2 Wertschöpfungsrechnung Wertschöpfung sind zweifelsohne vorhanden auf Grund der Einkommensgenerierung und der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, denn sonst wären die Kunden nicht bereit, hierfür einen Preis zu entrichten. Da jedoch verschiedene negative (sowie auch positive) Auswirkungen nicht erfasst sind, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass diese die positiven Effekte überkompensieren oder zumindest mindern. Aber auch in den Fällen, in denen z.B. gemeinnützige Vereine keine positive Wertschöpfung erzielen, weil sie sich z.B. für die ökologische Umwelt einsetzen, ohne für ihre Leistungen bezahlt zu werden, wird u.U. trotzdem insgesamt zur Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt beigetragen, obwohl im Sinne der Wertschöpfungsrechnung kein Wert geschaffen oder sogar Wert vernichtet wird. Die unternehmerische Wertschöpfung beziffert den unternehmerischen Beitrag zum Volkseinkommen, dem BIP. Jedoch ist, analog zur Wertschöpfung, auch das BIP ein nur unzureichendes Maß für die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Es gibt zentrale Bedürfnisse von Anspruchsgruppen, die jedoch nicht über die entsprechende Kaufkraft verfügen, um diese befriedigen zu können. Diese kritische soziale Frage der Einkommensverteilung spiegelt das BIP nicht wider. Des Weiteren gibt es in einer Volkswirtschaft verschiedene unentgeltliche Tätigkeiten, wie z.B. die Hausarbeit, Kinderbetreuung oder ehrenamtliche Tätigkeiten, die zwar wertvoll sind, aber aus methodischen Gründen nicht in das BIP mit einfließen. Darüber hinaus kann ein Mehr an Produktion, verbunden mit einer Steigerung des BIP, gesamtwirtschaftlich durchaus ein Weniger an Wohlfahrt bedeuten, wenn z.B. wirtschaftliche Tätigkeiten nötig sind, um Wohlfahrtsminderungen auszugleichen, wie z.B. Aufräumarbeiten nach einem Störfall oder die Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Allergien, die auf Grund von Umweltschmutzungen auftreten. Aus diesem Grund gibt es auch auf nationaler Ebene Bemühungen, die VGR z.B. durch Sozialindikatoren zu ergänzen. Allerdings fehlt unseres Wissens bislang eine gangbare Alternative 65 , sodass das BIP nach wie vor ein zentraler, wenngleich ergänzungsbedürftiger volkwirtschaftlicher Indikator für die gesellschaftliche Wohlfahrt darstellt – ebenso wie die Wertschöpfung auf betriebswirtschaftlicher Ebene. Alles in allem ist die Wertschöpfungsrechnung als Indikator für die gesellschaftliche Legitimation unternehmerischen Handelns und damit für die mittel- bis langfristige Überlegensfähigkeit des Unternehmens zwar besser geeignet als beispielsweise der Gewinn oder der Shareholder Value. Sie ist aber für sich genommen nicht ausreichend aussagekräftig, sondern sollte durch weitere quantitative Daten, z.B. ökologische oder soziale Kennzahlen, sowie nicht quantifizierbare Sachverhalte ergänzt werden. Auch als Teil der Sozialbilanz ist die Wertschöpfung, die auf den Stakeholder-Ansatz basiert, sicherlich aussagekräftiger als diejenigen Indikatoren, die lediglich die Shareholder im Blickfeld haben. Trotzdem sollten in einer Sozialbilanz auch solche Anspruchsgruppen mit berücksichtigt werden, die für das Unternehmen zwar nicht relevant, aber dennoch von den Auswirkungen des unternehmerischen Handelns betroffen sind, ebenso wie nicht-monetäre Auswirkungen für die Gesellschaft ebenfalls mit behandelt werden sollten. Eine weitere Problematik der Wertschöpfung als Bezugsgröße für die Klimakennzahl sind reine nominale Preisunterschiede, die den Umsatz, die Wertschöpfung und die Vorleistungen nominal erhöhen, ohne dass dem jedoch eine reale Steigerung im Sinne einer höheren Wertschätzung der Unternehmensleistung durch die Kunden gegenüberstehen würde. Daher müssen diese nominalen Unterschiede, um die Aussagefähigkeit der Kennzahl zu erhalten, herausgerechnet werden. Darunter fallen nominale Geldwertänderungen über die Zeit, d.h. Inflation, und nationale Preisniveauunterschiede. Im ersten Fall müsste die Wertschöpfung inflationsbereinigt werden (s. Beispiel VIII in Anhang A). Im zweiten Fall der internationalen Vergleichbarkeit müssten die Unterschiede sinnvollerweise über den Vergleich geeigneter Preisindizes der Länder ausgeglichen werden (s. Beispiele IX bis XI in Anhang A). 66 65 66 So auch Haller (1997), S. 83. Vgl. Haller (1997) S. 52f., m.w.N. 18
2 Wertschöpfungsrechnung Kontrovers diskutiert wird des Weiteren die Frage, wie Erträge aus Dienstleistungen im Gegensatz zu Erträgen aus Produktionsprozessen zu werten bzw. zu vergleichen sind, z.B. aus Marken, Namensrechten, Patenten, Lizenzen etc. 67 U.E. sollten auch diese Wertschöpfungsprozesse ebenso wie Produktionsprozesse gleich behandelt und gewichtet werden, da auch hier – wenngleich „nur“ immaterieller – Nutzen für die Gesellschaft generiert wird, für den Kunden bereit sind, einen gewissen Preis zu entrichten (s. Beispiel XI Anhang A). 67 Vgl. Lehmann (1954), S. 34 und Kroeber Riel (1963), S. 78f. 19