auto motor und sport #26

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Reportage Am Vortag des härtesten Nonstop- Wüstenrennens der Welt ist erst mal Party angesagt. Oder besser gesagt: Fiesta – wir sind ja in Mexiko. 237 Rallye- Vehikel, vom 900 PS starken Hightech-Trophy-Truck bis hin zu den an Golfkarren erinnernden, vergleichsweise winzigen Rennern aus der Side-by-Side-Klasse, stehen in der Stadtmitte von Ensenada Schlange vor der technischen Abnahme. Stundenlang. Der Hightech-Tatzelwurm wird umtost von den Fans. Abertausende wollen Autogramme, Aufkleber oder wenigstens ein paar nette Worte von den Fahrern. Die Kinder haben schulfrei. Jeder Sponsor, der etwas auf sich hält, bringt ein paar offensiv dekolletierte Models in Stellung. Die Musik spielt dazu aus mannshohen Lautsprechern. Und zwar so laut, dass man kaum mehr versteht als „Hola!“ oder „How are you?“ oder „Good luck!“. Ja, Glück, das können die Fahrer gut brauchen bei einem der letzten ganz großen Abenteuer in der sonst oft so streng limitierten Welt des modernen Motorsports. 1275 Meilen stehen diesmal an. Nonstop. Auf den härtesten Pisten, die die Wüste zu bieten hat, mit riesigen Löchern und gigantischen Passagen im puderzuckerweichen Sand, dem sogenannten Silt. „Wenn du da hinter einem anderen Teilnehmer reinfährst, wird’s dunkel in deinem Cockpit“, sagt Armin Schwarz, der einzige Deutsche im Starterfeld. Trotzdem peilen die Fahrerteams der 800 bis 900 PS starken Trophy Trucks einen Schnitt von mindestens 90 km/h an. Die meisten Teams bestehen aus zwei Fahrern, im Motorradsattel wechseln sich bis zu vier wilde Reiter ab. Ein paar besonders Hartgesottene setzen noch einen drauf. Acht Männer, darunter sechs Motorradpiloten, versuchen sich als „Ironman“. BJ Baldwin aus Las Vegas hat in den letzten beiden Jahren Geschichte geschrieben, als er zweimal in Folge als Solist gewann. „Ich habe vier oder fünf Tage gebraucht, um mich von diesen Strapazen wieder halbwegs zu erholen und ins normale Leben zurückzufinden“, sagt BJ. Diesmal wird er scheitern. Ganz profan. Der Wüstenkönig muss mit einer Magenverstimmung aufgeben. Drei der Biker kommen an. Mit 225 km/h über die Piste Die Chance, beim „Großvater unter den Wüstenrennen“ (Veranstalterwerbung) das Ziel zu sehen, steht – rein statistisch gesehen – nur wenig besser als fifty-fifty. Und alle wissen: Erwischen kann es jeden, sogar die Besten und die Fittesten. Im November sind die Nächte auf der Baja California lang. Sehr lang. Um halb sechs ist es stockdunkel, und erst 13 Stunden später meldet sich die Sonne wieder zurück über der mexikanischen Halbinsel im Pazifik. Das Fahren in der Finsternis macht die Sache nicht gerade einfacher, auch wenn die LED-Scheinwerfer mit schier unglaublicher Leuchtkraft wahre Lichtschneisen in die Dunkelheit der Wüste säbeln. Nur so ist es möglich, dass die Fahrer der schnellsten Trophy Trucks, wie Robby Gordon, Rob MacCachren oder der Deutsche Armin Schwarz, mit unvorstellbarem Speed über die übelsten Pisten Mexikos brettern. „Was mich ein bisschen stört, sind die langen Geraden“, sagt Schwarz nach dem Training. „Da fährt man bis zu 20 Meilen Vollgas am Stück. Das ist ermüdend, weil es so eintönig ist.“ Und wie schnell fährt man denn so mit einem 800-PS-Trophy-Truck? „Ja mei“, sagt Schwarz. „225 km/h, wenn der Motor richtig läuft. Mittendrin kommt dann immer wieder ein sogenannter ‚wash‘, ein Flussbett, wo du auf 60 Sachen runterbremsen musst. Trotzdem machen einen diese Passagen müde. Bryan, mein Beifahrer, zählt die Kilometer bis zum nächsten Bremspunkt herunter. Das bringt ein bisschen Abwechslung.“ Wer das härteste Punkt-zu-Punkt-Autorennen der Welt gewinnen will, muss erst mal sehr fleißig trainieren. Armin Schwarz genehmigte sich zehn Tage für den sogenannten Pre-Run. Zweimal fuhr er seine Passage ab, die ersten 740 Meilen vom Start bis zum geplanten Fahrerwechsel in einem gottverlassenen Kaff namens San Ignacio. Dort sollte sein Partner Martin Christensen den gelb-schwarzen Prototypen übernehmen. Doch man kann noch so emsig trainieren: Das Risiko fährt immer mit. „Always expect the unexpected“, warnt Veranstalter Roger Norman, früher selbst ein Rennfahrer der Extraklasse. „Erwarte immer das Unerwartete.“ Neben streunendem Vieh sind die Fans das größte Risiko. Um die Show aufzumörteln, lassen sich die Mexikaner allerlei Hinterfotzigkeiten einfallen: Sie bauen versteckte Rampen, graben Löcher und legen gar Baumstämme quer zur Fahrbahn. Erfahrene Baja-Fahrer wissen: Überall da, wo es einen größeren Menschenauflauf gibt, herrscht Alarmstufe Rot. Die Veranstalter finden das nicht schlimm: „Wir können ja nicht jeden Meter der Strecke kontrollieren. Und die Leute sind ja nicht bösartig. Sie wollen keinesfalls, dass sich jemand verletzt.“ „Boobietraps“ heißen die quer liegenden Baumstämme im Baja-Jargon. Wer da zu schnell ist, bekommt zu spüren, was sich hinter dem Fachbegriff „g-out“ verbirgt: Die Federung geht auf Block – trotz mehr als 90 Zentimetern Federweg. Das Heck des Autos wird hochkatapultiert, und wenn’s blöd läuft, setzt der 2,5-Tonnen-Apparat zu einem gewaltigen Sturzflug an. ▷ Um die Show aufzumörteln, lassen sich die Fans Gemeinheiten einfallen: Sie bauen Rampen, graben Löcher und legen Holzstämme quer zur Fahrbahn 172 26/2014
Von wegen nur Sand: Ab und zu nehmen die Renner auch ein Fußbad im „wash“ Mit der Kraft der Koteletten: „Pistol Pete“ Sohren gewann die Klasse 7 Kostprobe beim Rummel am Start: Döner auf Mexikanisch Bryce Menzies (Ford) gehörte zu jenen 44 Prozent, die scheiterten 26/2014 173
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