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Bbl 2001 1715 - admin.ch

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zes über die Glei<strong>ch</strong>stellung von Mann und Frau vom 24. März 1995130 haben die<br />

Geri<strong>ch</strong>te oft gezögert, ja si<strong>ch</strong> geweigert, aus dem subjektiven Re<strong>ch</strong>t auf glei<strong>ch</strong>en<br />

Lohn zwingende Wirkungen namentli<strong>ch</strong> bezügli<strong>ch</strong> der Privaten zu ziehen131. Einer<br />

der Gründe für diese Zurückhaltung ist die stark verankerte Auffassung, dass es, getreu<br />

der Gewaltenteilung im Innern des Staates, Sa<strong>ch</strong>e des Gesetzgebers ist, politis<strong>ch</strong>e<br />

Fragen zu ents<strong>ch</strong>eiden. In dieser Eigens<strong>ch</strong>aft obliegt es ihm, den Anwendungsberei<strong>ch</strong><br />

und die Tragweite einer Bestimmung, die Anspru<strong>ch</strong>sbere<strong>ch</strong>tigten, die<br />

S<strong>ch</strong>uldner einer Verpfli<strong>ch</strong>tung, die Grenzen eines Re<strong>ch</strong>ts, die massgebenden Kriterien<br />

bei der Abwägung divergierender Interessen, festzulegen. Alle diese Fragen harren<br />

der ausgewogenen Lösungen, die das Gesetz demokratis<strong>ch</strong> formuliert. Wenn das<br />

Postulat der Glei<strong>ch</strong>stellung zu Gunsten der Behinderten die blosse re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Glei<strong>ch</strong>stellung übers<strong>ch</strong>reitet und auf positive Leistungen abzielt, die sowohl von den<br />

Privatpersonen als au<strong>ch</strong> von den Gemeinwesen erbra<strong>ch</strong>t werden müssen, verlangen<br />

demokratis<strong>ch</strong>e Legitimierung und Re<strong>ch</strong>tssi<strong>ch</strong>erheit, dass diese Fragen vom Gesetzgeber<br />

gelöst werden . Der Bundesrat hat immer s<strong>ch</strong>on die Idee unterstützt, dass ein<br />

Gesetz, wel<strong>ch</strong>es den Glei<strong>ch</strong>stellungsgrundsatz zu Gunsten der Behinderten umsetzt,<br />

einer s<strong>ch</strong>wierig anzuwendenden verfassungsmässigen Bestimmung vorzuziehen<br />

ist132. Zur Illustration seien hier einige Fragen aufgeworfen, worauf die Verfassungsbestimmung<br />

keine Antwort gibt und die von der Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung gelöst werden müssten:<br />

Wer gilt als behinderte Person? Handelt es si<strong>ch</strong> um invalide Personen im Sinne<br />

des Bundesgesetzes über die Invalidenversi<strong>ch</strong>erung, oder ist der Kreis der anvisierten<br />

Personen grösser? Was ist unter Bauten, was unter Anlagen, was unter Leistungen<br />

zu verstehen, die für die Öffentli<strong>ch</strong>keit bestimmt sind, und sind mit der Bestimmung<br />

alle diese Einri<strong>ch</strong>tungen und Leistungen gemeint, oder gibt es Grenzen bezügli<strong>ch</strong><br />

Volumen und Kapazität, ausserhalb deren die Verfassungsbestimmung ni<strong>ch</strong>t<br />

anwendbar ist? Wel<strong>ch</strong>es ist die Art des gewährleisteten Zugangs, und zu wel<strong>ch</strong>en<br />

Bedingungen wird dieser Zugang gewährt? Wel<strong>ch</strong>e anderen Interessen sind zu berücksi<strong>ch</strong>tigen,<br />

und wel<strong>ch</strong>es sind die Kriterien, die geeignet sind, um in die Abwägung<br />

der gegenteiligen Interessen einzufliessen? Ist eine Übergangsfrist einzuhalten,<br />

bevor von den Gemeinwesen oder von den Privatpersonen verlangt wird, dass sie<br />

den Anforderungen an die Verfassungsbestimmung Folge leisten? Wer ist gehalten,<br />

einen den Bedürfnissen der Behinderten angepassten Zugang zu gewährleisten? An<br />

wel<strong>ch</strong>e Behörde muss man si<strong>ch</strong> wenden und in wel<strong>ch</strong>em Zeitpunkt oder bei wel<strong>ch</strong>er<br />

Gelegenheit? Wer hat ein Bes<strong>ch</strong>werdere<strong>ch</strong>t? Wie man sieht, können alle diese Fragen<br />

ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> beantwortet werden, und zwar ohne dass damit gegen die<br />

Idee der Glei<strong>ch</strong>stellung verstossen würde. Ist ein derart grosser Auslegungsspielraum<br />

gegeben, obliegt es mithin dem Gesetzgebers, eine angemessene Auswahl zu<br />

treffen und die Grenzen des Re<strong>ch</strong>ts auf Glei<strong>ch</strong>stellung festzulegen.<br />

Alle diese Unsi<strong>ch</strong>erheiten haben einen starken Einfluss auf die Beurteilung der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

und finanziellen Konsequenzen der Volksinitiative. Wir bes<strong>ch</strong>ränken<br />

uns hier darauf, sie aufzuzeigen, und verweisen im Übrigen auf das Kapital der Bots<strong>ch</strong>aft,<br />

worin die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und finanziellen Konsequenzen des Gesetzesentwurfs<br />

behandelt werden133. 130 SR 151.1<br />

131 FF 1993 I 1248<br />

132 AB 1998 NR 1801<br />

133 Vgl. Ziff. 5<br />

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