die die Leute der Häftlingsführung aus angeborener Unterwürfigkeit<br />
für eine Suppe, ein Stück Brot, ein Scheibchen Margarine usw. . . . oder gar unbewußt unterrichteten. So groß ihre<br />
Missetaten auch waren, sie sind — aus Mangel an Geschichtsschreibern — noch nicht in die Geschichte eingegangen. Über<br />
ihnen stehend aber hat, wenn es nötig war, die ganze Häftlingsführung die Masse für die SS bespitzelt. schließlich war die<br />
Häftlingsführung aus Leuten zusammengesetzt, die sich gegenseitig bespitzelten.<br />
Unter diesen Bedingungen nahm die Angeberei oft eigentümliche Formen an:<br />
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"Wolff (ein ehemaliger SS-Angehöriger, Homosexueller und Lagerältester 1942) schickte sich an,<br />
auf Rechnung seiner polnischen Freunde (er war Liebhaber eines Polen) andere Kameraden zu<br />
21) BVer - Häftlings mit befristeter Vorbeugungshaft.