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Bbl 2001 1715 - admin.ch

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Angelegenheiten. Diese Form der Vormunds<strong>ch</strong>aft kommt für Mens<strong>ch</strong>en in Frage,<br />

wel<strong>ch</strong>e wegen ihrer s<strong>ch</strong>weren Geisteskrankheit oder Geistess<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t in der<br />

Lage sind, die Rahmenbedingungen ihres Lebens zu gestalten. Ni<strong>ch</strong>t einges<strong>ch</strong>ränkt<br />

werden können allerdings die hö<strong>ch</strong>stpersönli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>te, die jedem Mens<strong>ch</strong>en zustehen.<br />

Darunter versteht man beispielsweise das Re<strong>ch</strong>t auf körperli<strong>ch</strong>e Unversehrtheit<br />

(Erfordernis der Zustimmung zu einem ärztli<strong>ch</strong>en Eingriff wie die Sterilisation)<br />

oder das Re<strong>ch</strong>t auf die Erri<strong>ch</strong>tung eines Testamentes. Diese Re<strong>ch</strong>te kann die betroffene<br />

Person in eigener Verantwortung wahrnehmen, soweit sie die Tragweite ihrer<br />

Handlung zu verstehen vermag, d.h. urteilsfähig ist. Da die absoluten hö<strong>ch</strong>stpersönli<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>te «vertretungsfeindli<strong>ch</strong>» sind, ist es ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, dass der Vormund<br />

stellvertretend für das Mündel sol<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidungen trifft. Die Einwilligung in<br />

ärztli<strong>ch</strong>e Eingriffe zählt zu den relativ hö<strong>ch</strong>stpersönli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ten250. Das bedeutet,<br />

dass im Falle von Urteilsunfähigkeit eine Vertretung zugelassen ist251. Für die Ehes<strong>ch</strong>liessung<br />

brau<strong>ch</strong>t die entmündigte Person die Zustimmung des gesetzli<strong>ch</strong>en Vertreters<br />

(Art. 94 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Dessen Verweigerungsre<strong>ch</strong>t, beispielsweise als<br />

Vormund, ist jedo<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>ränkt; dies ergibt si<strong>ch</strong> aus dem wohlverstandenen Interesse<br />

des Mündels, wel<strong>ch</strong>es im Rahmen der Fürsorgepfli<strong>ch</strong>t des Vormundes strikte zu<br />

wahren ist. Die entmündigte Person kann gegen die Verweigerung dieser Zustimmung<br />

das Geri<strong>ch</strong>t anrufen (Art. 94 Abs. 2 Satz 2 ZGB). Gemäss hö<strong>ch</strong>stri<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>er<br />

Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung dürfen die Anforderungen an die Urteilsfähigkeit für die Ehes<strong>ch</strong>liessung<br />

ni<strong>ch</strong>t allzu ho<strong>ch</strong> gesetzt werden252. Das Re<strong>ch</strong>t, um Aufhebung der Vormunds<strong>ch</strong>aft<br />

zu ersu<strong>ch</strong>en oder ein S<strong>ch</strong>eidungsbegehren geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> anhängig zu ma<strong>ch</strong>en<br />

sowie eine letztwillige Verfügung zu erlassen oder einen Erbvertrag abzus<strong>ch</strong>liessen,<br />

gehören zu den absolut persönli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ten253. Als ordentli<strong>ch</strong>e oder als dringende Massnahme kann dur<strong>ch</strong> eine vormunds<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Behörde ein fürsorgeris<strong>ch</strong>er Freiheitsentzug geboten sein. Geisteskrankheit und<br />

Geistess<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e, Su<strong>ch</strong>terkrankung, s<strong>ch</strong>were Verwahrlosung sind Gründe, wel<strong>ch</strong>e<br />

einen fürsorgeris<strong>ch</strong>en Freiheitsentzug und die Unterbringung in eine geeignete Anstalt<br />

re<strong>ch</strong>tfertigen, wenn der betroffenen Person die nötige persönli<strong>ch</strong>e Fürsorge<br />

ni<strong>ch</strong>t anders erwiesen werden kann (Subsidiarität des fürsorgeris<strong>ch</strong>en Freiheitsentzuges).<br />

Die Belastung der Umgebung ist bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit<br />

der Massnahme zu berücksi<strong>ch</strong>tigen (Art. 397a ZGB). Bei einer dauernden Anstaltsunterbringung<br />

kann für die fürsorgebedürftige Person ein Vormund (volle Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />

der Handlungsfähigkeit Art. 367 Abs. 1 ZGB) oder ein Beirat (nur teilweise<br />

Bes<strong>ch</strong>ränkung der Handlungsfähigkeit Art. 395 ZGB) ernannt werden.<br />

In der Praxis wird heutzutage auf die Bevormundung verzi<strong>ch</strong>tet, weil sie als zu eins<strong>ch</strong>neidend<br />

empfunden wird (Entzug der re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Handlungsfähigkeit). Hingegen<br />

werden bei alterss<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Personen oder bei Personen mit einer geistigen Behinderung<br />

Beistands<strong>ch</strong>aften angeordnet.<br />

In der laufenden Revision des Vormunds<strong>ch</strong>aftsre<strong>ch</strong>ts sind massges<strong>ch</strong>neiderte Massnahmen<br />

vorgesehen, wel<strong>ch</strong>e die individuelle Situation der betreffenden Person stärker<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigen. Au<strong>ch</strong> im neuen «Erwa<strong>ch</strong>senens<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>t» wird das Verhältnismässigkeitsprinzip<br />

und das Prinzip der Subsidiarität der Massnahmen von Bedeutung<br />

sein.<br />

250 BGE 114 Ia 350.<br />

251 Vgl. Margrith Biggler-Eggenberger in: Kommentar zum S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Privatre<strong>ch</strong>t,<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Zivilgesetzbu<strong>ch</strong> I, Art. 19, N 37 und N 41, S. 187, Basel 1996.<br />

252 BGE 109 II 273 E. 2 und.3<br />

253 Biggler-Eggenberger, a.a.O., N 40.<br />

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