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DIE LÜGE DES ODYSSEUS

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"... Die antifaschistischen Elemente, das heißt an erster stelle die Kommunisten . . ." (Seite 286)<br />

usw...., und folglich auch für die Konzentrationslager-Bürokratie, weil nur solche Menschen, die sich als Kommunisten<br />

bezeichneten, allein beanspruchen konnten, in sie einzutreten und in ihr zu bleiben. In gewissem Umfange plädiert er auch<br />

für sich, und ich bezweifle sehr, ob nicht auch der am wenigsten gewarnte Leser, nachdem er das Buch wieder geschlossen<br />

hat, die von ihm angeratene Methode auf ihn selbst anwendet:<br />

welche Funktion hast du ausgeübt?<br />

Hier die Folgerung aus allem:<br />

"Berichte aus den Konzentrationslagern erwecken in der Regel höchstens Staunen oder<br />

ungläubiges Kopfschütteln; sie werden kaum zu einer Sache des Verstandes, geschweige denn zum<br />

Gegenstand aufwühlenden Empfindens." (Seite 347.)<br />

Natürlich, aber wer ist daran schuld? Im Taumel der Befreiung hat die öffentliche Meinung, die sich in einem während<br />

langer Besatzungsjahre angehäuften Rachegefühl Luft machte, alles gut befunden. Als die sozialen Verhältnisse sich<br />

schrittweise normalisierten und die Atmosphäre wieder gesünder wurde, ist es immer schwieriger geworden, sie zu zügeln.<br />

Heute erscheinen ihr alle Berichte aus den Konzentrationslagern viel mehr als Rechtfertigungen, denn als Zeugenaussagen.<br />

Die öffentliche Meinung fragt sich, wieso sie in diese Falle gehen konnte, und wird in kurzer Zeit jedermann auf die<br />

Anklagebank bringen.<br />

N o t a b e n e<br />

Mit Stillschweigen habe ich eine bestimmte Zahl von unwahrscheinlichen Geschichten und alle stilistischen Kunstgriffe<br />

übergangen.<br />

Unter die ersteren ist der größte Teil von dem einzureihen, was das Abhören ausländischer Rundfunkstationen betrifft: ich<br />

habe nie geglaubt, daß es möglich wäre, einen geheimen Empfangsapparat innerhalb des Konzentrationslagers zu bauen und<br />

zu betreiben! Wenn die Stimme Amerikas, Englands oder des Freien Frankreich manchmal hereindrangen, so lag das daran,<br />

daß es mit Zustimmung der SS geschah, und nur eine ganz kleine Zahl bevorrechtigter Häftlinge konnte unter<br />

Verhältnissen, die ausschließlich einem Zufall zuzuschreiben sind, davon einen Nutzen haben. So ist es mir persönlich in<br />

Dora während der kurzen Zeit ergangen, in der mir die vornehme Aufgabe eines Schwungs (Ordonnanz) bei dem<br />

Oberscharführer, dem Führer der Hundestaffel, übertragen war.<br />

-232-<br />

Meine Aufgabe bestand darin, einen ganzen Block für SS-Angehörige mehr oder weniger hohen Dienstranges sauber zu<br />

halten, ihre Stiefel zu wichsen, ihre Betten zu machen, ihre Kochgeschirre zu reinigen usw. . . . alles Dinge, die ich in der<br />

bescheidensten und gewissenhaftesten Weise verrichtete. In jeder Stube dieses Blocks stand ein Radioapparat. Um keinen<br />

Preis der Welt hätte ich mir erlaubt, den Knopf zu drehen, selbst wenn ich sicher war, vollkommen allein zu sein. Um 8<br />

Uhr morgens dagegen, wenn alle seine Untergebenen zur Arbeit gegangen waren, rief mich mein Oberscharführer zwei- oder<br />

dreimal in sein Zimmer, um den Empfänger auf die Sendung des B.B.C. in französischer Sprache einzuschalten und bat<br />

mich dann, ihm das zu übersetzen, was ich heimlich hörte.<br />

Am Abend, nach meiner Rückkehr ins Lager, teilte ich es dann mit leiser Stimme meinen Freunden Delarbre (Belfort) und<br />

Bourget (Le Creusot) mit und empfahl ihnen sehr, es entweder für sich zu behalten oder nur ganz sicheren Kameraden<br />

weiterzugeben, und selbst dann noch in einer ausreichend einstudierten Form, um kein Aufsehen zu erregen und keine<br />

Möglichkeit zu bieten, der Quelle nachzugehen.<br />

Es ist uns nichts geschehen 25 ). In derselben Zeit spielte sich im Lager eine Affäre wegen Abhörens ausländischer Sender ab,<br />

in die, glaube ich, Debeaumarche verwickelt war. Ich habe nie genau erfahren, worum es sich handelte: ein Mitglied dieser<br />

Gruppe hatte mich eines Tages angehalten und mir erzählt, im Lager sei ein Geheimempfänger, eine politische Bewegung<br />

erhalte über ihn Befehle der Engländer usw. . ..; und hatte seine Erzählungen damit bekräftigt, daß er mir Nachrichten<br />

mitteilte, die ich am gleichen Morgen oder am Abend vorher bei meinem Oberscharführer gehört hatte. Ich hatte meine<br />

Zweifel in solchen Worten geäußert, daß er mich nur noch als einen Mann ansah, demgegenüber man mißtrauisch sein<br />

müsse. Das war mein Glück: einige Tage später fanden im Lager Massenverhaftungen statt, darunter auch der Betreffende,<br />

Debeaumarche selbst. Alles endete dann damit, daß einige aufgehängt wurden. Wahrscheinlich handelte es sich ursprünglich<br />

um einen Häftling mit ähnlicher Beschäftigung wie ich, der allzuviel geredet hatte, und dessen Reden über einen Spitzel der<br />

Häftlingsführung bis zum Sicherheitsdienst der SS gelangt waren.

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