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auto motor und sport #26

Neuheiten von BMW: Die stärksten Porsche, Neuwagenrabatte, Nürburgring-Zukunft 

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Extra<br />

5<br />

ETHIK Darf Technik über<br />

Leben <strong>und</strong> Tod entscheiden?<br />

Der programmierte Unfall: Was passiert, wenn sich eine Kollision nicht<br />

mehr verhindern lässt, das <strong>auto</strong>nome Fahrzeug jedoch noch den Unfallgegner<br />

auswählen kann? Kleinwagen oder SUV? Kind oder Gegenverkehr?<br />

Doch der zaghaft erweiterte Gesetzesrahmen<br />

passt ganz gut zum Vorhaben hiesiger<br />

Autobauer, der Technik nicht in einem großen<br />

Schritt das Lenkrad zu überlassen, sondern<br />

in vielen kleinen. Im Stau fahren bereits<br />

heute S-Klasse, Fünfer, Passat & Co.<br />

ihrem Vordermann hinterher oder kurbeln<br />

sich in enge Parklücken. Noch vor 2020 ist<br />

bei verschiedenen Herstellern mit dem<br />

Autobahn-Assistenten zu rechnen, der bis<br />

Tempo 130 die Spur hält <strong>und</strong> langsamere<br />

Fahrzeuge selbstständig überholt. Ebenfalls<br />

bis 2020 werden Autos in der Lage sein, unbemannt<br />

in Parkhäuser zu fahren <strong>und</strong> sich<br />

ihre Lücke zu suchen.<br />

Bis es ins Stadtgetümmel geht, werden<br />

jedoch noch mindestens zehn Jahre ins Land<br />

ziehen, bei Landstraßen sieht Werner Huber,<br />

Leiter der Forschungsgruppe Fahrerassistenz<br />

bei BMW, sogar für die nächsten 15<br />

Jahre schwarz: Autos, die sich auf einem<br />

schmalen Asphaltband ohne schützende<br />

Mittelleitplanke mit 100 km/h entgegenkommen<br />

– kleinste Ungenauigkeiten würden<br />

zur Katastrophe führen.<br />

ler rein, als dies mit Privat <strong>auto</strong>s möglich<br />

wäre. Zum anderen kann das Einsatzgebiet<br />

von vornherein auf beherrschbare Gefilde<br />

ohne kritischen Verkehr begrenzt werden.<br />

Nicht zuletzt ziehen Tran<strong>sport</strong>dienstleistungen<br />

in den USA für den Nutzer weniger rigide<br />

Haftungsregelungen nach sich als für<br />

Fahrer konventioneller Autos.<br />

Überhaupt bemisst sich der gesetzliche<br />

Rahmen in den USA wesentlich großzügiger<br />

als in Europa. Um die einheimische Industrie<br />

zu unterstützen, kippen immer mehr US-<br />

B<strong>und</strong>esstaaten ihre Auflagen. In Kalifornien<br />

reicht seit Neuestem der Versicherungsnachweis<br />

über fünf Millionen Dollar, <strong>und</strong> schon<br />

darf Kollege Roboter ans Steuer. Den ersten<br />

Freifahrschein nach neuer Regelung hat sich<br />

Audi gesichert. Mercedes, Nissan, Tesla <strong>und</strong><br />

Google sind wie die Zulieferer Delphi, Continental<br />

<strong>und</strong> Bosch ebenfalls in Kalifornien<br />

unterwegs. In Europa lähmt hingegen nach<br />

wie vor das Wiener Übereinkommen von<br />

1968 die Entwicklung, das einen menschlichen<br />

Fahrer vorschreibt, der beide Hände<br />

am Steuer hat. Im März 2014 wurde zwar<br />

eine Öffnung des Abkommens beschlossen,<br />

bis zu einer verbindlichen gesetzlichen Umsetzung<br />

dürfte jedoch noch eine ganze Zeit<br />

ins Land ziehen, befürchtet Ralf Herrtwich,<br />

Leiter Fahrerassistenzsysteme bei Daimler.<br />

Immerhin registriert er seitens der Politik<br />

eine höhere Sensibilität für das Thema. Ein<br />

Auto ganz ohne Lenkrad wäre jedoch selbst<br />

mit den neuen Regeln nicht denkbar, die<br />

vorschreiben, dass ein Fahrer jederzeit eingreifen<br />

können muss. Ebenfalls unklar: das<br />

Thema Haftung. Wer zahlt, wenn das <strong>auto</strong>nome<br />

Fahrzeug einen Unfall baut?<br />

Eine öffentliche<br />

Diskussion muss das<br />

Bewusstsein für ethische<br />

Konsequenzen <strong>auto</strong>nomen<br />

Fahrens schaffen<br />

Patrick Lin, Ethiker an der<br />

California Polytechnic State University<br />

Roboter sind nicht unfehlbar<br />

Doch die Wartezeit lässt nicht nur die Technik<br />

reifen, sie könnte auch dafür sorgen,<br />

dass die Menschen den Fortschritt leichter<br />

akzeptieren. Denn selbst wenn Technik tatsächlich<br />

weniger Unfälle baut als echte Fahrer,<br />

ganz vermeiden lassen werden sie sich<br />

nicht. An menschliches Versagen als Unfallursache<br />

haben wir uns bei aller Tragik gewöhnt.<br />

Der erste schwere Unfall mit einem<br />

<strong>auto</strong>nom fahrenden Auto wird jedoch ein<br />

riesiges Mediengewitter nach sich ziehen.<br />

Und was ist, wenn die Sensorik feststellt,<br />

dass sich ein Aufprall nicht mehr verhindern<br />

lässt, sondern nur noch entscheiden<br />

kann, wer gerammt wird: der Kleinwagen<br />

auf der linken Spur oder der dicke SUV von<br />

rechts, dessen Insassen vermutlich besser<br />

geschützt sind?<br />

Mit solchen Fragen jenseits des technisch<br />

Machbaren beschäftigt sich der amerikanische<br />

Ethiker Patrick Lin. Wenn irgendwann<br />

einmal alle Steuergeräte auf SUV programmiert<br />

sind, dürfte das die Absatzchancen<br />

dieser Fahrzeuge deutlich verringern. Wer<br />

kauft schon freiwillig potenzielle Ziele <strong>auto</strong>nomer<br />

Autos? Oder was passiert, wenn<br />

sich die Technik zwischen zwei Radfahrern<br />

entscheiden muss, einer mit <strong>und</strong> einer ohne<br />

Helm? Der mit Helm hat die höheren Überlebenschancen<br />

als der ohne, aber ist es gerecht,<br />

den sorglosen Radler zu belohnen?<br />

Wie steht es zwischen Kind <strong>und</strong> altem Menschen?<br />

Welches Leben ist mehr wert? Darf<br />

Technik überhaupt solche Entscheidungen<br />

treffen oder muss sie sich dumm stellen <strong>und</strong><br />

nach dem Zufallsprinzip agieren? Angesichts<br />

solcher Fragen erscheint es plötzlich<br />

gar nicht mehr so schlimm, dass es sich mit<br />

dem <strong>auto</strong>nomen Fahren noch etwas zieht.<br />

Text: Dirk Gulde<br />

102 26/2014

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