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210 SIZILIEN
Wäre uns an Stelle des athenischen Geschichtsschreibers der
sizilische erhalten geblieben, so würden wir mit Philistos den
Mittelpunkt der griechischen Welt in Syrakus und nicht in
Athen suchen,
und als Staatsform des V. Jahrhunderts erschiene
die Monarchie, die Pause zwischen dem Ende der Deinomeniden
und dem Siege des ersten Dionysios als unheilvolle Zeit der
Verwirrung. Für Philistos musste am Ende des Jahrhunderts
die Monarchie triumphieren. Thukydides will bewusst athenische
Geschichte geben, und wenn er von einem Sieg des
demokratischen Gedankens redet, nimmt er Sizilien aus. Mit
dem Sturz der Peisistratiden war die Monarchie für den Griechen
keineswegs ein Kuriosum oder eine Verirrung der Vergangenheit
geworden. Dazu ist die Bedeutung Siziliens und
seiner Fürsten viel zu gross, und gerade die Besten griechischen
Geistes sind von Sizilien schlechterdings nicht zu trennen. Von
Pindar, Aischylos, Simonides, von Empedokles und Gorgias
bis herab auf Plato und Isokrates reiht sich Zeuge an Zeuge
für die Bedeutung Siziliens. Was für Sizilien richtig ist, das
gilt in weiterem Rahmen auch für das grössere Griechenland:
Man müsste eine Karte der Verfassungsformen der griechischen
Welt vom Pontus und Kypern bis hinüber nach Sizilien etwa
für die Jahre 550, 500, 450, 400, 350 herstellen. Das räumliche
Übergewicht der Monarchie als Staatsform würde in die
Erscheinung treten. Wir dürfen uns nicht von der Auswahl
unserer Quellen zwingen lassen und der Demokratie eine einseitig
dominierende Stellung zuweisen. Die Menschen des
V. Jahrhunderts, die als Kaufleute, Soldaten, Sophisten und
Wanderprediger über die Polisgrenzen hin ausblickten und die
Welt durchzogen, sahen ein anderes Bild. Auf sie wirkte das
mechanische Gewicht der Masse, für sie musste, wie ihre persönliche
Stellung immer sein mochte, die Alleinherrschaft als
die Regel, die reine Demokratie als die Ausnahme erscheinen.
Durchwandern wir rasch die griechische Welt, so stellt sich
zu Beginn des Jahrhunderts Sizilien als eine Summe von
Monarchien dar ^). In Gela herrschte die Dynastie des
1) Wir verzichten im folgenden darauf, Belegstellen für allgemein bekannte
Tatsachen zu geben.