28.10.2014 Aufrufe

DIE LÜGE DES ODYSSEUS

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

estätigt hatte: er war 1937 in die UdSSR gereist. 1945 befand er sich natürlich wieder auf der Seite der Kommunisten in<br />

dem berühmten "comite national des ecrivains" (dem Nationalausschuß der Schriftsteller) und unter den wütendsten<br />

Verfolgern.<br />

Zweifelsohne mußte er Vergebung für das zu erreichen suchen, was sich zwischen diesen beiden Daten zugetragen hatte.<br />

Denn heute steht Martin-Chauffier -- wie auch Eugen Kogon und David Rousset -- in kühlem Verhältnis (oder tut so, als<br />

stehe er in kühlem Verhältnis) zu den Kommunisten, deren Spiel er getrieben hat und weiterhin treibt.<br />

Für wie lange?<br />

* * *<br />

KAPITEL IV<br />

Die Psychologen<br />

David Rousset und die Welt der Konzentrationslager.<br />

Von allen Zeugen erreicht keiner diese Geschicklichkeit, diese beschwörende Kraft und diese Genauigkeit in der<br />

Wiederherstellung der allgemeinen Atmosphäre in den Lagern, als deren größter Tenorist er auf weltweiter Ebene anerkannt<br />

ist. Aber keiner hat auch seiner Darstellung eine mehr oder minder romanhafte Form gegeben.<br />

Die Geschichte wird seinen Namen festhalten: ich befürchte hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Literat. Auf<br />

geschichtlichem Boden hat — offen gesagt — die Umhüllung das Erzeugnis annehmbar gemacht. Er hat es übrigens geahnt<br />

und Vorsorge getroffen indem er schrieb:<br />

"Es hat sich herausgestellt, daß ich über bestimmte Geschehnisse so berichtet habe, wie sie in<br />

Buchenwald bekannt waren und nicht, wie sie später veröffentlichte Dokumente darstellen . . .<br />

Widerspreche in den Einzelheiten bestehen vor allem nicht nur zwischen den Aussagen, sondern<br />

auch zwischen den Dokumenten. Die meisten der bis heute veröffentlichten Niederschriften<br />

erstrecken sich nur auf ganz äußerliche Aspekte des Lagerlebens oder sind Entschuldigungen, die<br />

mit Anspielungen zu Werke gehen und mehr die Bestätigung von Grundsätzen als eine Sammlung<br />

von Tatsachen sind. Solche Dokumente sind aber nur unter der Bedingung wertvoll, daß sie schon<br />

genau das kennen, von dem sie sprechen: dann ermöglichen sie oft, ein noch unbemerktes<br />

Bindeglied zu finden. Ich habe mich besonders bemüht, die Beziehungen zwischen den Gruppen in<br />

ihrem wahren Zustand und ihrer Dynamik wiederzugeben." ("Les jours de notre mort" = "Die<br />

Tage unseres Sterbens", Anhang, Seite 764.)<br />

Diese Logik hat ihm ermöglicht, diejenigen Dokumente völlig oder fast völlig unbeachtet zu lassen, welche die Lager des<br />

Ostens betreffen, und unter Berufung auf die Tatsache, daß sie sowohl selten wie dürftig sind, zu erklären:<br />

-175-<br />

-174-<br />

"Der Rückgriff auf unmittelbare Aussagen ist die einzig ernsthafte Methode der Forschung."<br />

(Ebenda.)<br />

und dann unter diesen unmittelbaren Aussagen diejenigen auszusuchen, die seinem augenblicklichen Standpunkt am besten<br />

dienten.<br />

"Unter diesen Umständen handelte es sich", so räumt er ein, "um einen beherzten — vielleicht<br />

könnte man sagen gewagten — Versuch, ein Gesamtbild der Welt der Konzentrationslager<br />

anzustreben." (Ebenda.)<br />

Man könnte ihn nicht besser charakterisieren, als er es selbst tut. Warum hat er aber dann die Lager in dieser Form<br />

dargestellt, die mit kategorischen Behauptungen vorgeht?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!