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DIE LÜGE DES ODYSSEUS

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Ich entscheide mit für den zweiten: die Einteilung der Lager in Konzentrationslager, Arbeitslager und Straflager war zur Zeit<br />

der Kriegs-<br />

-179-<br />

7) In der deutschen Sprache wurden die Lager Schutzhaftlager genannt, d. h. Lager zu schützender Häftlinge (gegen die Wut des Volkes).<br />

8) "Die organisierte Hölle" ist der Titel der französischen Ausgabe von Kogons Buch; "Der SS-STAAT".<br />

erklärung eine vollendete Tatsache. Das Internierungsunternehmen vollzog sich vor und während des Krieges in zwei<br />

Zeitabschnitten: man legte die Eingezogenen in einem für die Arbeit vorgesehenen oder organisierten Lager zusammen, das<br />

dazu noch die Rolle einer Auslesestelle spielte; von dort leitete man sie je nach den Erfordernissen der Arbeit nach den<br />

anderen. Es gab noch einen dritten Zeitabschnitt für die im Laufe der Internierung begangenen Delikte: die Versendung als<br />

Strafe in ein Lager, das noch im allgemeinen Aufbau begriffen war und als Straflager angesehen wurde, das aber im<br />

Augenblick seiner Vollendung von selbst zu einem ordentlichen Lager wurde.<br />

Ich möchte noch hinzufügen, daß nach meiner Ansicht die Arbeit immer vorgesehen war. Dies gehört zur internationalen<br />

Gesetzgebung über Strafvollzug: in allen Ländern der Erde läßt der Staat alle, die er gefangensetzt — von einigen<br />

Ausnahmen abgesehen (politisches Regime in den demokratischen Nationen, ehrenhalber Verschickte in den diktatorischen<br />

Regimes) — ihren Lebensunterhalt verdienen und für die Vergünstigungen schwitzen. Das Gegenteil wäre nicht zu<br />

verstehen: eine Gesellschaft, die sich mit Menschen belastet, die ihre Gesetze übertreten und sie in ihren Grundlagen<br />

untergraben, ist ein Nonsens. Allein die Arbeitsbedingungen sind unterschiedlich, je nachdem man in Freiheit lebt oder<br />

interniert ist — und auch die freie Zeit, um die Vergünstigungen zu verwirklichen.<br />

Für Deutschland hat sich der Sonderfall ergeben, daß es die Lager vom ersten bis zum letzten aufbauen mußte, und daß<br />

überdies der Krieg dazugekommen ist. Während der ganzen Aufbauperiode konnte man glauben, ihr Zweck sei einzig und<br />

allein die Herbeiführung des Todes: während des Krieges hat man dies beibehalten und, wie man wohl glauben darf, auch<br />

hinterher. Der Betrug ist um so weniger aufzudecken, als die Aufbauperiode niemals zu Ende ging, da der Krieg eine stets<br />

wachsende Zahl von Lagern nötig gemacht hat und diese beiden Umstände, die sich in ihren Auswirkungen überlagerten,<br />

ermöglichten, den Irrtum mit anscheinend gutem Vorbedacht aufrechtzuerhalten.<br />

Die Häftlingsführung.<br />

Es ist bekannt, daß die SS den Häftlingen die Leitung und Verwaltung der Lager übertragen hat. Es gibt also Kapos<br />

(Kommandoführer), Blockälteste (Blockchefs), Lagerschutz (Polizisten), Lagerälteste usw. . . ., eine ganze<br />

Konzentrationslager-Bürokratie, die in Wirklichkeit die Autorität im Lager ausübt. Dies ist ein Brauch, der bis heute noch<br />

im Strafvollzug aller Länder der Welt besteht. Wenn die Häftlinge, welchen diese Posten zufallen, nur den leisesten<br />

Gemeinschaftsbegriff, den geringsten Klassengeist besäßen, würde sich diese Maßnahme überall als Straferleichte-<br />

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rungsfaktor für alle auswirken. Leider besteht davon nicht das mindeste: überall, wo der Häftling den ihm anvertrauten<br />

Posten übernimmt, ändert sich seine innere Einstellung und Zugehörigkeit. Diese Erscheinung ist zu bekannt, um<br />

besonders betont, und zu allgemein verbreitet, um einzig und allein den Deutschen oder den Nazis zugeschrieben werden zu<br />

können. Jedenfalls ist es ein Irrtum, wenn David Rousset glaubt oder anderen einreden will, es könnte in einem<br />

Konzentrationslager anders sein, und es sei dort auch tatsächlich anders gewesen — die politischen Häftlinge seien eine<br />

höhere Schicht in der Gemeinschaft der Männer gewesen und die Gebote, denen sie gehorchten, seien edler gewesen als die<br />

Gesetze des persönlichen Lebenskampfes.<br />

Dies veranlaßt ihn zu der Behauptung, die Bürokratie der Konzentrationslager hätte das Verdienst gehabt, weitestgehend die<br />

Qualität gerettet zu haben, da sie die Masse nicht retten konnte:<br />

"Durch enges Zusammenarbeiten mit einem Kapo konnte man sogar in der Hölle weitaus bessere<br />

Lebensbedingungen schaffen." (Seite 166 als Hinweis.)<br />

Aber er sagt nicht, wie man zu dieser engen Zusammenarbeit mit einem Kapo gelangen konnte. Auch nicht, daß diese<br />

Zusammenarbeit immer nur im Ausnahmefall, nämlich wenn dieser Kapo Politischer war, das Stadium persönlicher<br />

Beziehungen des Patriziers zum Plebejer überschritt. Und sagt ferner nicht, daß sie demzufolge nur einer winzigen Zahl von<br />

Häftlingen zugute kommen konnte.<br />

Alles ist miteinander verkettet:

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