Demos und Monarch - booksnow.scholarsportal.info

166 HIRTE UND HERDE
denn man bezeichnet Athen als -pocTaTr, tt,; 'EXXöl^o^^). Nach
seinem Prostates bildet sich das Volk. Ist der Führer schlecht,
so handelt es böse, ist er gut, so beschliesst die Masse stets
Gutes, eine Vorstellung, die Xenophon auch auf den Fürsten
anwendet ^).
Die führenden Politiker waren sich ihres Wertes voll bewusst.
Euripides klagt darüber:
Welch üble Sitte waltet doch in Griechenland:
Des Volkes Häupter, die sich hoch in Würden blähen,
Tun stolzer als die Menge, sind sie nichtig auch.
Doch tausendmal gescheiter sind die Niedern oft,
Wenn's nicht am Selbstvertrauen und am Willen fehlt ^).
Aber es fehlte offenbar dem Volke an Selbstvertrauen und
Willen; die Volksversammlung Hess sich willenlos vom jeweils
stärksten Politiker leiten.
Die Geschichte der griechischen
Demokratie bestätigt die Richtigkeit des Satzes, den Taine ^)
aus der Betrachtung der französischen Revolution ableitet:
II faut toujours des chefs au peuple, il les prend oü il les trouve,
tantot dans son elite, tantot dans sa canaille. Wer im V. Jahrhundert
in Athen lebte, der konnte sich des Eindrucks nicht
erwehren, dass eine beschränkte Anzahl von Persönlichkeiten
die Geschicke Athens zum Guten wie zum Bösen führte, dass
die souveräne Volksversammlung neben ihnen nur noch ein
Scheindasein fristete. Athens Geschichte: Die Geschichte seiner
Führer. Wilamowitz hat die literarische Auswirkung dieser
Vorstellung in seinem Buche „Aristoteles und Athen" verfolgt:
Stesimbrotos
von Thasos, Eupolis in seinen Demen, Aristophanes
in seinen Rittern, Antisthenes in seinem Politikos vertreten
diese Auffassung, die aber mehr ist als eine tendenziös oligarchische
Entstellung. Man hatte im V. Jahrhundert keine Wahl,
man musste sich ihr beugen, wenn man auf die tatsächlichen
Erscheinungen des politischen
Lebens blickte.
Denken wir doch an Perikles, den Olympier. Wer den
einzigen Perikles^) all die vielen Jahre unter dem athenischen
1) Lys. 2, 57. Lycurg. c. Leoer. 61, 104.
2) Eurip. Or. 772. Xen. Kyr. 8, 8, 5. 8, 1, 6. — 3) Eurip. Androm. 699.
4) Les origines de la France contemp. 4, 115. — 5) Xen. Mem. 3, 5, 1.