Demos und Monarch - booksnow.scholarsportal.info
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94 TVHANNENHASS<br />
Bald setzte der Kampf um AlMbiades ein. Der Hermokopidenskandal<br />
bezeichnete einen Höhepunkt. Der Warnungsruf<br />
vor der TjTannis erscholl lauter denn je. Der Gedanke freilich,<br />
dass der, welcher die Verfassung stürzen wolle, zuerst<br />
Heiligenbilder demolieren müsse, ist an sich unsinnig. Wir<br />
sehen aber, wie das athenische Volk auch über vernünftige<br />
Gesichtspunkte hinaus zu fanatisieren war, wenn es die Verfassung<br />
bedroht glaubte <strong>und</strong> die Wiederkehr der verhassten<br />
Tyrannis fürchtete.<br />
Aristophanes zeichnet uns das anschaulichste Bild jener<br />
Kriegs- <strong>und</strong> Revolutionspsychosen, das man sich nur wünschen<br />
kann. Als er im Jahre 423/22 seine Wespen dichtete, war die<br />
Furcht vor der Alleinherrschaft aufs höchste gestiegen^). „Bei<br />
euch ist alles Tyrannei, Komplott,** sagt Bdelykleon, „das darf<br />
in keiner Klage fehlen, nicht der lumpigsten, <strong>und</strong> doch ward<br />
seit 50 Jahren nicht die Spur davon gesehen. Jetzt steht das<br />
Ding im Preise höher als der feinste Fisch. Auf dem Markt<br />
ist<br />
es in aller M<strong>und</strong>e. Wenn einer Karpfen kauft <strong>und</strong> die Barben<br />
liegen lässt, sogleich brummt der nächste Händler, der mit<br />
Barben handelt: „So, schaut her, der Mann versorgt sich, als<br />
war er schon Tyrann." Fordert einer etwa Kapern zu einer<br />
Fischbrühe, so sieht ihn das Gemüseweib von der Seite an <strong>und</strong><br />
kreischt: Ei, seht doch, wirklich Kapern, Kapern willst Du!<br />
Ha, das schmeckt nach Tyrannei. Glaubst Du, leckere Würze<br />
Quemste Mittel war eine geschickte, mit dem nötigen Lärm in Szene gesetzte<br />
Propaganda zum Schutze der Verfassung. Hyperbolos wurde das Opfer.<br />
Man sah einen Putsch, kämpfte für die bedrohte Verfassung, fühlte sich<br />
einige Tage als Harmodios <strong>und</strong> Aristogeiton <strong>und</strong> vergass darüber in der gewünschten<br />
Weise andere Dinge, die für das Wohl <strong>und</strong> die Zukunft der<br />
Stadt wesentlicher waren als der Lärm um die Verfassung. Man schaute<br />
nach innen anstatt<br />
nach aussen.<br />
1 ) Kleon freilich war es nicht, den man fürchtete (er spielte mit grossem<br />
Geschick den Volksmann), sonst würde der Dichter nicht durch den M<strong>und</strong><br />
Bdelykleons, der der Demokratie kleontischer Färbung aufs entschiedenste<br />
den Kampf angesagt hat, die Haltlosigkeit dieser Tyrannenfurcht erweisen<br />
lassen. Die Lage muss umgekehrt gewesen sein, Kleon muss es verstanden<br />
haben, seine Gegner durch solche Anschuldigungen um ihren Kredit zu<br />
bringen.