Bbl 2001 1715 - admin.ch
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1.3 Kein Anspru<strong>ch</strong> auf Anstellung im Arbeitsre<strong>ch</strong>t – Arbeitsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>utzvors<strong>ch</strong>riften<br />
Das Arbeitsre<strong>ch</strong>t befasst si<strong>ch</strong> als Sonderre<strong>ch</strong>t mit dem Lebenssa<strong>ch</strong>verhalt der abhängigen<br />
Arbeit, wel<strong>ch</strong>e auf Grund eines privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Verhältnisses erbra<strong>ch</strong>t<br />
wird254. Obs<strong>ch</strong>on im Arbeitsre<strong>ch</strong>t zwingende Bestimmungen zu bea<strong>ch</strong>ten sind, ist<br />
die Abs<strong>ch</strong>lussfreiheit bzw. die Vertragsfreiheit beider Vertragspartner gewährleistet.<br />
Sie wird als wesentli<strong>ch</strong>er Teil der persönli<strong>ch</strong>en Freiheit betra<strong>ch</strong>tet255. Sie umfasst<br />
neben der Freiheit zur Gestaltung des Vertragsinhaltes innerhalb der gesetzli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>ranken au<strong>ch</strong> die Abs<strong>ch</strong>lussfreiheit, d.h. die Freiheit, einen Vertrag abzus<strong>ch</strong>liessen<br />
oder ni<strong>ch</strong>t, sowie die Freiheit, den Vertragspartner auszuwählen. Die Gesetzgebung<br />
des Bundes s<strong>ch</strong>ränkt die Vertragsfreiheit und somit das Re<strong>ch</strong>t auf Wahlfreiheit<br />
des Arbeitgebers bei Vertragss<strong>ch</strong>luss ledigli<strong>ch</strong> punktuell ein. So verbieten beispielsweise<br />
die Bestimmungen des Artikels 3 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über die<br />
Glei<strong>ch</strong>stellung von Mann und Frau vom 24. März 1995256 direkte oder indirekte<br />
Bena<strong>ch</strong>teiligungen auf Grund des Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts bei der Anstellung257. Spezielle gesetzli<strong>ch</strong>e<br />
Rücksi<strong>ch</strong>tnahmen sind bei Anstellungen gegenüber Mens<strong>ch</strong>en mit Behinderungen<br />
ni<strong>ch</strong>t geboten. Das Gemeinwesen vertraut auf die Freiheit des Arbeitgebers,<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> freiwillig zur Anstellung eines Mens<strong>ch</strong>en mit einem Handicap zu<br />
ents<strong>ch</strong>liessen oder einen sol<strong>ch</strong>en Arbeitnehmer bzw. eine sol<strong>ch</strong>e Arbeitnehmerin<br />
trotz einer eingetretenen Behinderung und allenfalls einges<strong>ch</strong>ränkter Leistungsfähigkeit<br />
weiterhin in geeigneter Weise zu bes<strong>ch</strong>äftigen.<br />
Um das Klis<strong>ch</strong>ee der Hilfsbedürftigkeit bei jedem Behinderungsfall zu dur<strong>ch</strong>bre<strong>ch</strong>en,<br />
ist zu unterstrei<strong>ch</strong>en, dass Behinderung ni<strong>ch</strong>t notwendigerweise eine Eins<strong>ch</strong>ränkung<br />
der kreativen und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Leistungskraft bedeutet. Beispiele<br />
von Mens<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e trotz ihrer augenfälligen oder verborgenen Behinderung ihren<br />
Mann oder ihre Frau stellen, widerspre<strong>ch</strong>en den gängigen Vorurteilen von Hilflosigkeit<br />
und Abhängigkeit.<br />
Als eine der zwingenden Bestimmungen im Arbeitsre<strong>ch</strong>t gilt die Pfli<strong>ch</strong>t des Arbeitgebers,<br />
die Persönli<strong>ch</strong>keit der Arbeitnehmer zu s<strong>ch</strong>ützen (Art. 328 Abs. 1 OR). Die<br />
Arbeitgeber sind verpfli<strong>ch</strong>tet, präventiv und aktuell die Persönli<strong>ch</strong>keit jedes Arbeitnehmers<br />
und jeder Arbeitnehmerin zu s<strong>ch</strong>ützen und im Rahmen des Arbeitsverhältnisses<br />
entspre<strong>ch</strong>ende Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten (Kunden,<br />
Lieferanten) abzuwehren. Zu den Persönli<strong>ch</strong>keitsgütern gehören insbesondere<br />
Leben und Gesundheit, körperli<strong>ch</strong>e und geistige Integrität, persönli<strong>ch</strong>e und berufli<strong>ch</strong>e<br />
Ehre, Stellung und Ansehen im Betrieb, Geheimsphäre, die Freiheit der persön-<br />
254 Dem Arbeitsre<strong>ch</strong>t kommt grosse Bedeutung zu, da die eigene Arbeitskraft für die meisten<br />
Mens<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz die Grundlage ihrer wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Existenz bildet. In der<br />
S<strong>ch</strong>weiz sind über 90% der Erwerbstätigen Arbeitnehmende. Vgl. Charlotte Gysin, Der<br />
S<strong>ch</strong>utz des Existenzminimums in der S<strong>ch</strong>weiz, Basel 1999, S. 210. Rehbinder bere<strong>ch</strong>net<br />
für das Jahr 1996 die Zahl von 3,8 Millionen, bzw. na<strong>ch</strong> Abzug des öffentli<strong>ch</strong>en Dienstes<br />
2,8 Millionen Mens<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz, die ihre Existenzgrundlage in abhängiger Arbeit<br />
fanden. Manfred Rehbinder, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Arbeitsre<strong>ch</strong>t, 14. Aufl., Bern 1999, S. 19.<br />
255 BGE 80 II 39<br />
256 Glei<strong>ch</strong>stellungsgesetz (SR 151.1)<br />
257 Das Verbot der direkten und indirekten Bena<strong>ch</strong>teiligung erstreckt si<strong>ch</strong> überdies auf die<br />
Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und<br />
Weiterbildung, Beförderung und Entlassung.<br />
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