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Bbl 2001 1715 - admin.ch

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in der Doktrin die Meinungen geteilt, was die Verfassungsmässigkeit einer Bundesregelung,<br />

die den Begriff des Grunds<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>ts konkretisiert, angeht235. Im vorliegenden Fall denken wir in Anbetra<strong>ch</strong>t der Auslegungsprobleme bezügli<strong>ch</strong><br />

der unbestimmten Re<strong>ch</strong>tsbegriffe von Artikel 8 Absatz 4 BV (insbesondere was die<br />

Begriffe «Behinderte» und «Bena<strong>ch</strong>teiligungen» anbelangt), dass es re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong><br />

ist, dass der Bundesgesetzgeber sie selbst und vorgängig konkretisiert. Wenn er<br />

sein Handeln jedo<strong>ch</strong> auf die Konkretisierungsarbeit begrenzt, greift er ni<strong>ch</strong>t in den<br />

Zuständigkeitsberei<strong>ch</strong> der Kantone ein, wel<strong>ch</strong>e ihre ursprüngli<strong>ch</strong>e Zuständigkeit<br />

bewahren, selbst eine mit den Grundre<strong>ch</strong>ten im Einklang stehende Ordnung aufzustellen.<br />

Artikel 8 Absatz 4 BV gibt dem Gesetzgeber den Auftrag, zu Gunsten einer bestimmten<br />

Gruppe von Personen tätig zu werden und Massnahmen zu ergreifen, die<br />

geeignet sind, die Bena<strong>ch</strong>teiligungen auszuräumen, deren Opfer sie sind. Zu diesem<br />

Zweck sollen Bedingungen ges<strong>ch</strong>affen werden, die den behinderten Personen gestatten,<br />

ein Leben zu führen, das mit demjenigen ni<strong>ch</strong>tbehinderter Personen verglei<strong>ch</strong>bar<br />

ist; das kann die Dur<strong>ch</strong>führung positiver Massnahmen mit si<strong>ch</strong> bringen.<br />

Diese Massnahmen, die mit dem Ziel ergriffen werden, bestehende Na<strong>ch</strong>teile auszuglei<strong>ch</strong>en<br />

oder zu beseitigen, stellen keine Verletzung der re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>stellung<br />

dar, selbst wenn riskiert wird, dass damit indirekt Na<strong>ch</strong>teile für andere Mitglieder<br />

der Gesells<strong>ch</strong>aft verbunden sind. Anreizmassnahmen können somit über eine einfa<strong>ch</strong>e<br />

Beseitigung eines Na<strong>ch</strong>teils hinausgehen: Sie können, wenn allenfalls au<strong>ch</strong> nur<br />

vorübergehend, in den Berei<strong>ch</strong>en, in wel<strong>ch</strong>en die Notwendigkeit von Ausglei<strong>ch</strong>smassnahmen<br />

besonders stark spürbar ist, eine Vorzugsbehandlung vorsehen. Dieser<br />

Glei<strong>ch</strong>stellungsaspekt wurde namentli<strong>ch</strong> bei der Glei<strong>ch</strong>stellung der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter<br />

untersu<strong>ch</strong>t236. 8.1.2 Andere Verfassungsgrundlagen<br />

Ohne dies im Ingress ausdrückli<strong>ch</strong> zu erwähnen, basiert der Gesetzesentwurf au<strong>ch</strong><br />

auf Artikel 62 Absatz 2 BV, um die Glei<strong>ch</strong>stellung der Behinderten im Berei<strong>ch</strong> des<br />

Grunds<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>ts zu konkretisieren. Beim Primars<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>t kann der Bund<br />

nur den Begriff des ausrei<strong>ch</strong>enden Grunds<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>ts präzisieren (vgl. oben). So<br />

wurden Bundesrat und Bundesgeri<strong>ch</strong>t mehrfa<strong>ch</strong> angerufen, dies zu tun. Wenn au<strong>ch</strong><br />

mit der gebotenen Zurückhaltung, haben sie si<strong>ch</strong> denno<strong>ch</strong> über die vernünftige<br />

Distanz von S<strong>ch</strong>ulwegen oder über die Angemessenheit einer Verfügung betreffend<br />

235 M. Borghi in Kommentar der Bundesverfassung, zu Art. 27 (1988), Rz. 83–84;<br />

J. S<strong>ch</strong>ollenberger, Kommentar der Bundesverfassung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Eidgenossens<strong>ch</strong>aft,<br />

1905, zu Art. 27, S. 260–261; F. Fleiner, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Bundesstaatsre<strong>ch</strong>t,<br />

1923, S. 46, Rz 23; W. Burckhardt, Kommentar der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Bundesverfassung,<br />

3. Auflage, 1931, zu Art. 27, S. 204; F. Fleiner – Z. Giacometti, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es<br />

Bundesstaatsre<strong>ch</strong>t, 1949, S. 90–91, Rz. 73 (der die von F. Fleiner 1923 geäusserte<br />

Meinung übernimmt).<br />

236 BGE 125 I 21, 25–26; für eine neuere Synthese dieser Probleme, siehe A. Auer,<br />

G. Malinverni, M. Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Les droits fondamentaux,<br />

Bern 2000, N. 1069 ff.; vgl. au<strong>ch</strong> Caroline Klein, La discrimination des personnes<br />

handicapées, Diss. , S. 80–112<br />

1817

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