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Bbl 2001 1715 - admin.ch

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oder führen kann16. «Mit dem Begriff der Behinderung wird ni<strong>ch</strong>t der Gesundheitszustand<br />

an si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>rieben, sondern der aus einer bestimmten somatis<strong>ch</strong>en oder<br />

psy<strong>ch</strong>o-mentalen Verfassung resultierende Kompetenz- oder Funktionsverlust. Diese<br />

Störung oder Eins<strong>ch</strong>ränkung der Funktionsfähigkeit kann auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> für das<br />

betroffene Individuum eine Beeinträ<strong>ch</strong>tigung darstellen, oder aber, was in der Regel<br />

der Fall ist, si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> auf Dritte auswirken» 17.<br />

Ein neues, ganzheitli<strong>ch</strong>es Konzept versu<strong>ch</strong>t die Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) für die Beurteilung von Behinderung zu entwickeln. Ihr bisheriges Klassifikationssystem,<br />

die «International Classification of Impairments, Disabilities and<br />

Handicaps» wird aus einer neuen Si<strong>ch</strong>tweise heraus uminterpretiert und umgearbeitet<br />

in ein erweitertes Gedankengebäude. Das neue Klassifikationssystem18 orientiert<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur an den Defiziten der Person, sondern erfasst au<strong>ch</strong> die soziale Dimension<br />

des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lebens. Es unters<strong>ch</strong>eidet vier Ebenen und verbindet damit<br />

folgende Fragestellungen:<br />

1. S<strong>ch</strong>aden (impairment): Wel<strong>ch</strong>e Körperfunktionen und -strukturen sind beeinträ<strong>ch</strong>tigt?<br />

2. Aktivitäten (disabilities): Wel<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ränkungen der Aktivitäten und des<br />

selbst bestimmten, autonomen Handelns ergeben si<strong>ch</strong> aus dem S<strong>ch</strong>aden?<br />

3. Partizipation (handicap): Es geht um das Ausmass des Einbezogenseins einer<br />

Person in vers<strong>ch</strong>iedenen Lebensberei<strong>ch</strong>en. In wel<strong>ch</strong>er Weise und in wel<strong>ch</strong>em<br />

Ausmass wirken si<strong>ch</strong> Gesundheitsstörungen, körperli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>äden oder<br />

Aktivitätseins<strong>ch</strong>ränkungen auf die Teilnahme an öffentli<strong>ch</strong>en, gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en,<br />

kulturellen Aufgaben, Angeboten und Errungens<strong>ch</strong>aften aus?<br />

4. Kontextfaktoren: Wie (in wel<strong>ch</strong>er Weise und in wel<strong>ch</strong>em Ausmass) wirken<br />

si<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong>e Faktoren sowie die Lebensumstände, die Lebens- und Familienges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

die Gesamtheit der Umweltfaktoren, in denen der Mens<strong>ch</strong><br />

eingebettet ist und mit denen er si<strong>ch</strong> auseinander setzt und interagiert, hinderli<strong>ch</strong><br />

oder förderli<strong>ch</strong> auf die Partizipationsmögli<strong>ch</strong>keiten aus?<br />

Dieses neue Klassifikationssystem ist ni<strong>ch</strong>t auf die Ursa<strong>ch</strong>en, sondern auf die Folgen<br />

von Gesundheitsstörungen ausgeri<strong>ch</strong>tet und versteht si<strong>ch</strong> als Hilfsmittel für die Erkennung<br />

sozialer Folgen. Damit soll es den Blick öffnen für den Einzelnen wie für<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft, S<strong>ch</strong>ritte zu wagen in Ri<strong>ch</strong>tung mehr Selbstbestimmung, mehr Teilnahmemögli<strong>ch</strong>keiten<br />

in allen Lebensberei<strong>ch</strong>en. Anzei<strong>ch</strong>en für den Mentalitätswandel,<br />

wona<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en mit Behinderungen ni<strong>ch</strong>t mehr nur als Objekte der Fürsorge<br />

und Pflege, sondern vermehrt au<strong>ch</strong> als Subjekte der eigenen Lebensgestaltung und<br />

Lebensbewältigung gesehen werden, sind unverkennbar.<br />

16 Vgl. Erwin Murer, Vom S<strong>ch</strong>utz des Starken im S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en oder das Bild des S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en<br />

im Sozialversi<strong>ch</strong>erungsre<strong>ch</strong>t, in: Peter Gau<strong>ch</strong> (Hrsg.), Das Mens<strong>ch</strong>enbild im Re<strong>ch</strong>t,<br />

Mélanges, Universität Freiburg, 1999, S. 359–382.<br />

17 Markus Buri/Walter Weiss, Behinderung, in: Walter Weiss (Hrsg.), Gesundheit in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz, Züri<strong>ch</strong> 1993, S. 73.<br />

18 Dargestellt in Anlehnung an Christoph Heinz, Anderer Blick – freiere Si<strong>ch</strong>t. INFORUM<br />

2, 1998, S. 8–13 sowie in Anlehnung an Judith Hollenweger, «Behinderung» neu denken:<br />

Ein S<strong>ch</strong>ritt na<strong>ch</strong> vorne? S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>rift für Heilpädagogik 12/1998, S. 24–29.<br />

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