22.07.2012 Aufrufe

Bbl 2001 1715 - admin.ch

Bbl 2001 1715 - admin.ch

Bbl 2001 1715 - admin.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1.3 Kein Anspru<strong>ch</strong> auf Anstellung im Arbeitsre<strong>ch</strong>t – Arbeitsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>utzvors<strong>ch</strong>riften<br />

Das Arbeitsre<strong>ch</strong>t befasst si<strong>ch</strong> als Sonderre<strong>ch</strong>t mit dem Lebenssa<strong>ch</strong>verhalt der abhängigen<br />

Arbeit, wel<strong>ch</strong>e auf Grund eines privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Verhältnisses erbra<strong>ch</strong>t<br />

wird254. Obs<strong>ch</strong>on im Arbeitsre<strong>ch</strong>t zwingende Bestimmungen zu bea<strong>ch</strong>ten sind, ist<br />

die Abs<strong>ch</strong>lussfreiheit bzw. die Vertragsfreiheit beider Vertragspartner gewährleistet.<br />

Sie wird als wesentli<strong>ch</strong>er Teil der persönli<strong>ch</strong>en Freiheit betra<strong>ch</strong>tet255. Sie umfasst<br />

neben der Freiheit zur Gestaltung des Vertragsinhaltes innerhalb der gesetzli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>ranken au<strong>ch</strong> die Abs<strong>ch</strong>lussfreiheit, d.h. die Freiheit, einen Vertrag abzus<strong>ch</strong>liessen<br />

oder ni<strong>ch</strong>t, sowie die Freiheit, den Vertragspartner auszuwählen. Die Gesetzgebung<br />

des Bundes s<strong>ch</strong>ränkt die Vertragsfreiheit und somit das Re<strong>ch</strong>t auf Wahlfreiheit<br />

des Arbeitgebers bei Vertragss<strong>ch</strong>luss ledigli<strong>ch</strong> punktuell ein. So verbieten beispielsweise<br />

die Bestimmungen des Artikels 3 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über die<br />

Glei<strong>ch</strong>stellung von Mann und Frau vom 24. März 1995256 direkte oder indirekte<br />

Bena<strong>ch</strong>teiligungen auf Grund des Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts bei der Anstellung257. Spezielle gesetzli<strong>ch</strong>e<br />

Rücksi<strong>ch</strong>tnahmen sind bei Anstellungen gegenüber Mens<strong>ch</strong>en mit Behinderungen<br />

ni<strong>ch</strong>t geboten. Das Gemeinwesen vertraut auf die Freiheit des Arbeitgebers,<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> freiwillig zur Anstellung eines Mens<strong>ch</strong>en mit einem Handicap zu<br />

ents<strong>ch</strong>liessen oder einen sol<strong>ch</strong>en Arbeitnehmer bzw. eine sol<strong>ch</strong>e Arbeitnehmerin<br />

trotz einer eingetretenen Behinderung und allenfalls einges<strong>ch</strong>ränkter Leistungsfähigkeit<br />

weiterhin in geeigneter Weise zu bes<strong>ch</strong>äftigen.<br />

Um das Klis<strong>ch</strong>ee der Hilfsbedürftigkeit bei jedem Behinderungsfall zu dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>en,<br />

ist zu unterstrei<strong>ch</strong>en, dass Behinderung ni<strong>ch</strong>t notwendigerweise eine Eins<strong>ch</strong>ränkung<br />

der kreativen und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Leistungskraft bedeutet. Beispiele<br />

von Mens<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e trotz ihrer augenfälligen oder verborgenen Behinderung ihren<br />

Mann oder ihre Frau stellen, widerspre<strong>ch</strong>en den gängigen Vorurteilen von Hilflosigkeit<br />

und Abhängigkeit.<br />

Als eine der zwingenden Bestimmungen im Arbeitsre<strong>ch</strong>t gilt die Pfli<strong>ch</strong>t des Arbeitgebers,<br />

die Persönli<strong>ch</strong>keit der Arbeitnehmer zu s<strong>ch</strong>ützen (Art. 328 Abs. 1 OR). Die<br />

Arbeitgeber sind verpfli<strong>ch</strong>tet, präventiv und aktuell die Persönli<strong>ch</strong>keit jedes Arbeitnehmers<br />

und jeder Arbeitnehmerin zu s<strong>ch</strong>ützen und im Rahmen des Arbeitsverhältnisses<br />

entspre<strong>ch</strong>ende Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten (Kunden,<br />

Lieferanten) abzuwehren. Zu den Persönli<strong>ch</strong>keitsgütern gehören insbesondere<br />

Leben und Gesundheit, körperli<strong>ch</strong>e und geistige Integrität, persönli<strong>ch</strong>e und berufli<strong>ch</strong>e<br />

Ehre, Stellung und Ansehen im Betrieb, Geheimsphäre, die Freiheit der persön-<br />

254 Dem Arbeitsre<strong>ch</strong>t kommt grosse Bedeutung zu, da die eigene Arbeitskraft für die meisten<br />

Mens<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz die Grundlage ihrer wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Existenz bildet. In der<br />

S<strong>ch</strong>weiz sind über 90% der Erwerbstätigen Arbeitnehmende. Vgl. Charlotte Gysin, Der<br />

S<strong>ch</strong>utz des Existenzminimums in der S<strong>ch</strong>weiz, Basel 1999, S. 210. Rehbinder bere<strong>ch</strong>net<br />

für das Jahr 1996 die Zahl von 3,8 Millionen, bzw. na<strong>ch</strong> Abzug des öffentli<strong>ch</strong>en Dienstes<br />

2,8 Millionen Mens<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz, die ihre Existenzgrundlage in abhängiger Arbeit<br />

fanden. Manfred Rehbinder, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Arbeitsre<strong>ch</strong>t, 14. Aufl., Bern 1999, S. 19.<br />

255 BGE 80 II 39<br />

256 Glei<strong>ch</strong>stellungsgesetz (SR 151.1)<br />

257 Das Verbot der direkten und indirekten Bena<strong>ch</strong>teiligung erstreckt si<strong>ch</strong> überdies auf die<br />

Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und<br />

Weiterbildung, Beförderung und Entlassung.<br />

1829

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!