28.10.2014 Aufrufe

DIE LÜGE DES ODYSSEUS

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

denunzieren. In einem Falle war er so unklug, Drohungen auszusprechen. Ein deutscher<br />

Kommunist aus Magdeburg sollte entlassen werden, was Wolff wußte. Seine Erklärung, er werde<br />

die Freilassung durch eine Meldung wegen politischer Tätigkeit im Lager zu verhindern wissen,<br />

wurde mit der Gegendrohung beantwortet, dann müsse die SS unterrichtet werden, daß Wolff<br />

Päderastie betreibe. schließlich spitzten sich die Gegensätze derart zu, daß die illegale Lagerleitung<br />

selbst der Tätigkeit der polnischen Faschisten zuvorkam, indem sie diese der SS auslieferte." (Seite<br />

280.)<br />

Mit anderen Worten, die Denunzierung, die eine Gemeinheit war, wenn sie von den Grünen ausging, wurde zur Tugend,<br />

wenn sie vorbeugenderweise von den Roten begangen wurde. Wie glücklich sind die Roten, die sich aus der Affäre ziehen<br />

können, weil sie ihren Opfern das Schildchen "Faschist" an die Stirn heften können!<br />

Aber hier noch besser:<br />

-226-<br />

"In Buchenwald ereignete sich 1941 der berühmteste und berüchtigste Fall freiwilliger<br />

Denunziationsarbeit 22 ), als der weißrussische Emigrant Gregorij Kushnir-Kushnarew, angeblich<br />

früherer General, nachdem er sich monatelang systematisch in das Vertrauen weiter Kreise<br />

eingeschlichen hatte, damit begann, Kameraden jeder Art, besonders aber russische<br />

Kriegsgefangene, der SS ans Messer zu liefern. Dieser Gestapoagent, der mehrere hundert<br />

Häftlinge zu Tode gebracht hat, scheute auch nicht davor zurück, jedermann in der gemeinsten<br />

Weise 23 ) zu denunzieren, mit dem er einmal irgendeinen, wenn auch gänzlich nebensächlichen Streit<br />

gehabt hatte . . . Ihn einmal allein zu überraschen, so daß er etwa hätte erschlagen werden können,<br />

war lange Zeit nicht möglich, da ihm die SS ihren besonderen Schutz angedeihen ließ. sie mache ihn<br />

am Ende zum tatsächlichen Leiter der Häftlingsschreibstube. In dieser Stellung brachte er im Lager<br />

nicht nur alle zu Fall, die ihm gerade nicht paßten, sondern behinderte in vielem die positive<br />

Ausnutzung der Einrichtungen der Häftlingsselbstverwaltung. In den ersten Tagen des Jahres 1942<br />

fühlte er sich endlich, einmal krank; er war unklug genug, sich zum Häftlingskrankenbau zu<br />

begeben. Damit lieferte er sich seinen Gegnern selbst aus. Mit Erlaubnis -<br />

22) Nach dieser Philosophie ist zweifelsohne auch eine . . . unfreiwillige Denunziation statthaft. Wie man sieht, fehlt es nicht an Hintertüren.<br />

23) Denn es gibt noch Formen der Denunziation, die es weniger sind, oder die es offenbar! — gar nicht sind.<br />

des Lagerarztes Dr. H o v e n, der in dieser Sache längst bearbeitet war und auf der Seite der<br />

führenden Häftlingsfunktionäre des Lagers stand, wurde Kushnir sofort für infektionskrank<br />

erklärt, isoliert und bald darauf durch Giftinjektion getötet." (Seite 276.)<br />

Der vorbenannte Gregorij Kushnir-Kushnarew war wahrscheinlich an allem schuld, was man ihm vorwirft, aber alle, die die<br />

Stufen der Konzentrationslager-Hierarchie erklommen und denselben Posten vor oder nach ihm besetzt hatten, haben sich<br />

genau so benommen und ihr Gewissen mit denselben Verbrechen belastet. Dieser Mann hatte die Billigung Eugen Kogons<br />

nicht. Wie dem auch sei, es ist schwer, anzunehmen, daß die SS in der Person des Dr. Hoven unentgeltlich einen so<br />

aktiven Anteil an seiner Beseitigung haben soll.<br />

Eugen Kogon fügt noch hinzu:<br />

"Ich erinnere mich noch, welch erleichtertes Aufatmen durch das ganze Lager ging, als sich mit<br />

Blitzeseile die Nachricht verbreitete, um 17.10 Uhr sei Kushnir-Kushnarew im Revier gestorben."<br />

Die Clique, zu welcher der Zeuge gehörte, hat bestimmt einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, und das ist<br />

begreiflich, denn dieser Tod bedeutete für sie den freien Weg zur Macht. Durch das übrige Lager aber ging ein Seufzer der<br />

Befriedigung, wenn irgendein einflußreiches Mitglied der Häftlingsführung hingerichtet und dessen Tod jedesmal mit

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!