DIE LÜGE DES ODYSSEUS
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seiner Zeit mit gefolterten und verbrannten Körpern zu verleben. Der Schrecken zerbricht die<br />
Nerven so entscheidend, daß die Todesängste alle Demütigungen und Verrätereien durchmachen.<br />
Und wenn sich die Türen der Gaskammern unvermeidlich schließen, dann stürzen alle nieder,<br />
zerdrücken sich in dem Wahn, noch zu leben, so sehr, daß die auf den Schienen unentwirrbar<br />
durcheinanderliegenden Haufen von Leichen beim öffnen der Türen einstürzen," (Seite 51.)<br />
In einem Gesamtbild wie es "Die Tage unseres Sterbens" darstellt, das in der Form eines Romans gehalten und überdies<br />
noch mit Hilfe von Mitteln wiederhergestellt worden ist, deren Naivität der Verfasser selbst, wenngleich unbewußt, zugibt<br />
(vgl. unter dessen Seiten 235—254), würde diese Stelle keinen Anstoß erregen. In "Die Welt der Konzentrationslager", die<br />
in so vielseitiger Weise den Charakter eines Erlebnisberichtes trägt, scheint sie fehl am Platze zu sein. David Rousset hat<br />
nämlich niemals dieser Todesart zugesehen, die er ebenso genau wie ergreifend schildert.<br />
Es ist noch verfrüht, um ein endgültiges Urteil über die Gaskammern abzugeben: Dokumente sind selten, und die<br />
vorhandenen ungenauen, unvollständigen oder verstümmelten sind nicht unverdächtig. Ich meinerseits bin überzeugt, daß<br />
eine ernsthafte Prüfung der Frage mit dem Material, das man zweifellos noch auffinden wird, sobald bei den Forschungen<br />
die Ehrlichkeit an erster Stelle steht, neue Horizonte über sie öffnen wird. Dann wird man über die Zahl von Leuten erstaunt<br />
sein, die von ihnen gesprochen, und mit welchen Worten sie dies getan haben.<br />
Von allen Zeugen ist Eugen Kogon derjenige, welcher sich am eingehendsten mit der Angelegenheit befaßt hat, und dessen<br />
Aussage nach<br />
-l86-<br />
12) Das für das Krematorium bestimmte besondere Kommando.<br />
meiner Ansicht von größtem Interesse ist. In seinem schon erwähnten Werk "Die organisierte Hölle" schreibt er:<br />
"Die wenigsten Konzentrationslager hatten eigene Vergasungsanlagen." (Seite 166.)<br />
Und dann fährt er in der Beschreibung des Vorgehens fort 13 ):<br />
"Im Jahre 1941 schickte Berlin an alle Lager die ersten Befehle14) zur Zusammenstellung von<br />
Sondertransporten zwecks Vernichtung durch Gas. Man suchte in erster Linie Kriminelle,<br />
Sittlichkeitverbrecher und gewisse Politiker aus, die der SS nicht paßten. Diese Transporte gingen<br />
mit unbekanntem Ziel ab. Im Falle von Buchenwald kamen am nächsten Tage schon die Kleider<br />
einschließlich der Tascheninhalte, die Gebisse usw. . . . zurück. Durch einen Unteroffizier 15 ) der<br />
Begleitung erfuhr man, daß diese Transporte in Pirna und Hohenstein angekommen waren, und<br />
daß die in ihnen befindlichen Männer Versuchen mit einem neuen Gas unterzogen wurden und<br />
gestorben waren . . .<br />
Im Laufe des Winters 1942—1943 hatte man alle Juden auf Arbeitsfähigkeit untersucht. Anstelle<br />
der vorerwähnten Transporte waren es nun die arbeitsunfähigen Juden, die in vier Gruppen zu 90<br />
Mann denselben Weg gingen, aber in Bernburg bei Köthen landeten. Der Chefarzt der Heil- und<br />
Pflegeanstalt, ein gewisser Doktor Eberl, war das willfährigere Instrument der SS. In den Akten<br />
der SS trug die Aktion die Bezeichnung «14 F 13-»16). Sie scheint gleichzeitig mit der Vernichtung<br />
aller Kranken der Heil- und Pflegeanstalten geführt worden zu sein, die nach und nach in<br />
Deutschland unter dem Nationalsozialismus allgemein wurde," (Seiten 225, 226.)<br />
Nachdem Eugen Kogon die Tatsache in einer Form bestätigt hat, die über die Befehle zur Benutzung der Gaskammern<br />
Zweifel aufkommen läßt, besonders insofern, als sie nur Bezug auf Dokumente nimmt, bei denen man sich fragen kann, ob<br />
sie bestehen, zitiert er jedoch zwei andere, die ihm durchschlagskräftiger erschienen sein mögen:<br />
"Einige erhaltengebliebene Briefe geben ein Bild von dem Betrieb, der dort herrschte:<br />
13) Das hier folgende Zitat aus "Die organisierte Hölle", Seite 225—226, befindet sich in dieser Fassung nicht in der fünften deutschen Auflage<br />
von "Der SS-Staat".